Rhetorik des Abstimmungsplakats

Zur verbalen und visuellen Topik

Judith Arnold, Zürich, den 23.05.2007

 

Wie eine Analyse von Fallbeispielen zeigen konnte, liegt dem Abstimmungsplakat eine argumentative Textstruktur zugrunde (vgl. Arnold 2007d: 19ff.; 2007e: 25ff.). Dreh- und Angelpunkt sind die Topoi, die über die Art der Argumentation bestimmen. So lassen sich alltagslogische Schlussregeln unterscheiden von konventionalisierten Schlussverfahren, die sich zur Begründung der Autorität, der Analogie oder der Personalisierung bedienen. Da die Topoi den Charakter der Argumentation massgeblich bestimmen und auch alle Typologien von Argumentationsschemata auf diesen Topoi beruhen, wird dieser Aspekt der Argumentation noch weiter vertieft.

Zuerst wird der Versuch einer Begriffsbestimmung vorgenommen und die Auffassung der Topoi nach Aristoteles erläutert. Im Zentrum stehen die Gemeinplätze (loci communes), die einer Argumentation grösstmögliche Zustimmung sichern. Diese werden ergänzt durch den Autoritätstopos, der nicht auf dem sensus communis einer ganzen Gesellschaft, sondern auf der Expertenmeinung von wenigen beruht. Zu unterscheiden ist die allgemeingültige Topik einer Sprachgemeinschaft von der spezifischen Topik gesellschaftlicher Teilgruppen. Beide Phänomene werden schliesslich anhand von Text- und Bildplakaten aufgezeigt. Zuvor bedarf es dazu allerdings einer theoretischen Fundierung der verbalen und visuellen Topik. Um die Symbolizität der Topoi darzulegen und die Möglichkeit ihrer Visualisierung zu begründen, wird die Topik erweitert durch die Semiotik und das sekundäre semiologische System der Mythen nach Roland Barthes. Nach der zeichentheoretischen Begründung werden Figuren, Allegorien und nationale Mythen auf Abstimmungsplakaten erläutert. Anschliessend werden die traditionellen Topoi kontrastiert mit Beispielen neuer Topoi, die erst im Verlauf der jüngeren politischen Debatten in das Inventar der Gemeinplätze eingeführt wurden. Den Abschluss bilden soziale Topoi, die nicht die Normen der Allgemeinheit repräsentieren, sondern die Werte gesellschaftlicher Teilgruppen zum Ausdruck bringen und mit anderen Wertesystemen im Widerstreit stehen. Der Ausdruck unterschiedlicher Interessen und weltanschaulicher Ideen zeigt einerseits die Bruchlinien, die sich durch die Gesellschaft ziehen, und andererseits die Ausgangslage jedes demokratischen Diskurses (vgl. Ueding/Steinbrink 1994: 173). Demnach bewegt sich der politische Prozess idealtypisch von der Positionierung von Partikularinteressen zur Konsensfindung – oder besser: Mehrheitsfähigkeit politischer Entscheide im Interesse des Gemeinwohls.

 

1 Topos: Eine Begriffsbestimmung

Wie in der wissenschaftlichen Literatur immer wieder bedauert wird, hat Aristoteles keine Definition des Begriffs "Topos" hinterlassen (vgl. Wagner und Rapp im Vorwort ihrer Übersetzung der aristotelischen Topik 2004: 29). Die folgenden Bestimmungen sind daher als Versuch zu sehen, den Topos-Begriff möglichst treffend zu umschreiben.

Topos (pl. Topoi ) ist griechisch und heisst "Ort" oder "Platz". Gemeint ist damit eine Funktionsstelle innerhalb der enthymematischen Argumentation, die eine inhaltliche bzw. formal-logische Verbindung zwischen dem Argument und der Konklusion herstellt (vgl. Ueding/ Steinbrink 1994: 235).

Gleichzeitig werden mit Topos alle inhaltlichen Konzepte oder (quasi-)logischen Regeln benannt, welche diese Funktionsstelle innerhalb der Argumentation besetzen können (vgl. Bornscheuer 1976: 40). Nach Bornscheuer handelt es sich bei diesen beiden Definitionsansätzen um zwei komplementäre Aspekte desselben topischen Prinzips: als Auswahlverfahren einerseits und als enthymematische Prämissen-Funktion andererseits:

"Das 'Auswahl'- oder 'Katalogverfahren' geht vom jeweiligen Diskussionssujet aus und postuliert idealiter zu jedem einzelnen thematischen Gegenstand eine passende Aufstellung der geeigneten Argumentationstopoi. Die Definition des Topos als 'enthymematisches Element' geht demgegenüber vom einzelnen Topos aus, von seiner 'Prämissen'-Funktion und seiner davon ableitbaren Eigenschaft als klassifizierender Oberbegriff für alle die Enthymeme, die sich unter dem betreffenden Topos je nach Problemfall bilden lassen." (Bornscheuer 1976: 40)

Dies entspricht auch der Auffassung von Aristoteles: "Unter Element aber und Topos des Enthymems verstehe ich ein und dasselbe." (Aristoteles Rhetorik II.22,13) Die Topik bezeichnet damit ein Inventar an möglichen Topoi, die zur Begründung in einer enthymematischen Argumentation herangezogen werden können. Aristoteles spricht auch von einer "Sammlung von schon fertigen Beweisen für die möglichen und die am meisten zutreffenden Fälle" (a.a.O., II.22,10). Die Bedeutung "Ort", "Platz" könnte daher auch auf die Mnemotechnik der Antike verweisen, wonach Wissenseinheiten eingeprägt wurden, indem sie mental an vertraute räumliche Gegebenheiten gekoppelt wurden (vgl. Wagner/Rapp 2004: 31; auch Bornscheuer 1976: 45; Ottmers 1996: 87). Denn beim Argumentieren ist es entscheidend, im richtigen Moment die richtigen Argumente und Begründungszusammenhänge zu evozieren. Der Topos würde demnach zu einer Gedankenstütze und einem Fundort für die adäquate Begründung. Schliesslich erklären die beiden topischen Definitionsansätze – als Themenkatalog einerseits und als enthymematische Funktionsstelle andererseits – weshalb die Topoi in den klassischen rhetorischen Werken an zwei Stellen behandelt werden: einerseits in der Einleitung zum Entwurf der Rede und dem Auffinden der Redegegenstände (inventio) und andererseits im Rahmen der Argumentationslehre (argumentatio) (vgl. Ottmers 1996: 141f.).

Als Topoi bereits vorgestellt wurden die alltagslogischen Schlussregeln und die konventionalisierten Schlussverfahren. Dabei kann man zwischen kontextabstrakten und kontextrelevanten Topoi unterscheiden (vgl. Ottmers 1996: 91ff.): Kontextabstrakt sind jene Schlussregeln bzw. Topoi, die sich auf eine (quasi-)logische Formel bringen lassen. Dies ist der Fall bei den deduktiven Schlussverfahren nach dem Prinzip der Kausalität, des Vergleichs, des Gegensatzes und der Einordnung sowie bei der induktiven Beispielargumentation. Darunter zählt Aristoteles das Gleichnis und die Fabel (vgl. Aristoteles Rhetorik II.20). Kontextrelevant hingegen sind jene Schlussverfahren, die auf dem Topos aus der Autorität, der Analogie oder der Person beruhen. Gerade die Analogieschlüsse lassen das ganze Spektrum an Gemeinplätzen, Volksweisheiten, Sprichwörtern und Dichterzitaten zu (vgl. Bornscheuer 1976: 31, 102). Die römische Topik-Tradition integriert nebst den Topoi aus der Person (loci a persona) auch die Topoi aus der Sache (loci a re), der Zeit (loci a tempore, des Ortes (loci a loco), der Art und Weise (loci a modo) und der Umstände (loci a circumstantia), die sich an der juristischen Rede zur Herleitung des Tathergangs orientieren (vgl. Ottmers 1996: 139f.). Da Aristoteles eine universell anwendbare Argumentationsmethode entwerfen wollte, wäre für ihn die Verwendung ausformulierter Versatzstücke unzureichend gewesen (vgl. Wagner/Rapp 2004: 30), weshalb er sich mit Umschreibungen begnügt. Bornscheuer nennt die aristotelischen Ausführungen eine "bewusst praktizierte darstellerische Unschärfe" (Bornscheuer 1976: 43, Hervorheb i.O.), und fügt hinzu: "Die Brauchbarkeit eines Topos richtet sich nach zwei entgegenstehenden Kriterien, einerseits nach seiner Allgemeinheit, andererseits nach seiner Nähe zu der jeweils konkreten Problemsituation" (ebd.). Damit der Topos-Begriff aber nicht vage bleibt, soll nun das Spektrum und die Semantik der möglichen Topoi noch weiter umschrieben und konkretisiert werden.

Was die Materie der Argumentation betrifft, so nennt Aristoteles lediglich fünf Politikfelder: "Haushalt", "Krieg und Frieden", "Landesverteidigung", "Ein- und Ausfuhr" sowie die "Gesetzgebung" selbst (vgl. Aristoteles Rhetorik I.4,4–12). Diese Politikfelder haben heute noch Gültigkeit, reichen aber nicht mehr aus, um alle politischen Geschäfte einer modernen Demokratie zu bezeichnen. Denn mit dem Wandel der Gesellschaft werden immer neue Probleme aufgeworfen und an die Politik verwiesen, weshalb sich der Katalog an möglichen Politikfeldern ständig erweitert (vgl. z.B. die Fortpflanzungsmedizin oder die Gentechnologie).

Was nun die Beratung über diese Politikfelder betrifft, so ist zunächst zu bedenken, dass sich Argumente und Begründungszusammenhänge an die Öffentlichkeit richten und von der allgemeinen Zustimmung abhängig sind. Entsprechend hält Bornscheuer fest: "Der Verfügungsraum an topischen Argumentationsmitteln konstituiert sich aus Tradition und Konvention" (Bornscheuer 1976: 44). Jede Argumentation sucht daher zunächst die Evidenz, also das Überzeugende für ein imaginäres universelles Publikum (vgl. Bornscheuer 1976: 38f.). Zentral ist der "öffentliche Geltungsanspruch" (ebd.). Dieses Bemühen um Akzeptanz erklärt die häufige Anbindung der Argumentation an Gemeinplätze. Bornscheuer bezeichnet die loci communes als "Standards des 'allgemeinen Denkens' im Sinne des für die öffentliche Meinungsbildung (doxa) massgeblichen 'consensus omnium' bzw. 'sensus communis'" (ebd.). Denn die Anbindung an allgemein geteilte Werte und Normen einer Gesellschaft sichert die Mehrheitsfähigkeit. Entsprechend führt Aristoteles seine Topik mit folgenden Worten ein:

"Die Abhandlung beabsichtigt, ein Verfahren zu finden, aufgrund dessen wir in der Lage sein werden, über jedes vorgelegte Problem aus anerkannten Meinungen zu deduzieren und, wenn wir selbst ein Argument vertreten, nichts Widersprüchliches zu sagen." (Aristoteles I.18)

In der Rhetorik führt Aristoteles aus, welche allgemeingültigen Werte argumentativ ins Feld geführt werden können, um einen politischen Entscheid als förderlich oder schädlich für das Gemeinwohl auszuweisen. Aristoteles nennt die "Glückseeligkeit" als übergeordnetes, er-strebenswertes Ziel, das er weiter unterteilt in Einzelfaktoren wie die edle Herkunft, das Wohlergehen mit Kindern, Reichtum, guter Ruf und Ehre, Tugenden wie Gerechtigkeit, Tapferkeit, Einsicht, Hochherzigkeit und hoher Sinn, Kunst, Wissenschaft, und Gelehrigkeit, körperliche Gesundheit, Schönheit und Stärke, glückliches Alter, das Leben selbst, Freundschaft und die Gunst des Glücks (Aristoteles Rhetorik I.5, I.6,7–17). Nützlich ist demnach, was diesen Werten zudient, und schädlich, was ihnen abträglich ist. Der eigentliche Diskussionspunkt ist dabei nicht das Nützliche oder Schädliche, sondern die politische Massnahme zur Gewinnung oder Vermeidung desselben (vgl. Aristoteles Rhetorik I.6,1–3).

Die herrschende Meinung (doxa) über die gültigen Werte und Normen ist also ein zentraler Ausgangspunkt der Argumentation. Und so richtet sich ein Redner, der die allgemeine Zustimmung gewinnen will, in der Wahl der Argumente und Worte an ein imaginäres universelles Publikum (vgl. Amossy 2006: 319ff., gestützt auf Perelman und Olbrechts-Tyteca 2004: 41ff.). Dabei kommen nicht nur Gemeinplätze, sondern auch anerkannte Expertenmeinungen zum Einsatz (vgl. Bornscheuer 1976: 95). Diese "Allgemeintopoi" (Knape 2000: 753) worauf sich der Redner bezieht, sind relativ beständig; doch die entscheidende Instanz – das universelle Publikum selbst – ist keine unveränderliche Grösse; und auch wenn sich bestimmte Typen von Folgerungen durch die Zeit hindurch halten, bringen verschiedene Kulturen und Epochen auch andere und neue Argumentationstypen hervor (Amossy 2006: 320).

Schliesslich kann sich ein rhetorischer Beitrag nicht nur an die Allgemeinheit, sondern auch an eine Zielgruppe richten. Dies ist besonders bei Parteien der Fall, die selbstredend nicht die ganze Gesellschaft, sondern nur einen gesellschaftlichen Teil vertreten. Für die parteipolitische Positionierung ist die bestimmende Grösse daher nicht das imaginäre universelle Publikum, sondern die partikulären Gruppen, ihre Wertesysteme und Interessen (vgl. Amossy 2006: 322f.). Diese "Sondertopik" (Knape ebd.) kommt durch direkte Personenansprachen, spezifische Werthaltungen und Symbole zum Ausdruck (vgl. Amossy 2006: 321f.).

"Ein Topos ist die Quelle und zugleich die Resultante verschiedener historisch-gesellschaftlicher Kräfte, ein erlerntes, prägendes, aber zugleich auch flexibles, veränderbares Bildungsmedium. (…) Er ist das tragende Bauelement jedes sprachlich-sozialen Kommunikationsgefüges, Umschlagplatz zwischen Kollektiv und Individuum, Bewusstsein und Unbewusstem, Konvention und Spontaneität, Tradition und Innovation, Erinnerung und Imagination." (Bornscheuer 1976: 104f.)

Ausgehend von diesen Beobachtungen beschreibt Bornscheuer vier Strukturmomente des allgemeinen Topos-Begriffs: die Habitualität, die Potentialität, die Intentionalität und die Symbolizität:

Die Habitualität verweist auf die allgemeine Gültigkeit von Denkschemata, Normen und gesellschaftlichen Konventionen, die einer Argumentation zugrunde liegen (vgl. Bornscheuer 1976: 96f.). Die Potentialität beschreibt die Vagheit der Topoi und ihre flexible Anwendungsmöglichkeit. Denn die "unbegrenzte Argumentationsbereitschaft erfordert ein unbegrenzt leistungsfähiges Argumentationsreservoir" (ebd. S. 97). Oder anders formuliert: "Jeder Topos ist 'an sich' unbestimmt-allgemein, eröffnet jedoch in einem bestimmten Problemzusammenhang für die verschiedenartigsten Interessen konkrete Argumentationsperspektiven" (ebd. S. 99). Die Intentionalität des Topos rührt von seiner rhetorischen Wirkungsabsicht her. Denn die Funktion des Topos ist es, ein Problem aus einem bestimmten Argumentationsgesichtspunkt darzulegen, um das Publikum zu überzeugen (vgl. ebd. S. 99f.). Dies wiederum geschieht weniger mit formallogischen Aussage- und Urteilsstrukturen als mit den besagten gesellschaftlichen Konventionen: "Die primäre Überzeugungskraft eines Topos beruht auf seinem Charakter als habitualisierter Standard" (ebd. S. 100). Allerdings können Gemeinplätze nur dann greifen, wenn die Argumentation auf die aktuelle Fragestellung angepasst wird: "Zu der allgemeinen Überzeugungskraft eines Topos tritt also normalerweise noch eine situationsbezogene, die jedoch immer erst interpretatorisch vermittelt werden muss" (ebd. S. 101, Hervorheb. i.O.). Daraus wird erklärbar, weshalb Topoi sowohl zur Beständigkeit von Argumentationstypen beitragen als auch selbst durch die Argumentation verändert werden:

"Topoi haben also doppelte Funktion, einerseits Problemdiskussionen im Rahmen des gesellschaftlichen Normensystems zu halten, andererseits die interpretatorische Reflexionskraft immer neu voranzutreiben zur Entscheidung zwischen divergierenden, ja oft kontradiktorischen Sinndeutungen des Einzelfalls. (…) Die Normativität der Topoi bleibt durch den dialektischen Reflexionsprozess nicht unberührt, sie tritt vielmehr – bereichert, modifiziert oder vermindert – am Ende der Diskussion neu in Erscheinung. Die Geltungsdauer von Topoi beruht auf permanenter Selbstlegitimation. Topoi besitzen nur so lange Überzeugungskraft, wie sie sich bei der Lösung der gesellschaftlich lebensbedeutsamen Probleme bewähren. Sie können mit anderen Worten auch durch Problemsituationen verändert oder gar überholt werden. Nur darf man unter diesem Aspekt wiederum nicht übersehen, dass jedes Problembewusstsein – also der Sinn dafür, ob überhaupt ein 'Problem' vorliegt – seinerseits durch die herrschende Topik wesentlich mitgeprägt ist." (Bornscheuer 1976: 101)

Die Symbolizität schliesslich beschreibt das vierte und letzte Strukturmoment des Topos. Damit bezeichnet Bornscheuer den Umstand, dass die Topik nicht auf eine Sprachgemeinschaft beschränkt ist, sondern sich innerhalb einer Gesellschaft auch gruppenspezifische Sondertopoi ausbilden können. Hierbei handelt es sich um eine lebensweltlich geprägte und interessenbedingte Topik-Bildung, die einerseits auf der persönlichen Erfahrung und andererseits auf erworbenem Alltagswissen gründet (vgl. Knoblauch 2000: 657). Ein Topos kann also nicht nur allgemeingültig, sondern auch spezifisch und damit symbolträchtig sein: "Ein Topos ist im Blick auf seine Symbolizität ein elementarer, kategorialer Bedeutungsträger, dessen Ausdrucksform vor allem von sprach- und bildungssoziologischen Faktoren abhängt." (Bornscheuer 1976: 104; vgl. auch S. 129ff., 136ff.)

Hanno Kesting (1957) definiert die soziale Topik wie folgt:

"Jede Topik, d.h. der Gesamtbestand verfügbarer Topoi, hat ihren sozialen Ort, an dem sie sich (…) als sinnvoll erweist. In diesem Sinn sprechen wir von sozialer Topik. Es lassen sich für jede soziale Gruppe ganze Kataloge von Topoi aufstellen, die für diese Gruppe spezifisch sind." (Kesting 1957: 83f., Hervorheb. i.O., zit. in Knoblauch 2000: 655; vgl. auch Bornscheuer 1976: 130).

Obwohl Bornscheuer die Habitualität als dominantes Strukturmoment des Topos beschreibt, hält er ihn doch nur im Verbund mit seiner Potentialität, Intentionalität und Symbolizität für überzeugungsfähig (vgl. Bornscheuer 1976: 107)

"Nimmt man die hier betonten vier Hauptmomente zusammen, lässt sich ein Topos bestimmen als ein nach dem Rückkoppelungsprinzip arbeitendes fundamentales Strukturelement der gesellschaftlichen Kommunikation. Der unmittelbare soziale Geltungsbereich des einzelnen Topos richtet sich nach dem jeweils sprach- und bildungssoziologisch zu ermittelnden Gruppenumfang. Topoi sind weder leere Gemeinplätze noch ontologische Universalien noch anthropologische Naturkonstanten, sondern durch Sozialisierungs-, Bildungs- und Kommunikationsprozesse vermittelte und diese Prozesse ihrerseits rückwirkend steuernde Grundelemente der gesellschaftlich-ideologischen Selbstkonstitution."
(Bornscheuer 1976: 108)

Politische Kommunikation ist normativ und hat zum Ziel, neue Normen einzuführen, bestehende Normen zu wahren oder zum Besseren zu verändern. Das Resultat des politischen Prozesses sind erneut Normen, die in Form von Gesetzen bzw. Gesetzesänderungen in das allgemeine Wertesystem der Gesellschaft aufgenommen werden. Das begründet die Vielzahl normativer Argumente in der politischen Kommunikation. Einerseits werden gesellschaftlich akzeptierte Normen zur Stützung herangezogen und andererseits werden die Werte von Subgruppen zur Allgemeingültigkeit erhoben. Der Meinungsstreit macht sichtbar, welche Werte (noch) allgemeingültig sind und welche Werte nicht (mehr) geteilt werden (vgl. Arnold 2007e: 17).

Wie die Analyse von politischen Debatten gezeigt hat (vgl. Klein 2000), liegt der politischen Kommunikation häufig das sog. pragmatische Argument zugrunde. Demnach wird gutgeheissen, was sich in der Folge als nützlich erweisen soll, und abgelehnt, was sich schädlich auswirken könnte. Wird das pragmatische Argument in seiner Komplexität entfaltet und nach der Grundstruktur des Enthymems gegliedert, so wird der Einfluss der gesamtgesellschaftlichen und sozialen Topik in der politischen Argumentation deutlich (vgl. Arnold 2007e: 15ff.):

Demnach kommt die Topik in der pragmatischen Argumentation in drei Argumentationsschritten zum Ausdruck: bei der Situationsbewertung, bei der Zielsetzung zur Formulierung des Handlungsvorsatzes und bei der Folgenbewertung. Basiert die Topik nicht auf allgemeingültigen Normen, sondern auf den Wertesystemen von Parteien und Interessengruppen, zeigen sich die Meinungsverschiedenheiten hier jeweils am deutlichsten (vgl. Arnold 2007e: 18). Denn die sozialen Topoi treten vor allem dann in den Vordergrund, wenn sie auf unterschiedlichen Ideologien beruhen und der eigentliche Anlass für politische Kontroversen sind (vgl. Arnold 2007e: 19). Die Ideologie – verstanden als eine spezifische Perspektive, die aus einem bestimmten lebensweltlichen Standpunkt resultiert – kann dabei nie alle Aspekte eines Problems erfassen, sondern muss beschränkt bleiben. Erst der Meinungsstreit zwischen Ideologien kann idealiter eine gewisse Ganzheitlichkeit einlösen, worauf letztlich das Konkordanzprinzip der Schweizer Demokratie beruht (vgl. Linder 1999: 22f., 295ff.). Ideologie ist alltagssprachlich negativ konnotiert, da es üblich ist, die eigene Ideologie als allgemeingültig zu betrachten und nur die Beschränkung anderer Ideologien zu sehen. Ideologie wird hier jedoch wertfrei im Sinne einer Weltanschauung begriffen und dient der Bezeichnung kultur- und interessenspezifischer Problemzugänge. Festzuhalten ist, dass nicht nur gesellschaftliche Subgruppen, sondern auch nationalstaatliche Gemeinschaften Kommunikatoren von Ideologien sind. So lassen sich u.a. demokratische, republikanische, autoritäre, kommunistische, kapitalistische, neoliberale, säkulare, laizistische oder religiöse Staatengemeinschaften unterscheiden, wobei alle Nationen ihre eigene nationale Mythen pflegen. Wertneutraler könnte man daher auch von politischer Kultur reden. Hier wird jedoch in Anlehnung an Barthes (1964a: 49) und Eco (189ff.) der Begriff Ideologie bevorzugt, um hervorzuheben, dass sowohl ganze Gesellschaften als auch gesellschaftliche Subgruppen Kommunikatoren von Ideologien sind und sich darin nicht grundsätzlich unterscheiden. Allerdings wird die Allgemeintopik von den Subgruppen geteilt, die Sondertopik hingegen nicht, auch wenn die Grenzen fliessend und Überlagerungen möglich sind (vgl. Knape 2000: 753).

Entsprechend der wertneutralen Auffassung von Ideologie dient die rhetorische Analyse hier nicht der Ideologiekritik (vgl. Amossy 2006: 324), sondern dem Bestreben, kulturelle und subkulturelle ideologische Manifestationen überhaupt erst als solche fassbar zu machen.

Abschliessend zu klären ist der Zusammenhang von Rhetorik und Ideologie, da diese oft gemeinsam genannt und nicht immer hinreichend voneinander unterschieden werden. Für die Rhetorik ganz wesentlich festzuhalten ist, dass sie nicht ideologisch ist. Sie stellt ein empirisches Sprachsystem dar, das sowohl heuristisch als auch hermeneutisch eingesetzt werden kann, um Ideologien zu formulieren oder zu analysieren. Wird sie zur Formulierung von Ideologien eingesetzt, manifestiert sie die formale Zeichenebene. Denn auf einer höheren symbolischen Dimension verhält sich die Rhetorik zur Ideologie wie der Zeichenträger zur Zeichenbedeutung (vgl. Barthes 1964a: 49; 1964b: 130ff.). Und auch wenn die Rhetorik als produktives System zum Träger von Ideologien werden kann, bleibt sie selbst unideologisch.

Als Beispiel mag der Topos aus der Gleichheit und aus der Ungleichheit dienen. Denn mit beiden Topoi lässt sich sowohl für als auch gegen die Gleichstellung von Mann und Frau argumentieren. Nehmen wir die geschlechtsspezifische Quotenregelung im Parlament als strittigen Sachverhalt, so kann aus der angenommenen Gleichheit von Mann und Frau das Gebot der Gerechtigkeit abgeleitet werden, wonach beiden Geschlechtern gleich viele Sitze im Parlament zukommen müssten. Der Topos aus der Gleichheit kann aber auch der gegenteiligen Argumentation dienen, wonach das Geschlechterverhältnis im Parlament gleichgültig ist, da Mann und Frau ohnehin gleich sind. Umgekehrt dient der Topos aus der Ungleichheit oft dazu, die verschiedenen Neigungen der Geschlechter zu betonen. Demnach ist Gerechtigkeit nicht mit Gleichheit gleichzusetzen, sondern meint die gerechte Behandlung gemäss den unterschiedlichen Neigungen. Und da Politik traditionell ein männliches Geschäft ist, zeugt dies von einem grösseren politischen Interesse der Männer, weshalb sie auch stärker im Parlament vertreten sind. Allerdings kann die angenommene Ungleichheit der Geschlechter auch für die Quotenregelung eingesetzt werden, da unterschiedliche lebensweltliche Prägungen von Männern und Frauen analog zu den kantonalen und sprachregionalen Interessen gleichberechtigt im Parlament vertreten sein sollten. Das rhetorische Prinzip, wonach der gleiche Topos sowohl für als auch gegen einen Sachverhalt ins Feld geführt werden kann, nennt sich in utramque partem (vgl. Ottmers 1996: 89). Die Gleichheits- und Differenzargumente beispielhaft analysiert hat übrigens Jost Aregger (1998) in seiner Dissertation über den Gleichstellungsdiskurs in der Schweizer Presse.

Schliesslich sei erwähnt, dass neue Topoi oft mit herkömmlichen Topoi in Konflikt geraten und nur zur Durchsetzung gelangen, wenn "alte Zöpfe" abgeschnitten werden. Das folgende Plakat zur Fristenlösung in der Abtreibungsdebatte mag diesen Konflikt illustrieren.

Abstimmungs-Nr. 274

Datum: 25. Sept. 1977

Abb. 1

Wortlaut:

"JA ZUR FRISTENLÖSUNG
EIN KLEINER SCHRITT ZUR
SELBSTBESTIMMUNG DER FRAU
FBB Frauenbefreiungsbewegung Schweiz"

Bildbeschreibung: Eine schwangere Frau hängt wie eine Marionette an den Fäden eines Juristen, eines Arztes, eines Priesters und des Ehemannes und erwägt, diese "alten Zöpfe" abzuschneiden (Schere).

Analyse: Die Topoi des geltenden Rechts, der herkömmlichen medizinischen Praxis, der religiösen Dogmen und des Ehemannes als Familienoberhaupt stehen der selbst bestimmten Geburtenregelung der Frau entgegen.

Grafik: Ropress, Zürich

Titel: Eidgenössische Volksinitiative 'für die Fristen­lösung (beim Schwangerschaftsabbruch)'

Resultat: abgelehnt

Quellen: n.n.

Sammlungen: MfGZ 26-245

 

 

2 Die Topik in Sprache und Bild

Es stellt sich nun die Frage, wie die Topik in Abstimmungsplakaten zum Ausdruck kommt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Abstimmungsplakate entweder nur aus Text bestehen oder Text- und Bildanteile aufweisen. Um eine Vergleichbarkeit zwischen den Plakaten und ihren unterschiedlichen Zeichensystemen zu gewährleisten, bedarf es daher einer theoretischen Fundierung der verbalen und visuellen Topik.

 

2.1 Die verbale Topik

Will man die Topik der politischen Sprache untersuchen, befindet man sich auf der Ebene der Semantik. Zu unterscheiden ist zunächst die denotative von der konnotativen Ebene: Die Denotation ist die grundlegende Bedeutung eines Zeichens, wie sie von einer Sprachgemeinschaft zugewiesen wird. Und die Konnotation ist die Verbindung eines Zeichens mit anderen Zeichenbedeutungen. Diese werden von einer Gesellschaft oder nur von einzelnen Gruppen oder Individuen assoziiert (vgl. Barthes 1964b: 130ff; 1992: 92ff.). In der rhetorischen Analyse steht diese konnotative Bedeutungsebene im Vordergrund.

Die Topik bezeichnet nicht das Politikfeld oder den strittigen Sachverhalt, sondern die Werte und Normen, die zur Pro- oder Contra-Argumentation herangezogen werden. Die Topik-Analyse bedarf daher einer "Trennung semantisch signifikanter Inhaltskerne (d.h. Topoi) von der Menge sonstiger wiederkehrender bedeutungstragender Elemente" (Knape 2000: 760f.). Um die politische Topik zu untersuchen, sind also zuerst die unterschiedlichen Anwendungsbereiche der politischen Semantik voneinander abzugrenzen. Denn kommunikative Topoi bilden sich überall dort aus, "wo sich Handelnde immer wieder mit denselben kommunikativen Inhalten beschäftigen müssen" (Knoblauch 2000: 659). Typisch in der politischen Kommunikation sind daher Fachbegriffe, die sich auf bestimmte Politikfelder, Institutionen, Abläufe oder Akteure beziehen. Darüber hinaus sind – neben dem alltäglichen Sprachgebrauch – auch politische Schlagworte gebräuchlich, die sich auf die Werte einer Gesellschaft oder einzelner Gruppen beziehen. Entsprechend unterscheidet Josef Klein (1989) das "Ressortvokabular" (1989: 6f.) von einem "allgemeinen Interaktionsvokabular" (1989: 7) und dem "Ideologievokabular" (1989: 7f.). Letzteres ist in unserem Zusammenhang zentral. Denn das Ideologievokabular umfasst sowohl die so genannten Hochwertwörter wie "Freiheit", "Gleichheit" und "Solidarität", die sich auf allgemeingültige Werte einer Gesellschaft beziehen, als auch die politischen Kampfbegriffe, die von einer Partei oder Interessengruppe hervorgebracht oder vereinnahmt werden. Diese Topoi machen die politischen Gruppierungen erkennbar, indem sie der sozialen Lokalisierung und Verortung der jeweiligen Partei in der Diskussion dienen (vgl. Knoblauch 2000: 662): "So wird man Ehrfurcht vor Gott ausschliesslich im Rahmen religiös-konservativer ideologischer Orientierung als hochrangigen Wertbegriff erwarten dürfen, Klassenbewusstsein bei marxistischer und nationales Bewusstsein bei national-konservativer Orientierung." (Klein 1989: 8; Hervorheb. i.O.). Zum Ausdruck kommt das Ideologievokabular vornehmlich in Schlagworten:

"Als 'politische Schlagwörter' werden Wörter dann bezeichnet, wenn sie in öffentlichen Auseinandersetzungen häufig, oft inflatorisch, verwendet werden und wenn sie in komprimierter Form politische Einstellungen ausdrücken oder provozieren. Schlagwörter dienen als Instrumente der politischen Beeinflussung. Mit ihnen wird versucht, Denken, Gefühle und Verhalten zu steuern, soweit sie politisch relevant sind. Sie sind eine Hauptwaffe der politischen Auseinandersetzung. Daher sind sie oft selbst umkämpft." (Klein 1989: 11; vgl. auch Klein 1983; 1991)

Ihr Wirkungspotential beziehen Schlagwörter gemäss Klein aus ihrer komplexen Bedeutungsstruktur, die eine inhaltliche Charakterisierung, eine Bewertung und einen Appell an den Adressaten vereint (vgl. Klein 1989: 12). Umgekehrt lassen sich politische Schlagwörter aufgrund eben dieser Aspekte auch bekämpfen. So kann die inhaltliche Bedeutungszuschreibung bestritten oder umdefiniert und die Bewertung ins Gegenteil verkehrt werden. In der politischen Semantikforschung redet man von einer Bezeichnungs- bzw. Bedeutungskonkurrenz. Eine Bezeichnungskonkurrenz liegt vor, wenn Schlagwörter einer politischen Gruppierung zur Bezeichnung eines politisch umstrittenen Sachverhalts durch gegenläufig ausgerichtete Schlagwörter des politischen Gegners konterkariert werden (vgl. Klein 1989: 17). "Beide Schlagwörter werden hier referenzidentisch verwendet. In ihnen werden jedoch jeweils andere Merkmale als charakteristisch für das politische Vorhaben hervorgehoben, Merkmale, die auch der Sicht der jeweiligen Seite zu entgegengesetzten Bewertungen und damit zu deontisch kontroversen Bezeichnungen führen." (ebd.) Die unterschiedliche Bezeichnung meint zwar jeweils das Gleiche, geht aber mit einer unterschiedlichen Attributierung und Bewertung einher. Demgegenüber liegt eine Bedeutungskonkurrenz vor, wenn politische Gruppen versuchen, allgemeingültige Werte für sich zu vereinnahmen: "Umkämpft sind vor allem die Bedeutungen von tendenziell parteiübergreifend verwendeten Hochwertwörtern wie Demokratie, Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität usw." (Klein 1989: 21, Hervorheb. i.O.; vgl. auch Ueding 2000: 492) Dieser semantische Kampf um die deskriptive Bedeutung ist zu differenzieren vom semantischen Kampf um die deontische Bedeutung. Denn in gleichem Masse, wie politische Gruppen versuchen, Hochwertwörter auf ihre Fahnen zu schreiben, lassen die politischen Gegner nichts unversucht, um diese parteisprachlichen Wörter zu stigmatisieren. Klein redet hier gestützt auf Fritz Hermanns von den "Fahnenwörtern" und "Stigmawörtern" (vgl. Klein 1989: 23f.) "In der jeweiligen Parteisprache beinhalten die Fahnenwörter eine positive und die Stigmawörter eine negative deontische Bedeutung. Manche Wörter werden sowohl als Fahnen- als auch als Stigmawörter benutzt. Sozialismus ist ein Beispiel dafür." (Klein 1989: 24; Hervorheb. i.O.). Aber auch die umgekehrte Entwicklung ist denkbar. So hat gemäss Klein das Wort liberal von einer negativen zu einer positiven Bewertung gefunden:

"Liberal war bis in die 60er Jahre hinein in kirchlichen, vor allem katholischen, aber auch in gewerkschaftlichen Kreisen geradezu ein Schimpfwort (…). Die FDP, die sich intern immer schon als liberale Partei verstand, hütete sich damals, dieses Wort in ihrer werblichen Aussendarstellung zu benutzen. Die deontische Bedeutung von liberal hat sich dann vor allem im Laufe der zweiten Hälfte der 60er und in den frühen 70er Jahren in immer weiteren Kreisen so zum Positiven verschoben, dass die FDP das bis dahin versteckte Prädikat nunmehr als erbeträchtiges Fahnenwort herausstellte." (Klein 1989: 25; Hervorheb. i.O.).

Wie sich die Bedeutungsaspekte der Begriffe liberal bzw. sozialistisch in der Schweiz entwickelt haben, wäre eine interessante Forschungsfrage, die hier nicht weiter verfolgt werden kann. Einige Beispiele werden jedoch zeigen, wie die parteipolitischen Kampfbegriffe je nach Akteur unterschiedlich eingesetzt und bewertet werden (vgl. Arnold 2005: 101; 2007b: 12ff.). Zunächst aber zum Ideologievokabular der Gesellschaft.

 

2.1.1 Verbale Allgemeintopoi (loci communes)

Haben Werte eine gewisse Allgemeingültigkeit, so kommen sie in so genannten "Hochwertwörtern" zum Ausdruck. Indem sich Politiker, Parteien und andere Interessensgruppen solcher Wörter bedienen, können sie ihre Position an allgemein geteilte Werte anbinden und auf einen Grundkonsens abstützen. Im Folgenden werden Beispiele von Hochwertwörtern aufgeführt, die sich auf Abstimmungsplakaten der Zürcher Sammlung (MfGZ) erhalten haben (zur Vereinheitlichung wurden Adjektive und Verben substantiviert):

Verantwortung, Aufrechterhaltung, Kampf, (soziale) Sicherheit, Ordnung, Freiheit, Rechte, Gerechtigkeit, Volkswohl, Eroberung, (sozialer) Frieden, Kaufkraft, Versorgung, Getreideversorgung, Landesversorgung, Bauernhilfe, Hilfe, Versicherung, Altersversicherung, Vorsorge, Arbeitsbeschaffung, Entschuldung, Schutz, freie Meinung, Unabhängigkeit, Wehrhaftigkeit, Neutralität, Heimat, Heimattreue, Vaterland, Menschenwürde, Menschenrecht, Existenzsicherung, Volksernährung, Lebensstandard, Achtung, Respekt, Ehre, Kraft, Körperbildung, Schönheit, Sauberkeit, Einigkeit, Einheit, Miteinander, Vereinsrecht, Kontrolle, Bankkontrolle, Mitsprache, Mitspracherecht, Mitbestimmung, Demokratie, Föderalismus, Verständigung, Solidarität, Gleichheit, Gleichberechtigung, Gemeinnutz, gesunde Währung, gesunde Finanzen, blühende Wirtschaft, freier Zahlungsverkehr, Weitsicht, Garantie, glückliches Volk, Volksgemeinschaft, Volksrechte, Volksbegehren, Schweizervolk, Vorväter, Verteidigung, Landesverteidigung, Familie, Mutter, Kind, Erholung, Freizeit, Gesundheit, Fortschritt, Strassenbau, Wohnungen, Förderung, Bildung, Ausbildung, Geist, Volksgeist, Qualität, Fähigkeit, Gesundung, Bekämpfung, Modernität, Zukunft, Freizügigkeit, Wahlfreiheit, Arbeitsplätze, Erhaltung, Vertrauen, Preisgünstigkeit, Chancen, Chancengleichheit, Strom, Natur, Umwelt, Umweltschutz, Profit, Zusammenarbeit, Klarheit, Privatsphäre, Recht auf Leben, Widerstand, Kampf, Bekämpfung, Innovationsgeist, Rettung, Kultur, Recht auf Asyl, Frieden, Wohlstand, Steuergerechtigkeit, Geld, Unabhängigkeit u.a.m.

Gehäuft treten Hochwertwörter auf Plakaten älterer Prägung auf, die sich durch einen hohen pathetischen Stil ausweisen, wie das folgende patriotische Plakat illustriert:

Abstimmungs-Nr. 119

Datum: 24. Feb. 1935

 Abb. 2


Politikfeld: Landesverteidigung

Allgemeintopoi:
"Unabhängigkeit und Sicherheit unserer Heimat"
"heiliges Erbe unserer Vorfahren"
"Freiheit und Recht"
"Eigenart und Eigenleben"
"Land frei halten"
"Frieden und Neutralität" erhalten
mit einem "gut ausgebildeten Volksheer"
"Respekt"
"Hoffnungen"
"friedlicher Verständigung"
"Bollwerk des Friedens"

Krönender Abschluss bildet die peroratio mit dem dreifaltigen Parallelismus:

"Dem Ausland zur Lehr!
Der Heimat zur Wehr!
Dem Volke zur Ehr!"

Grafik: Ringier, Zofingen

Titel: Bundesgesetz über die Abänderung des Bundesgesetzes vom 12. April 1907 betreffend die Militärorganisation (Neuordnung der Ausbildung)

Resultat: angenommen

Quellen: n.n.

Sammlungen: MfGZ 13-516

Auffällig ist die wiederholte Personenansprache: "Eidgenossen", was den dreigliedrigen Textaufbau des Plakats betont (vgl. Arnold 2007d: 19). Wie zudem bereits Amossy (2006: 311ff.) bemerkt, wird über die Anrede ("Mitbürger", "Schweizer", "Eidgenossen", "Genossen", "Arbeiter", "Bauern" etc.) eine Identität geschaffen, die sich indirekt auch über gemeinsam geteilte Überzeugungen, Meinungen und Werte ausdrücken kann (vgl. ebd. S. 321ff.; zur Anrede "Arbeiter" vgl. auch Arnold 2007d: 23f.). Interessant ist schliesslich die antithetische Gegenüberstellung von Werten und ihrer Bedrohung, so etwa die Antithese zwischen der "Freiheit" des Landes vor "Kriegselend" und "fremder Knechtschaft". Dieses antithetische Prinzip, das vielen Abstimmungsplakaten inhärent ist, kann sich bis in die Makrostruktur des Textes auswirken (zum antithetischen Aufbau vgl. Ueding/Steinbrink 1994: 212).

Abstimmungsplakate modernen Typs können fast ausschliesslich aus Hochwertwörtern bestehen, wie das folgende Beispiel zeigt. Auch hier bleibt jedoch die argumentative Struktur erhalten, indem die Hochwertwörter als Argumente fungieren und den erwarteten Nutzen der Vorlage vergegenwärtigen (zur argumentativen Struktur von Abstimmungsplakaten vgl. Arnold 2007d: 6ff., 19ff.; Arnold 2007e).

Abstimmungs-Nr. 388

Datum: 06.12.1992

 Abb. 3

Beschreibung: Das Plakat besteht dominant aus Text und eher untergeordnet auch aus einer Graphik unten rechts (vgl. Text-Bildplakat bei Kamps 1999: 55).

Analyse: Die Hochwertwörter

"Sicherheit!
Arbeitsplätze!
Wohlstand!
Unabhängigkeit! "

bilden einen Argumentenkatalog, der die positiven Folgen eines EWR-Beitritts auflistet.

Die Parole "JA zum EWR!" bildet die Konklusion und den Appell zugleich.

Die Schlussregel ist implizit und folgt dem pragmatischen Argument, wonach man wählen soll, was Nutzen bringt (vgl. Arnold 2007e: 12ff.).

Die Grafik zeigt ein Schweizer Wappen mit vier Pfeilen, die über das Kreuz hinausweisen. Dies kann im Kontext der EWR-Debatte als Öffnung in Richtung der Nachbarländer interpretiert werden.

Grafik: H. Fischer (Vontobel Druck AG, Wetzikon)

Titel: Bundesbeschluss über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)

Resultat: abgelehnt

Quellen: n.n.

Sammlungen: MfGZ 66-586

Auffallend ist, dass politische Gruppierungen Hochwertwörter vereinnahmen und zur Selbstbezeichnung einsetzen können. Damit werden gleich zwei Wertungen vorgenommen: Zum einen wird die Vorlage positiv konnotiert und zum anderen wird auch der Akteur aufgewertet, der sich für diese Vorlage einsetzt.

Aktionskomitee "Freier Aufstieg den Jungen"
Aktionskomitee für ein gesundes Hotelgewerbe
Aktionskomitee für das Mitspracherecht des Volkes bei Bundesausgaben, Zürich
Schweizerisches Aktionskomitee für gerechte Staatsfinanzen und Steuerabbau
Schweiz. Komitee zur Erhaltung des Nationalparks
Aktionskomitee für unseren Bauernstand
Komitee für gerechte Strassenfinanzierung
Schweiz. Aktionskomitee für Qualität und Freiheit in der Uhrenindustrie
Aktion für die Schweizer Uhr
Aktionskomitee für eine gesunde Wirtschaft
Schweiz. Aktionskomitee für eine vernünftige Zuckerwirtschaft
Aktionskomitee für moderne Finanzordnung
Aktion für konsequente Finanzpolitik
Aktion für die Rechte von Volk und Ständen in Steuersachen
Aktionskomitee "Ein Ja für die Frau"
Schweizerisches Aktionskomitee für wirksame Landesverteidigung
Überparteiliches Komitee für zeitgemässe Altersvorsorge
Aktionskomitee für den Ausbau unserer freiheitlichen KV
Schweizerisches Aktionskomitee für gesunde Bundesfinanzen
Schweiz. Aktionskomitee für die Sicherung von Arbeitsplätzen und Landesversorgung
Gewaltfreie Aktion Bern (GAB)
Eidg. Atomschutzinitiative
Komitee Schweiz 2000 für eine freiheitliche Zukunft
Berner Aktionskomitee für eine gesicherte Energieversorgung
Einheitskomitee für einen wirksamen Mutterschutz
Komitee für gerechte Stipendien
Schweiz. Komitee für einen vernünftigen und umweltgerechten Verkehr
Kleeblatt-Initiativen

Die positive Wertung überträgt sich somit einerseits auf die Vorlage und andererseits auf den Akteur selbst. Letzteres ist eine Frage des Ethos, denn wer sich für das Gute einsetzt, handelt richtig und gewinnt an Glaubwürdigkeit (vgl. Arnold 2005: 83; Arnold 2007e: 45). Dieses Mittel zur Steigerung der Überzeugungskraft ist Teil der aristotelischen Affektenlehre (II.1), worauf noch zu sprechen sein wird. Werden Hochwertwörter parteispezifisch vereinnahmt, redet man von Fahnenwörtern. Denn sie werden gewissermassen zu Bannern, die politische Gruppierungen hochhalten, um die Bürger hinter sich zu scharen. Da aber Hochwertwörter wie das Gut, das sie bezeichnen, begehrt sind, werden sie nicht kampflos einer Partei über-lassen. Vielmehr sind sie eine Hauptwaffe der politischen Auseinandersetzung und damit selbst oft umkämpft (vgl. Klein 1989: 11). Befinden sich zwei oder mehrere politische Gruppierungen im Wettstreit um ein Hochwertwort, handelt es sich nach Klein um eine Bedeutungskonkurrenz. Aktuell zu beobachten ist eine Bedeutungskonkurrenz im Umweltschutz, da der Kampf gegen die Klimaerwärmung zu einem wählerwirksamen Thema geworden ist und viele Parteien versuchen, das traditionell grüne Hochwertwort den Grünen abzujagen.

Pro-Plakate sind in der untersuchten Zeitperiode häufiger als Contra-Plakate (vgl. Arnold 2007a: 15), weshalb auf Abstimmungsplakaten viele Hochwertwörter gezählt werden können. Doch aufgrund der antithetischen Gegenüberstellung vom Ist- zum Sollzustand oder zur Verschlechterung (vgl. Arnold 2005: 85; 2007c: 27f.) sind negative Werte noch häufiger als Hochwertwörter:

Defizit, Umsturz, Krieg, Elend, Hungersnot, Spekulation, Verbote, Lohnabbau, Arbeitszeitverlängerung, Strassengewalt, Diktatur, Terror, Kartelle, Korruption, Landesverräter, Maulkorb, Knebel, Zuchthaus, Tod, Übergriffe, Faschismus, Drill, Krise, Wirtschaftskrise, Wettrüsten, Griesgram, Kleinmut, Monopole, Zertrümmerung, Zerstörung, Katastrophe, Zwang, Gleichschaltung, Schulden, Verantwortungslosigkeit, Abtötung, Auslieferung, Preiszerstörung, Entwertung, Ausplünderung, Verarmung, Abbau, sinkender Umsatz, Arbeitslosigkeit, Ruin, Zentralismus, Flickwerk, Verbitterung, Feind, Drittes Reich, Kulturkampf, Unreife, Sabotage, Macht, Vollmacht, Vergewaltigung, Einsparung, Kosten, Chaos, Benachteiligung, Unlauterkeit, Demagogie, Bürokratie, Boykott, Vertrauensbruch, Verteuerung, Angriff, Behinderung, Hetze, Profitgier, Vorschriften, Verknappung, Einfuhrsperre, Warenmangel, Be-vormundung, Bevogtung, Reglementierung, Entrechtung, Teuerung, Geldentwertung, Inflation, Preiszuschlag, Belastung, Mehrbelastung, Steuern, Steuergeschenke, Preisdruck, Lohndruck, Landflucht, Missbrauch, Überfremdung, Waffen, Eingriffe, Zweckentfremdung, Abbruch, Abhängigkeit, Atom, Radioaktivität, Umweltbelastung, Risiko, Unbekanntes, Trennung, Polizeistaat, Schnüffelstaat, Überwachung, Verfolgung, Zumutung, Missachtung, Nachteile, Lähmung, Verschleuderung, Verfehlung, Schwächung, Wohnungsnot, Feindlichkeit, Angst, Beton, Transitverkehr u.a.m.

Wie Hochwertwörter werden oft auch Reizwörter im Namen des politischen Akteurs geführt, um die Notwendigkeit zur Bekämpfung einer Vorlage hervorzuheben.

Aktionskomitee gegen die Posttaxen-Erhöhung
Aktionskomitee gegen die Getränkesteuer
Schweiz. Aktionskomitee gegen Zwangswirtschaft im Wohnungswesen
Schweiz. Komitee gegen verfehlte Konjunktureingriffe
Basler Aktionskomitee gegen verfehlte Bundeseingriffe
Basler Aktionskomitee gegen unverantwortbaren Ausländerabbau
Aktionskomitee gegen unnötige Verstaatlichungen der Schweiz
Schweiz. Aktionskomitee gegen Bevormundung des Reklame-Verbots
Überparteiliches Komitee gegen untaugliche Staatseingriffe
Nationales Komitee gegen die Maulkorbgesetze (StGB)
Interkantonales Komitee gegen die Gleichschaltung des Schuljahresbeginns
Schweiz. Aktionskomitee gegen die überflüssige und bürokratische IRG
Schweiz. Aktionskomitee gegen die extreme Vivisektionsinitiative
Schweiz. Aktionskomitee "Nein zur Schwächung unserer Armee"
Schweiz. Aktionskomitee gegen die überflüssige Rothenthurm-Initiative
Schweiz. Aktionskomitee gegen Boden- und Wohnungszwangswirtschaft
Schweiz. Aktionskomitee gegen gesetzliche Zwangslösung

Wie Hochwertwörter sind auch Reizwörter im Komitee-Namen eine Frage des Ethos. Denn wer gegen das Schlechte ankämpft, handelt richtig. Anders als bei den Hochwertwörtern springt bei den Reizwörtern die negative Konnotation aber nicht auf den Redner über, sondern es findet eine klare Abgrenzung zur negativ konnotierten Abstimmungsvorlage statt. Die negative Wertung springt stattdessen implizit von der Abstimmungsvorlage zum politischen Gegner über, der sie verursacht hat. Denn wer eine "unverantwortbare" Politik betreibt, muss selbst unverantwortlich sein. So werden Reizwörter zu Stigmawörtern und das Ethos des politischen Gegners untergraben.

Da jeder Wert auch das Gegenteil als Möglichkeit beinhaltet, ist weniger von einzelnen Begriffen, als von Begriffspaaren auszugehen. Dies wird deutlich, wenn Parteien und Interessengruppen im Widerstreit zueinander stehen. So ist zu beobachten, dass parteipolitische Gruppierungen die Titel von Abstimmungsvorlagen umbenennen, um sie positiv oder negativ zu konnotieren. Eine quantitative Inhaltsanalyse hat ergeben, dass insgesamt 59.9% aller Titel neutral sind, jedoch 20.7% eine positive und 19.4% eine negative Wertung aufweisen (vgl. Arnold 2005: 97). Besonders deutlich wird die Bezeichnungskonkurrenz, wenn dieselbe Vorlage im Abstimmungskampf sowohl eine positive als auch eine negative Umformulierung erfährt, was beispielhaft in den Komitee-Bezeichnungen zum Ausdruck kommt:

Aktionskomitee gegen die Katastrophen-Initiative (Nr. 121)
(Schweizerisches) Aktionskomitee zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise (Nr. 121)

Überparteiliches Komitee für die Kaufkraftinitiative (Nr. 156)
Aktionskomitee gegen Freigeld und für gesunde Währung (Nr. 156)

Schweiz. Aktionskomitee gegen die Vermögensabgabe (Nr. 161)
Aktionskomitee für das Friedensopfer (Nr. 161)

Eidg. Aktionskomitee gegen neue Preisvollmachten (Nr. 165)
Aktionskomitee für Preiskontrolle (Nr. 165)

Eidg. Aktionskomitee gegen die soz. Vollmachtsinitiative
und für den Gegenvorschlag der Bundesversammlung (Nr. 174)
Eidg. Aktionskomitee gegen die Teuerung (Nr. 174)

Schweizerisches Aktionskomitee gegen die Kartell-Verbotsinitiative (Nr. 184)
Aktionskomitee gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht (Nr. 184)

Kantonales Aktionskomitee gegen die Verstaatlichung des Bodens (Nr. 214)
Schweiz. Aktionskomitee gegen die sozialistische Boden-Initiative (Nr. 214)

Aktionskomitee für Landesplanung und Bodenrecht (Nr. 214)

Schweiz. Komitee gegen die Schaffung einer nationalen Repressionspolizei
(die sog. "Sicherheitspolizei") (Nr. 291)
Aktionskomitee beider Basel für eine wirksame Terrorbekämpfung (Nr. 291)

Schweiz. Aktionskomitee gegen die Aushöhlung der allgemeinen Wehrpflicht (Nr. 318)
Initiativkomitee für einen echten Zivildienst auf der Grundlage des Tatbeweises (Nr. 318)

Schweiz. Aktionskomitee für das neue Eherecht (Nr. 336)
Schweiz. Komitee gegen ein verfehltes Eherecht (Nr. 336)

Schweiz. Aktionskomitee "Zucker aus unserem Boden" (Nr. 341)
Schweiz. Aktionskomitee gegen den Zuckerüberschuss (Nr. 341)

Referendumskomitee gegen die Aushöhlung des Asylrechts
und Verschärfung des Ausländergesetzes (Nr. 344)
Schweiz. Aktionskomitee für eine Asylpolitik ohne Missbräuche (Nr. 344)

Die Abwandlung der Titel zwecks Ab- oder Aufwertung ist kein neues Phänomen, wie die Beispiele zeigen, sondern taucht bereits in den kontroversen Zwischenkriegsjahren auf, wo eine Bezeichnungskonkurrenz auf über einem Drittel aller Plakate festgestellt werden kann (36%). Zudem erlebt sie während der ideologischen Auseinandersetzung in den 50er Jahren (30.2%) und in den bewegten 70er Jahren (26%) erneut eine Blüte (vgl. Arnold 2005: 71).

Noch deutlicher als in der Bezeichnungs- und Bedeutungskonkurrenz von Hochwertwörtern kommen Grabenkämpfe im parteispezifischen Ideologievokabular zum Ausdruck. Wir wenden uns daher der Sondertopik zu.

 

2.1.2 Verbale Sondertopoi

Alle politischen Gruppierungen bilden ihre eigenen Sondertopoi aus. Und da sich diese Sondertopoi voneinander unterscheiden, dienen sie "gewissermassen zur sozialen Lokalisierung und 'Verortung' der jeweiligen Parteien in der Diskussion" (Knoblauch 2000: 662). Zwar können auch parteipolitisch vereinnahmte Hochwertwörter zur Verortung einer Partei dienen wie etwa Freiheit für die Liberalen sowie Gleichheit und Solidarität für die Sozialdemokraten. (vgl. Arnold 2005: 86, 91, 102ff.; Arnold 2007e: 11). Doch Hochwertwörter gehören zu den Allgemeintopoi und können immer auch von anderen Gruppierungen vereinnahmt werden (vgl. Bedeutungskonkurrenz). Demgegenüber unterscheiden sich Sondertopoi dadurch, dass sie die spezifische Werthaltung einer Gruppierung zum Ausdruck bringen, die von anderen Parteien und Interessengruppen nicht geteilt werden. Nicht selten stehen sich Sondertopoi von unterschiedlichen politischen Gruppierungen entgegen, so dass sie zu einem verbalen Kampfmittel um die Gunst und Mobilisierung der Anhänger werden. Anders als die Allgemeintopoi können die Sondertopoi aber nicht mit dem Zuspruch der ganzen Gesellschaft rechnen, sondern richten sich vornehmlich an die eigene Zielgruppe. Denn während die Sympathisanten positiv auf Sondertopoi ansprechen, wirken sie auf das gegnerische politische Lager leicht bis ausgesprochen provokant.

Für Beispiele besonders ergiebig erweist sich nach wie vor der Klassenkampf. Dabei ist auffällig, dass Sondertopoi wie Sozialismus von den eigenen Wortführern positiv eingesetzt werden und von den politischen Gegnern als Stigmawörter dienen. Besonders deutlich wird das in Abstimmungsparolen und Komitee-Bezeichnungen:

Aktionskomitee für die Initiative Soziale Krankenversicherung
Schweiz. Aktionskomitee gegen die sozialistische Boden-Initiative
Nationales Aktionskomitee gegen die Kommunisten-Initiative
Schweiz. Aktionskomitee gegen die marxistische Lehrwerkstätten-Initiative
Eidg. Aktionskomitee gegen die soz. Vollmachtsinitiative (…)

Aber auch in Reizwörtern wie Spekulation, wirtschaftliche Macht, Kartell, Monopol, Missbrauch, Verstaatlichung, Vollmacht, Verbote, Reglementierung, Zwang, Aushöhlung etc. kommt die klassenkämpferische Sondertopik zum Ausdruck:

Schweizerisches Aktionskomitee gegen die Bodenspekulation
Eidg. Aktionskomitee gegen neue Preisvollmachten
Schweiz. Aktionskomitee gegen staatliche Wohnungsbewirtschaftung
Schweizerisches Aktionskomitee gegen die Kartell-Verbotsinitiative
Aktionskomitee gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht
Schweiz. Aktionskomitee gegen verfassungsmässige Reglementierung der Arbeitszeit
Kantonales Aktionskomitee gegen die Verstaatlichung des Bodens
Schweiz. Aktionskomitee gegen Zwangswirtschaft im Wohnungswesen
Aktionskomitee gegen unnötige Verstaatlichungen der Schweiz
Schweiz. Aktionskomitee gegen staatliche Wohnungsbewirtschaftung
Schweiz. Aktionskomitee gegen die Aushöhlung der allgemeinen Wehrpflicht
Schweiz. Aktionskomitee gegen gesetzliche Zwangslösung

Schliesslich kommen Stigmawörter nicht nur in Komitee-Namen, sondern auch in Abstimmungsparolen und den übrigen Redeteilen eines Abstimmungsplakats vor, wobei patriotische und xenophobe Sondertopoi den klassenkämpferischen in nichts nachstehen:

russische Brandfackel
Grosskapitalisten
Spekulanten
Landesverräter
grosskapitalistische Bünde
fremde Wesen
Landesverräter
Kommunisten
Faschisten
Spitzel
Spione
Krawallanten
Hetzer
Volksfeinde
Soldatenfeinde
Radaupolitiker
Bombenwerfer
grosskapitalistische Bünde
Feinde unserer Demokratie
Waffenschieber
Volksfront
Internationalisten
Parasiten

Selbstredend ist auch diese direkte Form der Stigmatisierung eine Frage des Ethos. Denn hier wird nicht mehr über die Sache, sondern über die Person argumentiert, wobei diese eine Abwertung erfährt. Nicht umsonst gehörten die Topoi aus der Person bereits in der Antike zum schlechten Stil und wurden in der Rhetorikschulung nur gelehrt, um sich vor Attacken zu schützen (vgl. Arnold 2005: 54 Anh.). Nach antikem Ideal sollte die Rede dem Gemeinwohl dienen, weshalb vom Redner eine ethisch-moralische Befähigung erwartet wurde. Gerade die personalen Figuren des Tadels (obiurgatio), der Schimpftirade (iracundia), der Verwünschung (exsecratio), der persönlichen Verletzung (laesio) und der ironischen Verspottung (illusio) stehen aber den ethischen Qualitäten des Redners nach Verständigkeit, Integrität und Wohlwollen entgegen (vgl. Ottmers 1996: 196; 120; vgl. auch Andersen 2001: 41ff.; Arnold 2005: 54).

 

2.2. Die visuelle Topik

Nachdem beschrieben wurde, wie sich die Topik in der Sprache manifestiert, stellt sich nun die Frage, wie die Topik im Bild in Erscheinung tritt und ob eine Vergleichbarkeit zwischen der verbalen und der visuellen Topik gegeben ist. Analog zur politischen Semantik soll daher die politische Bildsymbolik einer näheren Betrachtung unterzogen werden.

Die politische Bildsymbolik befindet sich semiotisch betrachtet auf Ebene der Konnotation und nimmt rhetorisch betrachtet die argumentative Stelle eines Topos ein. Dabei kann der Topos als komplexes Zeichen gelten, als ein Zeichen höherer Ordnung, wofür Barthes den Begriff des "Mythos" bereithält. Zunächst aber zum einfachen Zeichen:

Nach Ferdinand de Saussure (1913/1967) besteht das Zeichen aus einem Zeichenträger (signifiant) und einer Zeichenbedeutung (signifié) (vgl. de Saussure 1967: 78f.). Evoziert ein Zeichenträger beim Rezipienten ein Erkennungsmuster und die Vorstellung seiner Bedeutung, kann er das Zeichen interpretieren und einem aussersprachlichen Referenten zuordnen. Der Vorgang der Zeichenwahrnehmung und Interpretation hat nach de Saussure einen psychischen Charakter, weshalb er auch von einem inneren Bild des Zeichenträgers und einer inneren Vorstellung der Zeichenbedeutung spricht (vgl. ebd. 77f.). Erst die Verbindung beider innerpsychischen Zeichenkomponenten nennt de Saussure ein Zeichen. Dieser psychische Charakter des Zeichens betont auch Roland Barthes (1964b: 107) und nennt den Zeichenträger "médiateur" (ebd. S. 109) und die Zeichenbedeutung "concept" (ebd. S. 107). Inwiefern ein Konzept nun über andere als nur sprachliche Zeichenträger verknüpft werden kann, ist für die aktuelle Fragestellung zentral. Denn es wird zu klären sein, ob die verbale in der visuellen Topik eine Entsprechung findet und auf welcher Ebene sich die Text- und Bildbotschaften eines Plakats verbinden.

Dazu bedarf es zuerst der Klärung, was die sprachlichen und bildlichen Zeichen voneinander unterscheidet und was sie gemeinsam haben. Die Zeichentheorie von Charles S. Peirce (1931/1958) unterscheidet drei Typen von Zeichen, die sich in der Art ihrer Beziehung zum Bezeichneten unterscheiden: Er nennt sie Index, Ikon und Symbol. Ein Index steht in einem Folge-Verhältnis zum Bezeichneten, d.h. er lässt Rückschlüsse auf die Ursache zu, wobei das Erkennen auf Erfahrungswissen beruht (wo Rauch ist, muss auch Feuer sein). Die Beziehung des Ikons zu seinem Bezeichneten beruht auf Ähnlichkeit und ist über die Sinneswahrnehmung zugänglich. Das Symbol schliesslich steht weder in einem kausalen Verhältnis noch in einer Beziehung der Ähnlichkeit, sondern wird über gesellschaftliche Konventionen etabliert (vgl. Nöth 1975: 4ff.; Arroyabe 1982: 78ff.; Linke/Nussbaumer/Portmann 1996: 19ff.; Bonfadelli 2002: 162ff.).

Als Symbol können alle sprachlichen und typographischen Zeichen gelten, denn sie sind nicht aus sich heraus verständlich, sondern müssen erlernt werden. Entsprechend bedarf es zur Interpretation eines Textes die Kulturtechnik des Lesens und Schreibens. Als Ikon gelten kann die Abbildung, genauer: die denotative Ebene eines Bildes. Denn eine bildliche Darstellung ist über die Sinneswahrnehmung unmittelbar verständlich, vorausgesetzt ein bestimmtes Lebensalter ist erreicht und die Kultur ist mit der zweidimensionalen Bilderwelt vertraut. Anders steht es mit der symbolischen Bildbotschaft auf der Ebene der Konnotation, die nur dann interpretiert werden kann, wenn ein bestimmtes Wissen vorhanden ist. Demnach ist die "Lektüre" der Bildsymbolik nicht "anarchisch", sondern "sie hängt von den unterschiedlichen, auf das Bild angewendete Wissensarten ab (einem praktischen, nationalen, kulturellen, ästhetischen Wissen)" (Barthes 1990: 41). Als Index schliesslich können alle Zeichen gelten, die einen Rückschluss auf ihre Ursache zulassen. Dazu gehören beispielsweise Mimik, Gestik und Proxemik, die eine Folge innerer Gemütszustände sein können und u.a. Zeichen der Freude oder der Trauer sind. Doch auch diese scheinbar natürlichen Zeichen können kulturell verschieden und von Erfahrungswissen abhängig sein, weshalb auch dem Index eine symbolische Ebene zukommen kann: "Tatsächlich beruht jedes in einer Gesellschaft rezipierte Ausdrucksmittel im Grunde auf einer Kollektivgewohnheit, oder, was auf dasselbe hinauskommt, auf der Konvention." (de Saussure 1967: 80)

Die Abgrenzung zwischen Index, Ikon und Symbol ist nicht immer trennscharf und letztlich kann jedem Zeichen in seinem kulturellen Kontext eine symbolische Dimension zukommen. Die Fotografie beispielsweise kann zugleich Index, Ikon und Symbol sein: Die analoge Fotografie (griechisch für "Lichtbild") ist technisch betrachtet eine chemische Fixierung von Lichteinstrahlung und Schattenwurf. Dieses Bildgebungsverfahren verleiht der Fotografie ihre Authentizität: zum einen, weil sie eine naturalistische Wiedergabe ist, zum anderen, weil nur fotografisch festgehalten werden kann, was in dieser Form vorhanden (gewesen) ist. Das Mechanische des fotografischen Bildes wird nach Barthes (1964a: 39) zu einem "Unterpfand für Objektivität": "seine Realität ist die des Dagewesenseins, denn in jeder Fotografie steckt die stets verblüffende Evidenz: So war es also" (ebd.; Hervorheb i.O.). Dieser Evidenzcharakter kann in persuasiven Texten wie dem Abstimmungsplakat die argumentative Funktion eines Indiz' annehmen, indem sie zur Kritik an den herrschenden Verhältnissen eingesetzt wird (vgl. Arnold 2005: 91, 104; 2007e: 8, 35f.). Ebenso zentral für die Evidenz der Fotografie ist jedoch die naturalistische Wiedergabe des Abbildes, weshalb die Fotografie zu einem starken Ikon werden kann. Wird das fotografische Bild eingesetzt, um eine bestimmte Bedeutung zu entfalten, so kommt der Fotografie auch ein symbolischer Charakter zu. Denn sie steht im kommunikativen Kontext nicht nur für sich selbst, sondern auch für eine Aussage, die sie illustrieren, verstärken, untermauern oder allenfalls auch negieren kann. Festzuhalten bleibt, dass die Fotografie alle drei Zeichenaspekte vereint: Als Lichtbild ist sie ein Index, als Abbild ein Ikon und als (politische) Bildbotschaft ein Symbol. Denn obwohl die Fotografie frei von jedem kulturellen Code erscheinen mag (vgl. Barthes 1990: 38f.), bleibt sie dennoch ein intentional erstelltes und kommuniziertes Artefakt.

Aristoteles war der Meinung, dass der gleiche Sachverhalt sowohl verbal als auch visuell dargestellt werden kann, was Göttert (1998) wie folgt zusammenfasst:

"Aristoteles ging von einer einfachen Beobachtung aus: wir können einen 'Gegenstand' nicht nur mit einem 'Begriff' benennen, sondern auch mit einem 'Bild'. Kriterium der Erkennbarkeit des Gegenstands im Bild ist die Ähnlichkeit. Diese kommt in unterschiedlichen Formen vor, wobei Aristoteles am meisten die Analogie schätzte, und zwar deshalb, weil sie etwas vor Augen stellt, gewissermassen die sprachliche Leistung durch eine 'höhere' (nämlich direkt sinnliche) Art der Vergegenwärtigung ersetzt." (Göttert 1998: 45)

Aristoteles nennt dieses Überzeugungsmittel das "Vor-Augen-Führen": "man muss die Dinge nämlich eher als aktuell Geschehenes denn als Künftiges sehen." (Aristoteles Rhetorik III.10)

Die Analogie deutet auf die Bildlichkeit der Sprache hin, worauf später noch eingegangen wird (zur Bildlichkeit von Sprache und Bild vgl. HWR 10ff.). Die sprachlichen oder bildlichen Zeichen mögen in ihrer (primär) symbolischen, ikonischen oder indikatorischen Erscheinung und Wirkung verschieden sein. Das Prinzip der Zuordnung eines Zeichenträgers zu einer Zeichenbedeutung unterscheidet sich hingegen nicht. Ebenso können alle Zeichen eine primäre denotierte Zeichenbedeutung haben und darüber hinaus zum Zeichenträger einer weiteren, konnotierten Zeichenbedeutung werden.

Diese komplexen Zeichenträger auf der konnotativen Ebene nennt Barthes die Konnotatoren (connotateurs; 1964b: 131) und ihre komplexe Zeichenbedeutung eine Metasprache (Métalangage; ebd.). Nimmt man alle Konnotatoren zusammen, so bilden sie eine Rhetorik, und diese Rhetorik wird zum Träger einer Ideologie: "On appellera ces signifiants des connota-teurs et l'ensemble des connotateurs une rhétorique: la rhétorique apparaît ainsi comme la face signifiante de l'idéologie." (Barthes 1964a: 49; Hervorheb. i.O.)

Möglich ist, dass mehrere denotierte Zeichen sich zu einem einzigen Konnotator verbinden können (vgl. Barthes 1964b: 131; 1964a: 49f.; 1990: 42f.). So geht Barthes (1990: 34) davon aus, dass ein Text unter Umständen auf nur ein globales Signifikat zurückgeführt werden kann. Ebenso redet er bei den konnotierten Bildbotschaften von globalen Werten (1990: 31), von einer Chiffre oder von einer reinen Vorstellung (1990: 42). Es sollte daher möglich sein, einen Text auf seine Kernaussagen zu verdichten und ein Bild auf seine Kernidee (l'idée la plus pure, 1964: 49) zu reduzieren (vgl. Arnold 2007c: 25).

Will man die Konnotatoren gemäss ihren Zeichenbedeutungen (bzw. Konnotationsseme) gruppieren und nach bestimmten "semischen Achsen" wie z.B. der Nationalität einteilen, so müsste man nach Barthes zuerst ein umfassendes Inventar erstellen. Die Konnotatoren mögen dabei "je nach den verwendeten Substanzen (Bild, Wort, Objekte, Verhaltensweisen)" (Barthes 1990: 43) verschieden sein; auf der Seite der Zeichenbedeutung unterscheiden sie sich aber nicht, da die gleichen Signifikate unterschiedliche Signifikanten haben können:

"Man findet dieselben Signifikate im Pressetext, im Bild oder in der Gebärde des Schauspielers (weshalb die Semiologie nur in einem sozusagen totalen Rahmen denkbar ist); dieser gemeinsame Bereich der Konnotationssignifikate ist der der Ideologie, die für eine gegebene Gesellschaft und Geschichte einzigartig ist, ganz gleich, welche Konnotationssignifikanten sie einsetzt." (Barthes 1990: 43)

Die Ideologie kann also durch unterschiedliche konnotierte Zeichenträger zum Ausdruck kommen, seien es nun Bilder, Texte oder Gesten. Diese Konnotatoren bilden in ihrer Gesamtheit eine Rhetorik und können daher auch in rhetorischen Kategorien wie den Figuren beschrieben werden (vgl. Barthes 1990: 44). Allerdings kann die rhetorische Analyse noch weit mehr umfassen als nur die Figuren, die später noch eine eingehende Betrachtung verdienen. Rhetorisch beschreiben lassen sich auch der Aufbau (vgl. Arnold 2007d) und die Argumentation (vgl. Arnold 2007e). Letztere beruht nicht unwesentlich auf der allgemeinen und sozialen Topik, weshalb nun das Beispiel eines nationalen Mythos die Zeichentheorie von Barthes veranschaulichen soll. Der Mythos ist nach Barthes ein sekundäres semiologisches System, denn er baut auf einer bereits existierenden semiologischen Kette auf:

"Man muss hier daran erinnern, dass die Materialien der mythischen Aussage (Sprache, Photographie, Gemälde, Plakat, Ritus, Objekt usw.), so verschieden sie auch zunächst sein mögen, sich auf die reine Funktion des Bedeutens reduzieren, sobald der Mythos sie erfasst. Der Mythos sieht in ihnen ein und denselben Rohstoff. Ihre Einheit besteht darin, dass sie alle auf den einfachen Status einer Ausdrucksweise zurückgeführt sind. Ob es sich um eigentliches oder um bildliches Schreiben handelt, der Mythos erblickt darin eine Ganzheit von Zeichen, ein globales Zeichen, den Endterminus einer ersten semiologischen Kette." (Barthes 1992: 92f.)

Im Mythos sind demnach zwei semiologische Systeme enthalten: die Sprache (oder die ihr gleichgestellten Darstellungsweisen), die Barthes "Objektsprache" nennt, und der Mythos selbst, den Barthes "Metasprache" nennt, weil der Mythos "eine zweite Sprache darstellt, in der man von der ersten spricht." (ebd.; Hervorheb. i.O.) Bei der Analyse tritt die Objektsprache in den Hintergrund und der Gesamtterminus oder das globale Zeichen wird relevant:

"Darin liegt die Begründung dafür, dass der Semiologe berechtigt ist, Schrift und Bild auf ein und dieselbe Weise zu behandeln. Er behält von beiden nur, dass sie Zeichen sind, sie gelangen beide, mit der gleichen Bedeutungsfunktion versehen, zur Schwelle des Mythos und bilden beide eine Objektsprache." (Barthes 1992: 94; Hervorheb. i.O.)

Die Konnotationssysteme werden damit zu mythischen Systemen und das Prinzip des Mythos ist die Verwandlung von Geschichte in Natur (vgl. Spörri 1993: 16).

Der Nationalheld Wilhelm Tell kann als spezifisch schweizerischer Mythos gelten. Als Unabhängigkeitskämpfer verkörpert er die nationalen Werte von Freiheit und Unabhängigkeit und steht für den Widerstand gegen die Obrigkeit und fremde Mächte. Sein legendärer "Apfelschuss" macht die Armbrust zu seinem wichtigsten Attribut und zu einem Zeichen für Präzision. Dadurch wird erklärbar, weshalb die Armbrust ein Qualitätssignet für das Präzisionsinstrument der Schweizer Uhr werden konnte, wie das folgende Abstimmungsplakat illustriert (vgl. Arnold 2005: 96; zur Erscheinungsweise des Wilhelm Tell als Mythos für Qualität und Geschicklichkeit vgl. insbesondere Gehrig und Schwarz 1992: 58ff.).

Abstimmungs-Nr. 198

Datum: 22. Okt. 1961

 Abb. 4

Analyse:

"Die Armbrust als Waffe konnotiert im Zusammenhang mit Schillers 'Willhelm Tell' Attribute wie 'Zuverlässigkeit' und 'Präzision'. In der Schweiz wurde darum lange Zeit eine stilisierte Armbrust als Ikon, das 'Schweizer Qualität' symbolisiert, verwendet. Auf der zweiten Ebene des Mythos' bzw. der Ideologie werden somit die Signifikanten aus den Zeichen (Signifikant + Signifikat) des ersten (Sprach-)Systems gebildet." (Bonfadelli 2002: 163)

 

Grafik: Säuberlin & Pfeiffer SA, Vevey

Titel: Bundesbeschluss über die schweizerische Uhrenindustrie (Uhrenstatut)

Resultat: angenommen

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 111

Sammlungen: MfGZ 13-678; SfG 12444; SNB o.S.

Barthes betont, dass die sekundäre semiologische Zeichenebene auf die Bedeutung des Mythos konzentriert ist und die Objektsprache – sei sie nun verbal oder visuell – dabei unerheblich wird. Man kann jedoch einwenden, dass die Objektsprache sehr wohl einen Unterschied macht, da Sprache und Bild eine andere Wirkung auf den Rezipienten entfalten. Beispielsweise kann argumentiert werden, dass Bilder einerseits eine höherfrequentierte Informationsdichte und andererseits eine geringere symbolhafte Konventionalität haben als die verbalen Zeichen (vgl. auch Spillner 1982: 92; Sachs-Hombach/Schirra 1999: 34f.). Dadurch ergibt sich ein Bedeutungsüberschuss des Bildes und Spielraum für unterschiedliche Interpretationen (vgl. Stöckel 1998: 77). Darüber hinaus kann dem Bild aufgrund seines mimetischen Potentials auch zugestanden werden, dass es besonders gut geeignet ist, Emotionen auszulösen und ideologische Embleme und Mythen zu transportieren (vgl. Stöckel 1998: 78).

Dies ist jedoch eine Frage der Wirkungsforschung und kann mit einem inhaltsanalytischen Ansatz hier nicht weiter untersucht werden. Stattdessen wird nach einem Zugang gesucht, der es erlaubt, vergleichbare Phänomene systematisch zu erfassen. Zudem stellt sich hier weniger die Frage der ästhetischen Wirkung als des Verstehens. Und das Verstehen ist eine Frage der Interpretation, die ohne Sprache nicht möglich ist. "Vielmehr ist die Sprache das universale Medium, in dem sich das Verstehen selber vollzieht." (Gadamer 1986: 392; Hervorheb. i.O.) In seiner Auseinandersetzung mit der Hermeneutik problematisiert Gadamer, dass die Interpretation nicht anders als über die Sprache möglich ist:

"Sprachliche Auslegung ist die Form der Auslegung überhaupt. Sie liegt daher auch dort vor, wo das Auslegen gar nicht sprachlicher Natur, also gar kein Text ist, sondern etwa ein Bildwerk oder ein Tonwerk. Man darf sich nur nicht durch solche Formen der Auslegung beirren lassen, die zwar nicht sprachlich sind, aber in Wahrheit die Sprachlichkeit doch voraussetzen" (Gadamer 1986: 402)

Damit ist das "Versehen und Auslegen […] auf eine unlösliche Weise ineinander verschlungen." (ebd. S. 403) Nach Ueding (2005: 7) ist zudem die Übertragbarkeit von Aussagen auf verschiedene Zeichensysteme nur denkbar, wenn zwei Voraussetzungen angenommen werden: die Sprachlichkeit des Denkens einerseits und die grundsätzliche Metaphorik der Sprache andererseits (vgl. Lakoff/Johnson 1998):

"Übertragung von einem Bereich in einen anderen hat nicht nur eine logische Funktion, sondern ihr entspricht die grundsätzliche Metaphorik der Sprache selbst. Die bekannte Stilfigur der Metapher ist nur die rhetorische Wendung dieses allgemeinen, zugleich sprachlichen und logischen Bildungsprinzips." (Gadamer 1965: 407, zit. in Ueding 2005: 7)

Der "Logozentrismus", der Barthes' strukturaler Semiotik gelegentlich vorgeworfen wird (vgl. zusammenfassend Nöth 2000: 474f.), wird somit dem Umstand nicht gerecht, dass auf der konnotativen Ebene die Bildsymbolik und die Sprachsymbolik gleichermassen kulturellen Konventionen folgen und das Verstehen dieser Symbolik die Sprache voraussetzt.

In der kommunikativen Absicht wird jedes Zeichen zum Symbol. Denn es ist darauf angelegt, vom Rezipienten verstanden zu werden. Entsprechend ist ein Rezipient versucht, in jeder Botschaft eine kommunikative Absicht und einen kommunikativen Sinn zu unterstellen und zu entschlüsseln. Der Zeichengebrauch macht ein Zeichen gewissermassen zu dem, was es ist, weshalb nebst dem strukturalistischen Zugang von de Saussure und Barthes auch der pragmatische Zugang zum Verständnis der Zeichen heranzuziehen ist. Oder in den Worten von Sachs-Hombach und Schirra (1999: 35): "Zum Verständnis einer Zeichenhandlung gehört der kommunikative Kontext genauso wie das entsprechende Regelsystem des Zeichensystems selbst, in das der Rezipient ein Zeichen einordnet (…)." Entscheidend ist daher die Erweiterung der Semiotik durch Charles W. Morris (1972), wonach das Zeichen drei Aspekte aufweist: die Beziehung des Zeichens zu seinem Bezeichneten (Semantik), die Beziehung des Zeichens zu anderen Zeichen (Syntax) und die Beziehung des Zeichens zu seinen Zeichenbenützern (Pragmatik) (vgl. Linke/Nussbaumer/Portmann 1996: 25f.). Der letzte Aspekt ist im Zusammenhang der politischen Kommunikation zentral, geht es doch ganz wesentlich um die Frage, wie und in welcher Absicht Zeichen politisch eingesetzt werden, welchen Einfluss sie auf die soziale Welt ausüben und wie sie durch diese soziale Welt selbst geprägt und verändert werden. "Kommunikative Handlungen erzeugen Objektivierungen, die als Zeichen verstanden werden. Dabei muss es sich keineswegs bloss um sprachliche Zeichen handeln. Auch Bilder, nonverbale Handlungen und Räume können diesen Zeichencharakter annehmen." (Knoblauch 2000: 659). Das politische Plakat, das hier im Fokus des Interesses ist, besteht nicht nur aus sprachlichen Zeichen, sondern kann verschiedene Zeichensysteme wie Sprache, Grafik und Fotografie vereinen. Dabei erschliesst sich die funktionale Bedeutung der Textteile erst durch ihre Wechselbeziehung. Zudem müssen die Textteile "in ihrem Zusammenwirken als Ausdruck von strategischen Auswahlentscheidungen des Textproduzenten" betrachtet werden (Geiger/Henn-Memmesheimer 1998: 55). Rezipienten werden auch in Texten, die auf mehreren Zeichensystemen beruhen, eine Handlungsabsicht vermuten und sich kooperativ um die Rekonstruktion des Kommunikationsangebotes bemühen (vgl. Geiger/Henn-Memmesheimer 1998: 58). Entsprechend werden Bilder in ihrem kommunikativen Kontext nicht nur als Darstellung gesehen, sondern auch als Symbol gelesen und mit dem Kotext verknüpft: "Der Bildrezipient nimmt das Bild folglich ganz bewusst als verschieden von dem [wahr], was es darstellt. Es tritt als ein Zeichen auf, das, analog zu sprachlichen Äusserungen, in einem kommunikativen Kontext als Werkzeug dient, um eine Zeichenhandlung auszuführen." (Sachs-Hombach/Schirra 1999: 35; Hervorheb. i.O.).

Die folgenden Fallanalysen zeigen, ob sich das Konzept der hier dargelegten verbalen und visuellen Topik bewährt. Da die Topik der Sprache schon ausführlicher behandelt wurde, konzentrieren sich die Ausführungen auf die Bildtopik. Zuerst werden bildliche Entsprechungen von verbalen Symbolen gezeigt und der Aufbau vom einfachen zum komplexen Zeichen nachvollzogen. Anschliessend werden die Mythen fokussiert und in ihrer Funktion als Allgemeintopoi und Sondertopoi behandelt. Auf die loci communes der nationalen Mythen folgen zeitgenössische Topoi, die erst im Verlauf der politischen Debatte in das Inventar der gesellschaftlichen Werte und Normen aufgenommen wurden. Den Abschluss bilden die Sondertopoi des Liberalismus und Sozialismus sowie die historische Rhetorik des Klassenkampfs.

 

3 Zur Topik von Abstimmungsplakaten

3.1 Gemeinplätze (loci communes)

 

Abstimmungs-Nr. 83

Datum: 16. Mai 1920

 Abb. 5

Wortlaut: "JA DEM VÖLKERBUND"

Bildbeschreibung: Eine Figur in Schweizertracht hält eine Schweizerfahne im Arm und reicht die rechte Hand zum Handschlag.

Analyse: Die Schweizerfahne kann als Symbol für die Schweiz als Nationalstaat interpretiert werden: Auf der denotativen Ebene bedeutet die Darstellung der Fahne die Fahne selbst und auf der konnotativen Ebene die Nation. Die Fahne – oder besser: die Darstellung der Fahne – wird also zum Zeichen für etwas anderes, zu einem komplexen Zeichen des sekundären semiologischen Systems.

Ähnlich kann die Figur mit Schweizerfahne als "Schweizer" interpretiert werden. Es handelt sich also um eine visuelle Symbolisierung des prototypischen Konzepts "Der Schweizer". Dieses Konzept könnte – wie hier in der Interpretation – auch verbalisiert oder in einer anderen Objektsprache symbolisiert werden (vgl. Barthes 1990: 43; 1992: 92f., 94). Entscheidend ist, dass die Darstellung einer Person als Repräsentant betrachtet werden muss, sofern sie nicht als Individuum erkennbar ist (vgl. Wahlplakat). Ein Schweizer steht demnach für alle Schweizer (vgl. Eco 1972: 274; Arnold 2005: 96).

 

Grafik: Emile Cardinaux (Wolfsberg, Zürich)

Titel: Bundesbeschluss betreffend den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund

Resultat: angenommen

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 34

Sammlungen: MfGZ 8-99; SfG 17186; SNB o.S.

Ein Schweizer kann hier für alle Schweizer stehen, weil zum Zeitpunkt der Abstimmung nur die Männer stimmberechtigt waren. Die Figur lässt sich in ihrer Bedeutung daher auf die stimmberechtigten Schweizerbürger einschränken, die zur Annahme der Vorlage aufgerufen werden. Der Schweizerbürger vor dem Plakat wird vom Schweizerbürger im Plakat gespiegelt, wobei das Angebot zum Handschlag mit dem Völkerbund einem Appell gleichkommt. Dass eine männliche Figur die Schweizer repräsentiert, ist zudem mit der Prototypensemantik erklärbar (vgl. Linke/Nussbaumer/Portmann 1996: 157ff.). Demnach steht das Konzept 'Mann' prototypisch für das Konzept 'Mensch'. Repräsentanten von gesellschaftlichen Gruppen werden daher oft mit männlichen Figuren dargestellt. Das gilt nicht nur für das Bild, sondern auch für die Sprache, die das männliche Genus generalisiert, wohingegen eine weibliche Form einer geschlechtlichen Markierung gleichkommt.

Abb. 6

Titel: Bundesbeschluss betreffend den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund (angenommen)

Abstimmungs-Nr. 83 Datum: 16. Mai 1920
Grafik: Hans Beat Wieland (Gebr. Fretz AG, ZH)
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 32
Sammlungen: MfGZ 13-698; SfG 7670; SNB o.S.
 
Abb. 7

Titel: Bundesgesetz über die Ergänzung des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 147 Datum: 22. Mai 1949
Grafik: Gygax, Frobenius AG, Basel
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 141
Sammlungen: n.n.

Im Gegensatz zur männlichen Figur, die "Der Schweizer" repräsentiert, steht die weibliche Figur in Schweizertracht nicht für "Die Schweizerin" schlechthin, sondern allegorisch für "Das Schweizervolk". Dieses Konzept wird auf dem Plakat links (Abb. 6) nicht nur im Bild, sondern auch im Text ("SCHWEIZERVOLK") symbolisiert. "Das Schweizervolk" wird zudem traditionell mit dem Attribut "frei" konnotiert, worauf der Appell im Text anspielt: "LASS DICH NICHT BINDEN!". Die Darstellung der gebundenen Frau nimmt die negativen Folgen vorweg, falls die Stimmbürger dem Appell nicht Folge leisten. Die Darstellung von Frau und Kind auf dem Plakat rechts (Abb. 7) können als Repräsentanten der "Schweizerfamilie" gelten (vgl. Eco 1972: 274f.; vgl. auch Spörri 1993: 110f.), die gemäss Text "vor der Tuberkulose" zu schützen ist. Der schweizerische Bezug ist auch hier über eine Schweizertracht gegeben. Die glücklichen Gesichter der Figuren und die "sonnige" Ausstrahlung des Hintergrunds verleihen dem Plakat ein gewisses Pathos und lassen die Familie als Wert an sich erscheinen.

Abstimmungs-Nr. 83

Datum:  16. Mai 1920

 Abb. 8

 

Wortlaut:

"HÜET EUCH VOR DEM VERSAILLER VÖLKER-BUND"

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt auf der denotativen Ebene einen Mann mit Bart, Kapuzenhemd und Armbrust, der die Hand hebt.

Analyse: Auf der konnotativen Ebene wird die Figur durch ihre Attribute als "Wilhelm Tell" erkennbar, vorausgesetzt, man ist mit dem Schweizer Nationalmythos vertraut. Die erhobene Hand könnte als Gruss interpretiert werden; in Verbindung mit dem Kotext wird die Geste jedoch als Zeichen für "Einhalt" deutlich. Die Ernsthaftigkeit des Gesichtsausdrucks verstärkt die Warnung zusätzlich und verleiht der Figur Autorität (vgl. Arnold 2007e: 38).
 

Grafik: Otto Baumberger

Titel: Bundesbeschluss betreffend den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund

Resultat: angenommen

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 34

Sammlungen: MfGZ 50-82; SfG 7123; SNB o.S.

Ariane Gehrig und Alexander Schwarz haben anlässlich der 700-Jahrfeier der Schweizer Eidgenossenschaft 1991 rund 400 verschiedene Darstellungen von Wilhelm Tell in Text und Bild zusammengetragen und analysiert. Dabei wird deutlich, dass der Mythos einige beständige Werte symbolisiert, im Verlauf der Zeit aber auch darin hinterfragt, korrigiert, erweitert und verändert wird. Demnach ist Tell zunächst ein "Naturbursche" der Innerschweiz, der sich gegen alles Unschweizerische zur Wehr setzt (vgl. Gehrig/Schwarz 1992: 35). Im Kontext der Tellspiele wird der Nationalheld auch zum Widerstandskämpfer gegen Willkür und Fremdherrschaft und steht am Anfang des republikanischen bzw. demokratischen Gemeinwesens der Eidgenossenschaft (vgl. ebd. S. 42). Die alten Tell-Darstellungen symbolisieren "Widerstandsrecht", "Geschicklichkeit", "Heldentum", "Schweiz", "Tradition", "Kühnheit", "Freiheit", "Natur", "Bauerntum", "Vaterlandsliebe", "Todesbereitschaft", "Christentum", "Stolz", "Mut" u.a.m. (vgl. ebd. S. 40ff.). In neueren Darstellungen wird Tell oft parodiert, wobei die Tradition mit dem aktuellen Zeitgeist auf unterhaltende oder kritische Weise konterkariert wird (vgl. ebd. S. 79ff.). So erweist sich der nationale Mythos Wilhelm Tell für die Wertediskussion in der Schweiz bis heute als produktiv (vgl. ebd. S. 229ff.).

Abb. 9

Titel: Bundesgesetz betreffend Abänderung des Bundesstrafrechts vom 4. Februar 1853 in bezug auf Verbrechen gegen die verfassungsmässige Ordnung und innere Sicherheit und in bezug auf die Einführung des bedingten Strafvollzugs (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 92 Datum: 24. Sept. 1922
Grafik: Carl Scherer
(Propagandadienst, Zürich)
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 48
Stirnimann/Thalmann 2001: 125
Sammlungen: MfGZ 4-726; SfG 7646
 
Abb. 10

Titel: Eidg. Volksinitiative 'zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise' (abgelehnt)



Abstimmungs-Nr. 121 Datum: 2. Juni 1935
Grafik: Charles L’Eplattenier (Haefeli. La Chaux-de-Fonds)
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 83
Sammlungen: SNB o. Sign.

Als nationaler Mythos ist Wilhelm Tell auch ein typisches Beispiel für die Gemeinplätze bzw. loci communes. Er ist im schweizerischen Kulturkreis allgemein bekannt und hat genügend Facetten, um bei unterschiedlichen Gelegenheiten angeführt zu werden. So verkörpert Wilhelm Tell nicht nur den Kampf für die Unabhängigkeit, sondern auch die schweizerischen Werte schlechthin. Als Widerstandskämpfer einerseits und als Nationalheld andererseits lässt er sich ebenso von oppositionellen Gruppierungen vereinnahmen wie von bürgerlich-konservativen Kreisen. Während Tell auf dem Plakat links (Abb. 9) den Widerstand der Arbeiterbewegung gegen die geplanten Restriktionen in der politischen Meinungsäusserung symbolisiert, steht Tell auf dem rechten Plakat (Abb. 10) für einen rechts-bürgerlichen Patriotismus im Kampf gegen eine kommunistische Bedrohung (vgl. Arnold 2005: 96).

 

3.2 Alte und neue Topik

3.2.1 Frauenstimm- und -wahlrecht

nicht eidg.

Datum:  16. Juni 1946

 Abb. 11

Wortlaut:

"gleiche Pflichten / gleiche Rechte"
"FRAUENSTIMMRECHT Ja"

Bildbeschreibung:

Drei Frauen und hinter ihnen drei Männer marschieren in einer Reihe. Die Frauen sind weiss, die Männer schwarz auf rotem Grund.

Analyse:

Auf der konnotativen Ebene wird der Topos der Gleichheit sowohl im Bild als auch im Text zur Darstellung gebracht. Die Frauen sind sich sehr ähnlich und auch die Männer unterscheiden sich kaum. Sie können als Repräsentanten für "Die Männer" und "Die Frauen" gelesen werden. Mit Ausnahme der Farbe sehen sich die Männer und Frauen auch im Vergleich sehr ähnlich. Der Topos der Gleichheit, der Sentenz "gleiche Pflichten / gleiche Rechte" verbalisiert ist, findet sich demnach formal in der Ähnlichkeit von Männern und Frauen im Bild wieder.

Die Gleichheit bzw. die Gleichberechtigung von Mann und Frau war auch nach dem 2. Weltkrieg im Sonder-fall Schweiz noch ein ungewohnter Topos, der bis 1971 auf seine allgemeine Akzeptanz warten musste.

Grafik: Hans Erni (Wassermann AG, Basel)

Titel: Frauenstimmrecht

Resultat: abgelehnt

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 22 Stirnimann/Thalmann 2001: 85

Sammlungen: MfGZ 7-857

Zwischen 1919 und 1959 wurden insgesamt 25 kantonale Abstimmungen zum Frauenstimm- und wahlrecht durchgeführt, alle mit negativem Ausgang. Die erste eidgenössische Abstimmung 1959 wurde mit hoher Stimmbeteilung (66.7%) im Verhältnis 2:1 abgelehnt, wobei vor allem die Katholisch-Konservative Volkspartei sowie die Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (heute SVP) dagegen opponierten. 1959 wurde jedoch in der Waadt das Frauenstimm- und -wahlrecht auf kantonaler Ebene angenommen und es folgte die schrittweise Einführung in zehn weiteren Kantonen bis zur Annahme der zweiten eidgenössischen Vorlage 1971 (vgl. Meylan/Maillard/Schenk 17ff.; Stirnimann/Thalmann 2001: 76ff.; Arnold 2005: 52). Daraufhin nahmen auch die restlichen Kantone die politischen Frauenrechte in die Verfassung auf. Das Schlusslicht bildete der Kanton Appenzell Innerrhoden, der sich noch 1989 gegen die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts stemmte und aufgrund einer Verfassungsklage am 26.11.1990 per Bundesgerichtsentscheid dazu gezwungen wurde (BGE 116 la 359).

Abb. 12

Titel: Frauenstimmrecht (abgelehnt)

nicht eidg.  Datum: 8. Feb. 1920
Grafik: Otto Baumberger (Wolfsberger, ZH)
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 18 Stirnimann/Thalmann 2001: 81
Sammlungen: MfGZ 50-79
 
Abb. 13

Titel: Frauenstimmrecht (abgelehnt)

nicht eidg.  Datum: 15. Mai 1927
Grafik: Willy Wenk
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 19 Stirnimann/Thalmann 2001: 79
Sammlungen: MfGZ 39-693

Der lange Kampf um die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts erklärt sich durch den Umstand, dass nur die Männer darüber befinden durften. Die Mehrzahl der etablierten Parteien blieb zudem traditionellen Rollenmustern verhaftet und taten sich schwer, dem sozialen Wandel u.a. in der Arbeitswelt adäquat zu begegnen. Eine Strategie der Opposition war, die Frauen, die das Frauenstimmrecht begehrten, als unweiblich zu stigmatisieren (vgl. Hardmeier 1997: 20). Auf dem Plakat links (Abb. 12) ist eine Frau abgebildet, die einen Anzug trägt, Haarausfall hat und einen beginnenden Bartwuchs zeigt. Aussehen und Gestik entsprechen nicht dem Idealbild der Frau, sondern zeigen den Mythos der Vermännlichung: Frauen, die sich in Männerdomänen wagten, wurde der Verlust ihrer Weiblichkeit nachgesagt. So vertrat z.B. Lorenz v. Stein die Ansicht: "Die Frau, die den ganzen Tag hindurch am Pulte, am Richtertisch, auf der Tribüne stehen soll, kann sehr ehrenwert und nützlich sein, aber sie ist keine Frau mehr, sie kann nicht Mutter sein." (von Stein 1886/1857: 92f.; zit. in von Braun 2000: 33) Dem Bild der degenerierten Frau stellten die Befürworter der politischen Frauenrechte den Spiessbürger entgegen (vgl. Abb. 13, auch Hardmeier 1997: 233f.).

Abb. 14

Titel: Frauenstimmrecht (abgelehnt)

nicht eidg.  Datum: 8. Feb. 1920
Grafik: Niklaus Stoecklin
Quellen: Stirnimann/Thalmann 2001: 77
Sammlungen: SfG
 
Abb. 15

Titel: Frauenstimmrecht (abgelehnt)

nicht eidg.  Datum: 16. Jnui 1946
Grafik: Donald Brun
Quellen: Stirnimann/Thalmann 2001: 85
Sammlungen: SfG

Das Plakat links (Abb. 14) zeigt Mutter und Kind als Paar, das untrennbar zusammengehört. Die weibliche Rolle als Hausfrau und Mutter war ein Konzept, das der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts entstammt und im Abstimmungskampf um das Frauenstimm- und -wahlrecht als Gegenargument angeführt wurde. Gemäss Hardmeier diente diese dualistische Geschlechteranthropologie mit klarer Rollenteilung von Mann und Frau der "ideologischen Absicherung" (Hardmeier 1997: 16). So legte Dr. O. Schnyder dem Basler Regierungsrat 1917 die Gegenargumente gegen die Frauenrechte wie folgt dar: "Der Mann ist Träger der Ideen, Inhaber des schöpferischen Vermögens […] und Pionier auf neuen Wegen des Erkennens, Forschens, Schaffens und Gestaltens. Das Weib dagegen beschränkt sich grundsätzlich auf praktische Erwägung des durch das Leben Gebotenen. […] Des Weibes Interesse ist grundsätzlich dem Sexuellen zugewendet, der sexuellen Befriedigung, der Entstehung und Pflege der Brut." (zit. in Hardmeier 1997: 235). Die gleiche Argumentation wurde eingesetzt, um die Vernachlässigung der "Frauenpflichten" zu kritisieren (vgl. Abb. 15).

Abb. 16

Titel: Frauenstimmrecht (abgelehnt)

nicht eidg.  Datum: 5. Dez. 1954
Grafik: anonym (Arthur Rahm)
Quellen: Stirnimann/Thalmann 2001: 89
Sammlungen: SfG
 
Abb. 17

Titel: Frauenstimmrecht (abgelehnt)

nicht eidg.  Datum: 21. Feb. 1954
Grafik: Beatrice Afflerbach
Quellen: Stirnimann/Thalmann 2001: 89
Sammlungen: SfG

Neben den Ideal- und Schreckensbildern der Frau war das Kindswohl ein zentrales Gegenargument gegen das Frauenstimm- und -wahlrecht. Das Plakat links (Abb. 16) zeigt einen Knaben, der ein zerrissenes Hemd und ausgefranste Hosen trägt und den Kopf hängen lässt. Vor im liegt ein offenes Zeugnis mit schlechten Schulnoten und einem Eintrag des Lehrers: "Fritz hat nachgelassen. Die Eltern sollten die Hausaufgaben kontrollieren." Dazu sagt Fritz in eigenen Worten: "SYT'S MAMMI POLITISIERT, HET'S FIR MI KAI ZYT MEH". Die negativen Folgen, die im Plakat dargestellt sind, nehmen die rhetorische Frage ("FRAUENSTIMMRECHT?") der Parole vorweg ("NEIN").

Diesen Mythos der Kindsvernachlässigung in Verbindung mit den Frauenrechten kontert das Plakat des Aktionskomitees für die Basler Frauenbefragung (Abb. 17): Ein sichtlich zufriedenes Kind sagt stolz: "MY MAMMI GOHT GO STIMME" und setzt mit einem blauen Pinsel die Akzente. In der anderen Hand hält es die Abstimmungsparole ("JA").

Abb. 18

Titel: Bundesbeschluss über die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts in eidgenössischen Angelegenheiten (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 191 Datum: 1. Feb. 1959
Grafik: Jürg Spahr (Wassermann AG, Basel)
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 25
Sammlungen: MfGZ 10-996; SfG 916
 
Abb. 19

Titel: Bundesbeschluss über die Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts in eidgenössischen Angelegenheiten (angenommen)
Abstimmungs-Nr. 224 Datum: 7. Feb. 1971
Grafik: unbekannt
Quellen: n.n.
Sammlungen: SozArch_F_Pb-0001-23

Bei der ersten eidgenössischen Abstimmung 1959 wurde die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts klar verworfen; sie blieb aber nicht ohne Unterstützung (vgl. Abb. 18). Vor allem von Seiten der Arbeiterbewegung kamen progressive Impulse, da ihnen das gemeinsame Wirken von Männern und Frauen am Arbeitsplatz gegenwärtig war (vgl. Abb. 36). Demgegenüber opponierten die konservativen Gruppierungen heftig und die Freisinnigen und Liberalen vertraten noch keine einheitliche Haltung. Dies änderte sich erst bei der zweiten eidgenössischen Abstimmung, als die Annahme absehbar war: "Bis zur zweiten eidgenössischen Abstimmung im Jahre 1971, die endlich die Bestätigung der politischen Gleichberechtigung von Mann und Frau brachte, war die Gegnerschaft so weit geschmolzen, dass sie kein einziges Plakat anschlagen liess." (Meylan/Maillard/Schenk 1979: 24) Das Plakat rechts (Abb. 19) zeigt eine moderne Frau, die dem Stimmbürger den Stimmzettel mit der JA-Parole kokett entgegenhält und ihre eigene Stimmberechtigung damit vorwegnimmt.

 

3.2.2 Umweltschutz

Abstimmungs-Nr. 196

Datum: 5. März 1961

 Abb. 20

Wortlaut:

"Fortschritt + Sicherheit"
"Ja / Nationalstrassen"

Bildbeschreibung:

Auf der denotativen Ebene zeigt das Bild eine Autobahn mit einer Ausfahrtsstrasse und einigen Autos.

Analyse:

Auf der konnotativen Ebene kann die Autobahn als Topos für Fortschritt gelesen werden. Diese Interpretation wird durch den Kotext "Fortschritt + Sicherheit" unterstützt. Die Darstellung ist mit dem gründen Hintergrund und der gelben Parole auch farblich positiv und optimistisch gestaltet.

Die untypische Nachordnung des Sachverhalts ("Nationalstrassen") in der Parole deutet darauf hin, wie sehr das Bild der Autobahn selbst zum Inbegriff für "Fortschritt + Sicherheit" geworden ist.
 

Grafik: Säuberlin & Pfeiffer SA, Vevey

Titel: Bundesbeschluss über die Erhebung eines Zollzuschlages auf Treibstoffen zur Finanzierung der Nationalstrassen

Resultat: abgelehnt

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 98;
Stirnimann/Thalmann 2001: 223

Sammlungen: MfGZ 13-660; SfG 11'661; SNBo.S.

Ein weiterer, relativ junger Topos ist der technische Fortschritt, der sich in den 50er und 60er Jahren in der Intensivierung des Privatverkehrs und dem damit notwendigen Ausbau der Nationalstrassen spiegelt. Strassen waren damals vorwiegend positiv konnotiert, so dass die Autobahn zum Mythos für "Fortschritt + Sicherheit" werden konnte. Während den einen der Ausbau der Strassennetze nicht schnell genug voranging, wurden auf der anderen Seite bereits kritische Stimmen von Umweltschützern laut (vgl. Stirnimann/Thalmann 2001: 222).

Die kritischen Stimmen mehrten sich angesichts der zunehmenden Überlastung der Infrastruktur, aber auch aufgrund der hohen Kosten, der Zersiedelung des Landes und der sich abzeichnenden Umweltprobleme.

Abb. 21

Titel: Bundesbeschluss über das Volksbegehren für die Verbesserung des Strassennetzes (Gegenentwurf) (angenommen)

Abstimmungs-Nr. 187 Datum: 6. Juli 1958
Grafik: Josef Müller-Brockmann
(Litho. & Kart. AG, Zürich)
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 97
Sammlungen: MfGZ 7-846; SfG 9908
 
Abb. 22

Titel: Bundesbeschluss über die Neuregelung bei den Treibstoffzöllen (angenommen)

Abstimmungs-Nr. 312 Datum: 27. Feb. 1983
Grafik: Bettina Truninger
(Edwin Vogt Partner AG, Waldenburg)
Quellen: n.n.
Sammlungen: MfGZ 55-384; SfG 36738;
SNB P 5219
; SozArch_F_Pe-0571

Der Optimismus im Strassenbau, der noch zu Beginn der 60er Jahre herrschte (vgl. Abb. 21), wich mehr und mehr einem Umweltbewusstsein. Hans Peter Tschudin, der diese Entwicklung als Bundesrat direkt mitverfolgte, beschreibt die Wende wie folgt:

"Ungefähr 1970 setzt ein dritter, völlig veränderter Abschnitt in der Geschichte des Nationalstrassenbaus ein. Die Erkenntnis der Gefährdung unserer Umwelt hat weite Kreise erfasst, und sie gewinnt ständig an Gewicht. Das Automobil ist eine der Hauptquellen der Schädigung der Luft sowie der Belastung durch Lärm. Daraus entstand eine kritische Beurteilung des Strassenbaus und ein erheblicher Widerstand gegen die Erstellung bestimmter Bauabschnitte." (zit. in Stirnimann/Thalmann 2001: 222).

Interessant ist, dass mit dieser Wende vom Fortschrittsglauben zum Umweltbewusstsein der gleiche Bildtopos des Strassennetzes als Gegenargument eingesetzt wurde (in utramque partem, vgl. Abb. 22), indem das Motiv eine Übersteigerung (Hyperbel) erfuhr.

Abb. 23

Titel: sog. "Kleeblattinitiative" (abgelehnt)

Abst-Nr359, 360, 361 Datum: 1.4.1990
Grafik: Martin Moser
Quellen: n.n.
Sammlungen: MfGZ 46-0238;
Sozarch_F_Pe-0409
 
Abb. 24

Titel: sog. "Kleeblattinitiative" (abgelehnt)

Abst-Nr359, 360, 361 Datum: 1. April 1990
Grafik: R. Naef, D. Schneider
(Wolfensberger AG, ZH)
Quellen: n.n.
Sammlungen: MfGZ 63-21

Waren Strassen zuvor ein sekundäres Symbol für Fortschritt, so waren sie in den 80er Jahren vollends zum Symbol für Umweltverschmutzung geworden. Die grüne Bewegung fand im "Beton" eine prägnante metonymische Verkürzung.

Während das Plakat links (Abb. 23) den drohenden Eingriff eines Baggers in die noch unversehrte Landschaft zeigt, stellt das Plakat rechts (Abb. 24) eine stark frequentierte Strasse einer grünen Landschaft gegenüber. In diesem antithetischen Bildaufbau kann eine zeitliche Verbindung gesehen werden, indem die letzten Grünflächen dem Beton zu weichen drohen. Dies würde erklären, weshalb die Grüne Partei der Strasse zwei Drittel des Bildraums gibt, aber der Grünfläche nur einen Streifen zugesteht.

Abb. 25

Titel: Eidg. Volksinitiative 'Schutz der Stromlandschaft und Verleihung Rheinau' (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 173 Datum: 5. Dez. 1954
Grafik: E. Bosshardt (Sigg & Söhne, Winterthur)
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 145
Sammlungen: MfGZ 13-226; SfG 11660; SNBo.S.
 
Abb. 26

Titel: Eidgenössische Volksinitiative 'zum Schutz der Moore - Rothenthurm-Initiative' (angenommen)

Abstimmungs-Nr. 349 Datum: 6. Dez. 1987
Grafik: Fritz Hug (Hug & Söhne, Zürich)
Quellen: n.n.
Sammlungen: MfGZ 50-713;
Sozarch_F_Pe-0410

Eine erste umweltschützerische Bewegung kam aber nicht erst mit dem Ausbau der Strassennetze, sondern bereits im Zusammenhang mit der steigenden Energieversorgung auf.

Der Rheinfall sollte geschützt werden vor einer Überbauung zur Gewinnung von Wasserkraft. Die Plakate zur Abstimmung 1954 gehören zu den ersten Zeugnissen des neuen Topos' "Umweltschutz" (vgl. Abb. 25). Eine vergleichbare Abstimmung Ende der 50er Jahre betraf die Nutzung der Spöl im Nationalpark an der Grenze von Graubünden und Italien. Beide Abstimmungen wurden gegen die naturschützerischen Bemühungen und für die Nutzung der Wasserkraft entschieden (vgl. Meylan/Maillard/Schenk 1979: 142ff.).

Das Bewusstsein für Umweltschutz wuchs in den folgenden Jahrzehnten und erreichte einen Höhepunkt mit der Annahme der Rothenthurm-Initiative zum Schutz der Moore (vg. Abb. 26).

 

3.3 Soziale Topik

3.3.1 Liberalismus

Abstimmungs-Nr. 137

Datum: 29. Okt. 1944

 Abb. 27

Wortlaut:

"Tod der Paragraphen-Hydra"

"Neues Gesetz über den /
unlauteren Wettbewerb / Nein"

Bildbeschreibung:

Eine männliche Figur in frühneuzeitlicher Kleidung und Zweihänder kämpft gegen einen Lindwurm mit sieben Köpfen und Paragraphen.

Analyse:

In Verbindung mit dem Kotext kann das Fabelwesen als "Paragraphen-Hydra" gelesen werden. Wer mit dem Mythos der Hydra vertraut ist, wird mit jedem Abschlagen eines Kopfes zwei nachwachsende Köpfe erwarten. Das Wuchern bezieht sich aber weniger auf das Fabelwesen als auf die Paragraphen, denen mit (noch mehr) Gesetzen nicht beizukommen ist. Die "Paragraphen-Hydra" kann daher als Metapher für "Bürokratie" und "unnötige Reglementierung" gelesen werden. Dem Gegner der Vorlage kommt die Rolle des "Helden" zu, was dem Ethos des politischen Akteurs und seiner Anhänger gewiss schmeichelt.
 

Grafik: Gebr. Fretz AG, Zürich

Titel: Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb

Resultat: angenommen

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 72

Sammlungen: MfGZ 06-0916; SfG 4270; SNB o.S.

Motive aus der Natur wie Tiere, Pflanzen und Landschaften stehen gemäss einer quantitativen Inhaltsanalyse an vierter Stelle aller gezählten Motive im Zeitraum von 1891 und 1990 (vgl. Arnold 2005: 73; Arnold 2007b: 16). Dabei ist der Zusammenhang dieser Motive mit den Politikfeldern Tier- und Umweltschutz von mittlerer Signifikanz (0.244). Daraus geht hervor, dass natürliche Motive nicht nur in Abbildungen vorkommen, sondern wie im Plakat oben auch symbolisch sein können. Fabel- und Mischwesen dienen dabei oft der Abschreckung, der Ironisierung oder dem Witz und sind der Welt der Fabeln und Legenden entnommen.

Bereits Aristoteles (Rhetorik II.20) empfiehlt für die Beispielargumentation das Anführen von Fabeln und Gleichnisse sowie das Berichten vergangener Taten. Da es nicht immer einfach ist, vergleichbare Taten zu finden, sieht Aristoteles die Fabeln im Vorteil (vgl. ebd. II.20.7). Letztlich gehören alle diese Topoi – Fabeln, Gleichnisse und Geschichten – zu den Gemeinplätzen (loci communes).

Abb. 28

Titel: Eidgenössische Volksinitiative 'für ein Branntweinverbot' (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 110 Datum: 12. Mai 1929
Grafik: Albt. Mayer (Gebr. Fretz AG, Zürich)
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 152
Sammlungen: MfGZ 20-916; SNB o.S.
 
Abb. 29

Titel: Bundesgesetz über die Ergänzung des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 147 Datum: 22. Mai 1949
Grafik: Gebr. Fretz AG, Zürich
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 141
Sammlungen: MfGZ 51-501; SfG 4367

Diese und die folgenden Plakate stammen von freisinnigen Kreisen und gehören somit zur Sondertopik des Liberalismus. Dieser kann fallweise Allgemeintopoi wie Fabeln vereinnahmen (vgl. Abb. 27). Oft werden aber die loci communes auf parteipolitischen Plakaten mit einer spezifischen Sondertopik ergänzt, die keinen Zweifel über den Urheber zulassen.

Zentraler Wert der Liberalen ist selbstredend die "Freiheit". Allerdings handelt es sich hier um eine abstrakte Grösse, die sich kaum bildlich darstellen lässt. Typisch für die Sondertopik des Liberalismus ist stattdessen die "bedrohte Freiheit", sprich: "die Unfreiheit". Diese kommt in Form von Paragraphen, Fesseln und Knebeln oder in Karikaturen einer Obrigkeit oder Überwachung zum Ausdruck.

Abb. 30

Titel: Eidgenössische Volksinitiative 'zur Einführung der 44-Stunden-Woche' (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 188 Datum: 26. Okt. 1958
Grafik: unbekannt
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 119
Sammlungen: MfGZ 13-462; SfG 9401; SNB o.S.
 
Abb. 31

Titel: Bundesgesetz über die Berufsbildung (angenommen)

Abstimmungs-Nr. 207 Datum: 24. Mai 1964
Grafik: Gebr. Fretz AG, Zürich
Quellen: n.n.
Sammlungen: MfGZ 12-904

Symbole der Unfreiheit wie Fesseln, Ketten, Paragraphen u.a.m. stehen an dritter Stelle der gezählten Plakatmotive in der untersuchten Zeitperiode (vgl. Arnold 2005: 72). Sie werden vor allem dann eingesetzt, wenn Gesetzesvorlagen mit einer Beschränkung der Bürgerrechte oder der Handels- und Gewerbefreiheit einhergehen (ebd. S. 74; auch Arnold 2007a: 26).

Auf dem Plakat links (Abb. 30) wird die Unfreiheit in Wort und Bild zum Ausdruck gebracht, indem nicht nur Hände in Ketten dargestellt, sondern der Titel der Vorlage zur Senkung der Arbeitszeit in "Zwangs-Reglementierung der Arbeit" umbenannt und negativ konnotiert wird.

Abb. 32

Titel: Bundesbeschluss über den Transport von Personen und Sachen mit Motorfahrzeugen auf öffentlichen Strassen (Autotransportordnung) (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 155 Datum: 25. Feb. 1951
Grafik: Rudolph Levers (Gebr. Maurer, Zürich)
Quellen: n.n.
Sammlungen: MfGZ 13-635; SfG 29517
 
Abb. 33

Titel: Eidgenössische Volksinitiative 'gegen Suchtmittelreklame' (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 295 Datum: 18. Feb. 1979
Grafik: Wassermann AG, Basel
Quellen: n.n.
Sammlungen: MfGZ 30-721; SNB P 3481

Symbole der Unfreiheit lassen sich nicht nur in Bildern, sondern auch in Worten wirkungsvoll darstellen, wie diese Beispiele zeigen. Das Plakat links (Abb. 32) beschränkt sich mit einer Ansammlung von Reizwörtern wie "Kontrolle", "Amt", "Monopol", "Konzession", "Formular", "Polizei", "Büro", "Gesuch", "Busse", "Bewilligung" und "Verbots-Gesetz", wobei auch der Paragraph nicht fehlt.

Auf dem Plakat rechts (Abb. 33) kommt neben den Reizwörtern "Verbot" und "Zensur" auch die Abbildung eines Stempels als sekundäres Symbol für "Bürokratie" hinzu. Im Stempelabdruck wird der Akt des Verbots syntaktisch mit der Nein-Parole verknüpft.

 

3.3.2 Sozialismus

Abstimmungs-Nr. n.n.

Datum: unbekannt

 Abb. 34

Wortlaut:

"PERSONALRECHT"
"JA"

Bildbeschreibung:

Eine überdimensionierte, männliche Figur mit freiem Oberkörper hält ein Transparent mit der Aufschrift "Personalrecht" und läuft dem Betrachter entgegen. Eine wesentlich kleinere Figur mit Frack und Zylinder bekleidet zieht dem Riesen am Hosenbein und versucht ihn aufzuhalten. Im Hintergrund ist die Silhouette einer Fabrikanlage zu erkennen.

Analyse:

Auf der konnotativen Ebene stehen die Figuren für die sozialistischen Topoi "Arbeiter" und "Kapitalist". Da beide Figuren Repräsentanten ihrer gesellschaftlichen Gruppe sind, lässt sich der Grössenunterschied durch ihre unterschiedliche Anzahl interpretieren. Wenn also die Masse der Arbeiter in Bewegung kommt, ist sie nicht mehr aufzuhalten. Die Figur symbolisiert damit auch die "Arbeiterbewegung", die im konkreten Fall für das Personalrecht mobilisiert werden soll.
 

Grafik: unbekannt

Titel: unbekannt (Personalrecht)

Resultat: unbekannt

Quellen: n.n.

Sammlungen: SozArch_F_Pe-0600

Über die Herkunft dieses Plakats und seinen politischen Kontext herrscht Unklarheit. Das Schweizer Sozialarchiv in Zürich schätzt die Entstehungszeit zwischen 1901 und 1950 ein; nach dem Stil zu schliessen dürfte das Plakat aber ein frühes Zeugnis der Arbeiterbewegung sein und ist vermutlich im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts entstanden.

Interessant sind die Erkennungsmerkmale und Attribute der klassenkämpferischen Topoi, wobei der "Arbeiter" mit nacktem Oberkörper und in Arbeiterhosen dargestellt wird und der "Kapitalist" in Frack und Zylinder erscheint. Diese Identitätsmerkmale haben sich durch die Jahrzehnte gehalten, obwohl sich die Arbeitsbedingungen und die Bekleidung stark verändert haben. Insbesondere der "Kapitalist" erscheint auch noch in zeitgenössischen Plakaten in Frack und Zylinder (vgl. Abb. 34, 41, 50, 51).


Abb. 35

Titel: Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, Änderung vom 24. Juni 1977 (9. AHV-Revision) (angenommen); Eidgenössische Volksinitiative 'zur Herabsetzung des AHV-Alters' (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 280/281 Datum: 26.02.1978
Grafik: unbekannt
Quellen: n.n.
Sammlungen: MfGZ 30-947
 
Abb. 36

Titel: FrauenstimmrechT

Resultat: abgelehnt


nicht eidg.  Datum: 1946
Grafik: Hermann Eidenbenz
Quellen: Stirnimann/Thalmann 2001: 87 (Var.)
Sammlungen: MfGZ 68-0799

Auffallend ist das Plakat links (Abb. 35) der Gruppierung POCH. Die holzschnittartige Darstellung der "Fabrikarbeiter" folgt dem Stil des Sozialistischen Realismus nach dem Vorbild der Sowjetunion, wobei eine der Figuren die Züge von Lenin zeigt. Der Stil, der von einem revolutionären Impetus zeugt, baut auf mobilisierende Wirkung. Die Arbeiterschar dient als Identifikationsgruppe, die den Betrachter zur Solidarisierung aufruft, wobei der Adressatenbezug auch durch den Text "im Interesse der arbeitenden Bevölkerung" gegeben ist.

Das Plakat rechts (Abb. 36) zeugt vom frühen Engagement der Arbeiterbewegung für die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Dies erklärt sich einerseits durch die Erfahrung der gemeinsamen Arbeit im Alltag und andererseits durch die Topoi von "Gleichheit" und "Solidarität", die für die Linksparteien typisch sind (vgl. Arnold 2005: 103f.).

Abb. 37

Titel: Eidg. Volksinitiative 'für die Einführung der 40-Stunden-Woche' (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 264 Datum: 5. Dez. 1976
Grafik: Bernhard Schlup
(Hutter Siebdruck AG, Wohlen)
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 119;
Stirnimann/Thalmann 2001: 115
Sammlungen: MfGZ 23-502; SfG 7686;
Sozarch_F_Pe-0244
 
Abb. 38

Titel: Eidgenössische Volksinitiative 'zur Wahrung der Volksrechte und der Sicherheit beim Bau und Betrieb von Atomanlagen' (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 296 Datum: 18. Feb. 1979
Grafik: Bernhard Schlup
(Bubenberg-Druck, Bern)
Quellen: n.n.
Sammlungen: MfGZ 17-637; SfG 31148;
SNB Pk 3071
; Sozarch_F_Pc-0214

Der Aufmarsch von Leuten wird in den 70er Jahren zu einem Topos der Protestbewegung der alten und neuen Linksgruppierungen (vgl. Abb. 37) und der neuen sozialen Bewegungen (vgl. Abb. 38). Öffentliche Kundgebungen in Form von Demonstrationen, Streiks und Besetzungen galten als Zeichen des Widerstandes gegen das Etablissement und als Bekenntnis zu einer basisdemokratischen Gesellschaftsutopie.

Das Plakat rechts (Abb. 38) ist ein Zeugnis der Anti-AKW-Bewegung, die verschiedene alternative Gruppierungen vereinte. Die Umbenennung von "Atomkraftwerk" zu "Kernkraftwerk" zeugt von einer Bezeichnungskonkurrenz, wobei "Atom" zuerst positiv mit Fortschritt und später negativ mit Krieg und Katastrophe konnotiert wurde. Entsprechend wandelte sich der Begriff "Atomkraft" im politischen Diskurs von einem Fahnen- zu einem Stigmawort und wurde von den Befürwortern durch "Kernkraft" ersetzt, von den Gegnern jedoch beibehalten.

Abb. 39

Titel: Ausländergesetz (AuG) (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 309 Datum: 6. Juni 1982
Grafik: Bernhard Schlup; Roland Gretler (Foto)
(Schenker Druck AG, Bern)
Quellen: n.n.
Sammlungen: MfGZ 39-0115; SfG 31158
 
Abb. 40

Titel: Eidgenössische Volksinitiative 'Mitenand-Initiative für eine neue Ausländerpolitik' (abgelehnt)
Abstimmungs-Nr. 305 Datum: 5. April 1981
Grafik: Jürgen von Tomëi
Quellen: n.n.
Sammlungen: MfGZ 32-179; SNB P 4390; Sozarch_F_Pe-0078

Die linken Topoi von "Gleichheit" und "Solidarität" waren neben der Gleichstellungsdebatte von Mann und Frau auch in der Auseinandersetzung um das Verhältnis von Gastarbeitern und einheimischen Arbeitskräften zentral.

Nach einem anfänglichen Wirtschaftsaufschwung, zu dem die Gastarbeiter in der Schweiz wesentlich beitrugen, stellte sich anfangs der 70er Jahre eine Ressourcenknappheit ein, die mit einem wirtschaftlichen Einbruch verbunden war. Die sozialen Spannungen entluden sich gegen die Gastarbeiter und rechts-bürgerliche Kreise initiierten mehrere Vorlagen zur Verschärfung des Ausländergesetzes. Die Gewerkschaften, die einen Lohndruck befürchteten und anfänglich ebenfalls skeptisch gegen Gastarbeiter eingestellt waren, setzten Anfang der 80er Jahre mit der "Mitenand-Initiative" einen Gegentrend (vgl. Arnold 2005: 53).

 

3.3.3 Klassenkampf

Abstimmungs-Nr. 76

Datum: 2. Juni 1918

 Abb. 41


Wortlaut:

"DIREKTE BUNDESSTEUER"
"JA! "

Bildbeschreibung:

Eine männliche Figur mit nacktem, muskulösem
Oberkörper und einer roten Hose hält eine kleinere, puppenähnliche Figur mit Zylinder über der Brust und presst aus ihrem sackartigen Körper Geldmünzen. Diese fallen in einen Behälter, der mit "BUNDES-KASSE" beschriftet ist.

Analyse:

Auf der konnotativen Ebne symbolisieren die Figuren die klassenkämpferischen Mythen des "Arbeiters" und des "Kapitalisten". Demnach wird der "Kapitalist" vom "Arbeiter" unfreiwillig zur Kasse gebeten (propositionaler Phraseologismus).

Die rote Hose kann als positives Bekennungszeichen zum Sozialismus gedeutet werden und gibt damit Auskunft über die Herkunft des Plakats.
 

Grafik: Hugo Laubi

Titel: Titel: Eidgenössische Volksinitiative 'für die Einführung der direkten Bundessteuer'

Resultat: abgelehnt

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 56

Sammlungen: MfGZ 20-855; SfG 7653; SNBo.S.

Gemäss Meylan, Maillard und Schenk wurde dieses Plakat "in der ganzen Schweiz verteilt, damit es in der Woche vor der Abstimmung angeschlagen würde; in den meisten Städten wurde es aber verboten". Offenbar wirkte die unverhohlene Darstellung des Klassenkampfs zu stark auf die Zeitgenossen. Die übrigen klassenkämpferischen Plakate dieser Zeit stammen jedoch überwiegend von rechts-bürgerlicher Seite und stehen in der Deutlichkeit des Ausdrucks in nichts nach. Typisch ist, dass teils die gleichen Sondertopoi in Wort und Bild zur Anwendung kommen, in der Bedeutungskonkurrenz jedoch anders konnotiert sind.

In vielen Plakaten dominant ist die Farbe Rot. Auf Plakaten von linker Seite stellt sie ein Bekenntnis zum Sozialismus dar (Abb. 41) und in Plakaten von rechter Seite dient sie zur Kennzeichnung der "bolschewistischen Bedrohung" oder des gegnerischen sozialistischen Lagers (Abb. 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49). Mit der Farbe Rot verhält es sich also wie mit den Fahnen- und Stigmawörtern: Von den einen wird sie zur positiven Selbstdarstellung und von den anderen zur Diskreditierung des politischen Gegners eingesetzt.

Abb. 42

Titel: Bundesgesetz betreffend die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten (angenommen)

Abstimmungs-Nr. 84 Datum: 31. Okt. 1920
Grafik: Atelier Häusler (Kümmerly & Frey AG, Bern)
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 112
Sammlungen: MfGZ 20-925
 
Abb. 43

Titel: Eidgenössische Volksinitiative 'für die Ein-malige Vermögensabgabe' (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 93 Datum: 3. Dez. 1922
Grafik: Emile Cardinaux (Wolfsberg, Zürich)
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 59
Stirnimann/Thalmann 2001: 129
Sammlungen: MfGZ 13-712; SfG 17194; SNBo.S.

Vor dem Hintergrund der Oktoberrevolution 1917 in Russland häufen sich in den 20er Jahren anti-kommunistische Abstimmungsplakate, die eine "bolschewistischen Bedrohung" heraufbeschwören. Dabei kann "der Bolschewismus" unterschiedliche Formen annehmen wie in der überdimensionierten Figur mit russischen Gesichtszügen auf dem Plakat links (Abb. 42) oder dem augenzwinkernden Narren auf dem Plakat rechts (Abb. 43). Den klassenkämpferischen Plakaten gemeinsam ist, dass sie den politischen Gegner negativ darstellen, um sein Ethos zu untergraben: Er wird als böswillig (Abb. 42, 44, 46), unehrlich (Abb. 43) und schädlich für das Gemeinwohl dargestellt (Abb. 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51), womit ihm nach allen Regeln von Aristoteles die Glaubwürdigkeit entzogen werden soll (vgl. Aristoteles Rhetorik II.1.5; Arnold 2005: 101; zum Kommunismus und Anti-Kommunismus in Plakaten vgl. Meylan/Maillard/Schenk 1979: 10, 11, 36, 47f., 54ff., 81, 112f.; Blum 1995: 140ff.).

Abb. 44

Titel: Eidgenössische Volksinitiative 'für die Aufhebung der Militärjustiz' (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 86 Datum: 30. Jan. 1921
Grafik: Hans Beat Wieland (Gebr. Fretz AG, ZH)
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 36
Sammlungen: MfGZ 36-110; SfG 7663; SNB o.S.
 
Abb. 45

Titel: Eidgenössische Volksinitiative 'für die Einmalige Vermögensabgabe' (abgelehnt)
Abstimmungs-Nr. 93 Datum: 3. Dez. 1922
Grafik: Hans Beat Wieland (Hubacher AG, BE)
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 55; Stir-nimann/Thalmann 2001: 129
Sammlungen: MfGZ 21-938; SfG 7662

Auf dem linken Plakat (Abb. 44) werden die Initianten der Vorlage zur Neuordnung der Militärjustiz als Sympathisanten der "Bolschewiken" dargestellt, die als "rote Ratten" an den Wurzeln einer "Eiche" nagen. Im Kontext symbolisiert Eiche das "Militär" als Grundfeste der Schweiz. Durch die Gleichsetzung des politischen Gegners mit "roten Ratten" werden auch die unerwünschten Bedeutungsanteile wie "Ungeziefer", "Schädling", "Träger von Krankheitserregern", "Verschlagenheit" und "Unterhöhlung" übertragen (zur Ratte als politische Metapher vgl. Rigotti 1994: 153ff.; 200ff., 204ff.; zur Metapherntheorie vgl. Richards 1996; auch Black 1996).

Das Plakat rechts (Abb. 45) stellt den Kommunismus als "rotes Blendwerk" dar, das den Bürger in die Irre (genauer: in den Abgrund) führt. Indem der politische Gegner als schlechter Berater stigmatisiert wird, soll dem Adressaten bedeutet werden, nicht dem schlechten Rat der Linken zu folgen.

Abb. 46

Titel: Bundesgesetz über den Schutz der öffentlichen Ordnung (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 118 Datum: 11. März 1934
Grafik: n.n.
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 81
Sammlungen: MfGZ 13-563
 
Abb. 47

Titel: Eidg. Volksinitiative 'zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise' (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 121 Datum: 2. Juni 1935
Grafik: Frederick Bieri (A. Trüb & Co., Aarau)
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 81
Sammlungen: MfGZ 13-617; SfG 7609

Auf dem Plakat links (Abb. 46) wird die Arbeiterbewegung mit roten Fäusten symbolisiert, die gegen die herrschende Ordnung aufbegehren. Die Ordnung selbst erscheint als weisse Hand, die sich beschwichtigend über den Aufstand legt. Die Sentenz "Schützt Freiheit und Ordnung!" steht im Kontrast zur "roten Bedrohung", die es unter Kontrolle zu bringen gilt.

Auf dem Plakat rechts (Abb. 47) werden die Sozialisten als rote Männchen dargestellt, die mutwillig eine Lawine lostreten. Ebenfalls rot hervorgehoben ist der Titel der Abstimmungs-vorlage, womit ein Hinweis auf die Urheber gegeben wird. Die Umbenennung der "Kriseninitiative" in "Katastropheninitiative" kommt zudem einer Stigmatisierung gleich und besagt, dass nicht gut sein kann, was aus der Quelle der Sozialisten kommt (vgl. Arnold 2005: 102). 

Abb. 48

Titel: Eidgenössische Volksinitiative 'Warenumsatzsteuer' (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 160 Datum: 20. April 1952
Grafik: Werner Büchi (J.C. Müller AG, Zürich)
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 65;
Stirnimann/Thalmann 2001: 161
Sammlungen: SfG 9927; SNB o.S.
 
Abb. 49

Titel: Bundesbeschluss über die Volksinitiative 'zum Schutz der Mieter und Konsumenten (Weiterführung der Preiskontrolle)';
Gegenvorschlag (beides abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 174 Datum: 13. März 1955
Grafik: Frobenius AG, Basel
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 105
Sammlungen: MfGZ 13-282; SfG 5457; SNB o.S.

Hin und wieder konfligiert die Farbe Rot des "Sozialismus" mit dem "patriotischen Rot" der Schweizer Flagge, was besonders deutlich auf dem Plakat links (Abb. 44) zum Ausdruck kommt, wo das Rot des "Kommunismus" und das Rot des "Patriotismus" unvermittelt aufeinander treffen (vgl. Arnold 2005: 102).

Die Farbe Rot wurde übrigens bis Mitte des 19. Jahrhunderts von den Liberalen als Erkennungsfarbe verwendet und erst seit dem späten 19. Jahrhundert von verschiedenen sozialistischen Strömungen beansprucht (vgl. Degen 2006: 19).

Das Plakat rechts (Abb. 49) zum Mieterschutz visualisiert die "staatliche Kontrolle" als überdimensionierte rote Figur, die ihre Nase in private Angelegenheiten stecken will. Eine weisse Hand fährt dazwischen, um die Privatsphäre zu schützen. Die Vorlage "zum Schutz der Mieter und Konsumenten" wird zudem in "SOZ.Vollmachten-Initiative" umbenannt, wobei mit der roten Farbe auch ein Bezug zur linken Urheberschaft hergestellt wird.

Abb. 50

Titel: Eidgenössische Volksinitiative 'zum Schutz des Bodens und der Arbeit durch Verhinderung der Spekulation' (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 152 Datum: 1. Okt. 1950
Grafik: Genossenschaftsdruckerei, Basel
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 146
Sammlungen: MfGZ 0-212; SfG 9933; SNB o.S.
 
Abb. 51

Titel: Eidgenössische Volksinitiative 'gegen den Missbrauch des Bankgeheimnisses und der Bankenmacht' (abgelehnt)

Abstimmungs-Nr. 319 Datum: 20. Mai 1984
Grafik: Stephan Bundi (Albin Uldry, Bern)
Quellen: n.n.
Sammlungen: MfGZ 44-81; SfG 31178;
SNB Pk 6571
; Sozarch_F_Pc-0107

Wie diese Beispiele zeigen, ist die Rhetorik des Klassenkampfs auch nach dem 2. Weltkrieg lebendig. Der "Kapitalist" auf dem Plakat links (Abb. 50) geht scheinbar achtlos mit Wohnhäusern um und der "Kapitalist" auf dem Plakat rechts (Abb. 51) hat Blut auf der weissen Weste. Das aktiviert gleich mehrere semantische Felder: Zunächst erinnert das Bild an den Phraseologismus "eine weisse Weste haben", was soviel bedeutet wie unbescholten sein. Und das Blut erinnert an "Blutsauger" oder "Blut an den Händen haben", was auf ausbeuterisches oder kriminelles Verhalten hinweist. Damit werden der "Bankenmacht" unredliche Machenschaften unterstellt, denen mit der Vorlage Einhalt geboten werden soll. Der zweiteilige Bildaufbau – oben saubere Weste, unten blutverschmierte Weste – bildet zudem einen Gegensatz (Antithese), der zeitlich als "vorher/nachher" gelesen werden kann. Die im Bild zugrunde liegende Argumentation lautet demnach, dass das Bankgeheimnis aufgehoben werden soll, um den Missbrauch im Bankenwesen zu beseitigen.

 

Lic. phil. Judith Arnold studierte an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel und an der Universität Zürich Publizistikwissenschaft, Germanistik und Informatik.

Der Artikel stützt sich auf die Ergebnisse der Forschungsarbeit: "Eidgenössische Abstimmungsplakate. Quantitative Inhaltsanalyse (1891–1990) und rhetorische Fallstudien"; eingereicht am 31. Juli 2005 am Deutschen Seminar der Universität Zürich. Wörtliche oder sinngemässe Übernahmen sind nur mit Quellenangaben gestattet.

Druckversion: Arnold, Judith (2007f): Rhetorik des Abstimmungsplakats. Zur Topik von Text- und Bildplakaten. Zürich, 23.05.2007: http://www.arsrhetorica.ch/Abstimmungsplakate-06.pdf

 

4 Literatur

Amossy, Ruth (2006): Publikum und Topik. Der Beitrag der Neuen Rhetorik zur Textanalyse. In: Kopperschmidt, Josef (Hrsg.): Die neue Rhetorik. Studien zu Chaim Perelman. München, S. 307–332.

Aregger, Jost (1998): Presse, Geschlecht, Politik. Gleichstellungsdiskurs in der Schweizer Presse. (= Berner Texte zur Medienwissenschaft, Bd. 3), Bern.

Aristoteles (384–322 v. Chr.): Rhetorik. Übersetzt, mit einer Bibliographie, Erläuterungen und einem Nachwort von Franz G. Sieveke. 5., unveränderte Auflage 1995.

Aristoteles (384–322 v. Chr.): Topik. Übersetzt und kommentiert von Tim Wagner und Christof Rapp. Stuttgart, 2004.

Arnold, Judith (2005): Eidgenössische Abstimmungsplakate.
Quantitative Inhaltsanalyse (1891–1990) und rhetorische Fallstudien. Zürich, 31.07.2005.

Arnold, Judith (2007a): Das Schweizer Abstimmungsplakat.
Quantitative Inhaltsanalyse eidgenössischer Abstimmungsplakate von 1891 bis 1990. Zürich, 11.02.2007:
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