Rhetorik des Abstimmungsplakats

Zur Argumentation von Text- und Bildplakaten (logos)

Judith Arnold, Zürich, den 03.05.2007

 

Gemäss Aristoteles (I.3.5.) ist es das Ziel der politischen Volksrede (genus deliberativum), in einer öffentlichen Angelegenheit einen politischen Entscheid an- oder abzuraten, je nachdem, welche positiven oder negativen Folgen erwartet werden. Entsprechend ist es das Ziel von Abstimmungsplakaten, das Stimmvolk von einer Vorlage zu überzeugen oder abzuraten, indem die positiven oder negativen Folgen argumentativ entfaltet oder affektiv vor Augen geführt werden. Dabei kann die Argumentation als eigentlicher Kern des Abstimmungsplakats gelten (vgl. Arnold 2005: 87; Arnold 2007c: 27ff.). Wie eingehende rhetorische Fallanalysen gezeigt haben, folgt das Abstimmungsplakat als argumentative Textsorte einem dreigliedrigen Textaufbau, der dem Dreischritt eines Enthymems entspricht (vgl. Arnold 2007d: 19ff.). Dabei ist die Parole, die auf fast allen Abstimmungsplakaten prominent hervorgehoben wird, Konklusion und Appell zugleich. Denn gemäss der Sprechakttheorie (Searle 1971) bildet die Parole sowohl die Schlussfolgerung der Argumentation (Proposition) als auch den Appell an die Bürger (Illokution), gemäss diesem Schluss zu votieren (Perlokution).

Die Hauptthese lautet, dass das Abstimmungsplakat als eine verschriftlichte Form der politischen Beratungsrede gelten kann. Die Unterhypothesen lauten, dass das Abstimmungsplakat zwar eine Reduktion der politischen Rede darstellt, aber im Aufbau (1), in der Argumentation (2) und im Stil (3) seine ursprüngliche Funktion und Struktur erhalten hat. Falls die Hauptthese zutrifft und das Abstimmungsplakat dem genus deliberativum entspricht, so sollte auch die Argumentation (2) von Text- bzw. Bildplakaten eine Entsprechung aufweisen. Im Folgenden soll diese zweite Unterhypothese geprüft werden.

Während die Analyse zum Aufbau nachweisen konnte, dass das Abstimmungsplakat tatsächlich der Hauptfunktion einer politischen Beratungsrede und den Teilfunktionen der Redeteile folgt, konnte bei der Struktur eine Verdichtung der Redeteile hin zum Kern des Enthymems beobachtet werden (vgl. Arnold 2007d). Die erste Unterhypothese, wonach der Aufbau des Abstimmungsplakats der Funktion und Struktur des genus deliberativum entspricht, hat sich daher weitgehend bestätigt. Demnach ist die Funktion des Abstimmungsplakats als deliberative Textsorte nachweisbar, wobei sich die Struktur allerdings in charakteristischer Weise verdichtet hat: Orientiert sich das frühe Abstimmungsplakat noch stärker am Aufbau der politischen Rede, bildet es später eigene Strukturen aus. Dazu gehören nicht zuletzt die auf flüchtige Wahrnehmung ausgerichtete Reduktion und die Einführung des Bildes. Typisch wird die Zweiteilung in Bild und Parole, wobei das Bild argumentative Funktionen übernimmt (vgl. Arnold 2005: 100; Arnold 2007d: 7ff., 19f., 24ff., 34f.). Während die alltagslogischen oder konventionalisierten Schlussregeln oft im Bild dargestellt sind, können die Argumente sowohl im Text als auch im Bild repräsentiert sein. Die Konklusion schliesslich ist in Form der Parole meistens verbal realisiert (vgl. Arnold 2005: 71; Arnold 2007a: 23). Insofern das moderne Abstimmungsplakat auch in dieser reduzierten Form noch verständlich ist, kann es als hoch konventionalisierte Textsorte gelten.

Die Wahrnehmung des Abstimmungsplakats mag von seiner Struktur verschieden sein und einer eher flüchtigen und intuitiven Aufnahme folgen (zum nicht-analytischen Blick vgl. Klein 2000: 632). Dies zu untersuchen wäre Aufgabe der Medienwirkungsforschung. Was hier jedoch im Zentrum steht, ist das Medium selbst. Deshalb wird die durchschnittliche Rezeption vorerst vernachlässigt und stattdessen die Inhaltsanalyse weiter vertieft. Insbesondere die Argumentation des Abstimmungsplakats ist noch erklärungsbedürftig, da komplexe Sprechakte auf charakteristische Weise auf ein Enthymem verdichtet werden (vgl. Arnold 2007d). Die folgende Untersuchung befasst sich daher eingehend mit der Argumentation.

Die Argumentation lässt sich auf der Textoberflächenstruktur an einigen Merkmalen erkennen, ist aber nur unter Einbeziehung der Texttiefenstruktur erfassbar. Dies liegt zum einen daran, dass die Argumentation selten als solche expliziert wird, zum anderen auch daran, dass die argumentative Struktur zumeist in verkürzter Form vorliegt und die einzelnen Argumentationsschritte in der Reihenfolge variabel sind (vgl. Ottmers 1996: 74; auch Klein 2000: 632). Der argumentative Stellenwert einer Äusserung ist daher weniger auf der graphisch-syntaktischen Ebene als auf der semantisch-pragmatischen Ebene zu erkennen (vgl. auch Kienpointer 1992: 236ff.). Die Analyse der textinternen Merkmale des Abstimmungsplakats als deliberative und somit primär argumentative Textsorte hat sich daher mehr auf die Kohärenz der Texttiefenstruktur als auf die Kohäsion der Textoberflächenstruktur zu konzentrieren (vgl. dazu auch Linke/Nuss­baumer/Portmann 1996: 224ff.).

Merkmale auf der Textoberflächenstruktur sind explizite Äusserungen zur Argumentation (vgl. Kienpointer 1992: 237f.), die jedoch äusserst selten sind, so genannte "indication words" (Govier 1987: 40, zit. in Kienpointer 1992: 238) wie Partikel ("erst", "schon", "sogar" etc.), begründende Konjunktionen ("weil", "denn" etc.) (vgl. Klein 2000: 627, 632; auch Kopperschmidt 1989: 100) oder Substantive der Topik-Tradition ("Ursache", "Grund", "Wirkung", "Teil", "Experte", "Beispiel", "Analogie" etc.) (vgl. Kienpointer 1992: 238). Diese "Argumentationsindikatoren", wie sie Klein (2000: 627) nennt, dienen zur Erkennung der Argumentationsstruktur. Schwerer zugänglich, aber aussagekräftiger ist im aktuellen Erkenntnisinteresse das argumentative Textstrukturmuster, das dem enthymematischen Dreischritt von Argument, Schlussregel und Konklusion folgt.

Im Folgenden wird zunächst die Argumentationslehre der klassischen Rhetorik vorgestellt und mit dem aktuellen Forschungsstand ergänzt. Dabei folge ich primär den Ausführungen von Kienpointer (1992), Ottmers (1996), Kopperschmidt (1989), Klein (2000) sowie Perelman und Olbrechts-Tyteca (2004). Ein Schwerpunkt liegt auf dem Enthymem sowie auf den alltagslogischen und konventionalisierten Schlussregeln. In einem zweiten Schritt wird die komplexe Struktur der pragmatischen Argumentation von Perelman und Olbrechts-Tyteca (2004) vorgestellt und anschliessend auf das Abstimmungsplakat übertragen. Die Erweiterung des komplexen topischen Musters bei Klein (2000) erlaubt eine systematische Analyse von Bildplakaten. Dies wird erhellen, weshalb auf Abstimmungsplakaten so unterschiedliche Motive wie Missstände, utopische Visionen, Schreckensszenarien, Gemeinplätze, Helden und Mythen dargestellt sind. Darüber hinaus ermöglicht das Modell der pragmatischen Argumentation eine Anbindung der rhetorischen Inhaltsanalyse an die in der Kognitions- und Medienwissenschaften diskutierte Schema- bzw. Framing-Theorie (vgl. Klein 2000: 625).

 

1 Zur Argumentationslehre

Ausgangspunkt einer Argumentation sind strittige Sachverhalte, die in ihrem Geltungsanspruch unstrittig gemacht werden. Dies erfolgt entweder durch die Stützung (Pro-Argumentation) oder durch die Widerlegung (Contra-Argumentation) (vgl. Ottmers 1996: 71, 73; zum Geltungsanspruch vgl. ausführlich Kopperschmidt 1989: 15ff.). Dabei müssen die strittigen Aussagen mittels unstrittiger Aussagen gestützt werden. Dazu dienen die Argumente. Sind die Argumente triftig (vgl. Kienpointer 1992: 17), so kann über einen Begründungszusammenhang (Schlussregel) ein Schluss gezogen werden (Konklusion). Standardbeispiel:

Die Konklusion verweist auf den strittigen Sachverhalt zurück, der nun gestützt ist (vgl. Kienpointer 1992: 15). In der Alltagsargumentation wird die strittige Aussage daher oft nicht expliziert, sondern geht in der Konklusion auf. Dieses dreistufige Argumentationsverfahren bestehend aus Argument, Schlussregel und Konklusion wird Enthymem genannt. Allerdings werden im Alltag selten alle drei Argumentationsschritte realisiert. Vor allem die Schlussregel bleibt oft implizit, weshalb sie von Öhlschläger (1979: 99) auch "Schlusspräsupposition" genannt wird und von Van Eemeren und Grootendorst (1984: 26) als Konversationsimplikation aufgefasst wird (vgl. Kienpointer 1992: 30ff.). Typisch für die Alltagskommunikation ist daher eine Behauptung, die von einem Argument gestützt wird:

Die Schlussregel ist hier implizit und muss rekonstruiert werden. Dies ist möglich, weil zwischen der Konklusion und dem Argument ein Zusammenhang bestehen muss, der sich semantisch durch das allgemeine Weltwissen oder durch den Kontext herleiten lässt (vgl. Kienpointer 1992: 42f., 46; auch Ottmers 1996: 78; Linke/Nussbaumer/Portmann 1996: 231ff.). Im aktuellen Beispiel handelt es sich um den Topos aus der Gattung und der Spezies, wonach für die Spezies (Sokrates) gilt, was für die Gattung (Mensch) gilt. Implizit bleiben kann aber nicht nur die Schlussregel, sondern auch das Argument oder die Konklusion (vgl. Kienpointer 1992: 43; auch Ottmers 1996: 74f.), denn die Verkürzung ist für das Enthymem charakteristisch. Im Gegensatz zum logisch vollkommenen Schluss (Syllogismus) handelt es sich beim Enthymem nur um eine pragmatische Verkürzung, die nicht auf Wahrheit, sondern auf Wahrscheinlichkeit beruht (vgl. Ottmers 1996: 76f.; auch Kopperschmidt 1989: 114). Das Argument jedoch sollte unbestritten sein, da es eine strittige Aussage stützen muss. Ein weiteres Merkmal des Enthymems ist, dass die einzelnen Argumentationsschritte in der Reihenfolge variabel sind. Das genannte Beispiel lässt sich daher wie folgt variieren:

Das Enthymem lässt sich als argumentative Grundstruktur begreifen, das sich zu komplexeren Argumentationsschemata erweitern lässt. Bei Cicero wird das dreistufige Enthymem zum fünfstufigen Epicheirem erweitert, indem auch das Argument und die Schlussregel eine Stützung erfahren (zum Epicheirem und seiner Modifizierung durch Toulmin vgl. Kienpointer 1992: 22ff.; auch Ottmers 1996: 73ff., 79ff.). Nach Ottmers lässt sich aber auch in diesen komplexen Argumentationsschemata das Enthymem als Grundstruktur erkennen, indem es darin wiederholt zur Anwendung kommt (vgl. Ottmers 1996: 79ff.). Im Folgenden wird daher vom Enthymem als kleinste argumentative Einheit ausgegangen. In einfachen Argumentationen liegt das Enthymem alleine vor, in komplexen Argumentationen kommt das Enthymem mehrfach vor. Es ist daher zu unterscheiden zwischen dem Enthymem als einfache Argumentation und dem Enthymem als Argumentationssequenz innerhalb einer komplexen Argumentation (vgl. Kopperschmidt 1989: 210). Ist z.B. eine Konklusion als ehedem strittige Aussage erst einmal gestützt, so kann sie ihrerseits zum Argument für eine nächstfolgende Argumentation werden:

Eine solche Argumentation, bestehend aus mehreren enthymematischen Argumentationssequenzen, lässt sich theoretisch beliebig fortsetzen. Möglich ist auch, dass die Konklusion einer Argumentationssequenz zur Prämisse für die Schlussregel einer nächstfolgenden Argumentationssequenz wird (vgl. Kopperschmidt 1989: 211):

Das Enthymem als argumentative Grundstruktur wird auch hier zu einer Argumentationssequenz innerhalb einer komplexen Argumentation, die sich theoretisch beliebig weiterführen lässt. Wird eine Argumentation mit mehreren Argumentationssequenzen in monologischen Situationen meistens sequenziell entfaltet, so ist für dialogische Situationen ein Regress typisch. Denn die Notwendigkeit, ein Argument oder eine Schlussregel zu stützen, besteht vor allem dann, wenn deren Geltungsanspruch in Zweifel gezogen wird.

Zentral für die Argumentation sind die Schlussregeln, die eine Verbindung zwischen dem strittigen Sachverhalt und den Argumenten schaffen. Diese Schlussregeln – auch Topoi, Oberregel, Oberprämisse oder Schlusspräsupposition genannt – sind für die jeweilige Argumentation charakteristisch, weshalb auch die Typologien von Argumentationsschemata auf diesen Schlussregeln basieren (vgl. Kienpointer 1992: 43ff., 91). Eine kritische Auseinandersetzung mit den bisherigen Typologien und einen letzten Entwurf nimmt Kienpointer vor. Ich werde daher der Typologie von Kienpointer (1992: 246) folgen, wie sie von Ottmers geringfügig modifiziert wurde (vgl. Ottmers 1996: 91, 93ff.).

Ausgangspunkt bildet die Topik von Aristoteles, wie er sie in seiner Rhetorik (II.23) entfaltet und in seiner Topik konkretisiert hat. Die Topik bildet gleichzeitig eine Heuristik zum Auffinden geeigneter Argumente als auch eine Hermeneutik für die Argumentationsanalyse (vgl. Kopperschmidt 1989: 195ff.). Kienpointer geht von eigenen Korpusanalysen alltagssprachlicher Argumentation aus und vergleicht anschliessend die Argumentations-Typologien von der klassischen Rhetorik über Toulmin et al. (1984) bis hin zu "La nouvelle Rhétorique" von Perelman und Olbrechts-Tyteca (2004). Davon ausgehend nimmt er schliesslich eine eigene Typologie vor. Kienpointer (1992: 246) unterscheidet Argumentationen, die Schlussregeln benützen, Argumentationen, die Schlussregeln etablieren, und Argumentationen, die weder Schlussregeln benützen noch etablieren. Diese Dreiteilung folgt nach der Überlegung, ob das Argumentationsverfahren deduktiv oder induktiv ist oder gesellschaftlichen Konventionen folgt. Da es sich bei der alltagslogischen Argumentation aber nicht um eine formallogische Argumentation handelt, ist Kienpointer mit der Vergabe der Bezeichnungen "induktiv" und "deduktiv" zurückhaltend (vgl. Kienpointer 1992: 245). Ottmers vereinfacht daher das Modell und bevorzugt eine Zweiteilung, worin er die Schlussregeln benützenden und etablierenden Argumentationsverfahren in der Kategorie der "alltagslogischen Schlussregeln" zusammenfasst und sie von den "konventionalisierten Schlussregeln" abgrenzt (vgl. Ottmers 1996: 91).

Die Kausalschlüsse, Vergleichsschlüsse, Gegensatzschlüsse und Einordnungsschlüsse sind die klassischen deduktiven Schlussregeln, die bei enthymematischen Argumentationen eingesetzt werden (vgl. Aristoteles Rhetorik II.22, Ottmers 1996: 93). Für eine nähere Erläuterung wird an den Anhang verwiesen. Im Text und Bild von Abstimmungsplakaten kommen diese quasi deduktiven Schlussregeln regelmässig vor.

Ebenfalls zu den alltagslogischen Schlussregeln gehört die induktive Beispielspielargumentation (vgl. Aristoteles Rhetorik I.2. 8,19; Kienpointer 1992: 365ff.; Ottmers 1996: 82ff., 109). Sie kann als Pendant zur enthymematischen Argumentation verstanden werden kann, auch wenn ihre Struktur komplexer ist. Statt eine Schlussregel zu benützen, muss eine Schlussregel mit Beispielen erst etabliert werden, um eine empirische Regelmässigkeit zu belegen (vgl. Ottmers 1996: 82ff.):

In der politischen Kommunikation werden z.B. Statistiken häufig zitiert oder in Form von Tabellen und Grafiken zur Darstellung gebracht. Die induktive Beispielargumentation ist jedoch zu unterscheiden vom illustrativen Beispiel, das nur zur Erläuterung angeführt wird. Es ist somit nicht Träger, sondern lediglich Verstärker einer Argumentation und zählt zu den Stilfiguren (exemplum). In der Praxis ist die Abgrenzung zwischen der induktiven Beispielargumentation und dem illustrativen Beispiel allerdings schwierig (vgl. Ottmers 1996: 84f.).

Die Antike kannte zudem noch eine weitere Form der Enthymemargumentation, die hier keinen Eingang in die Typologie gefunden hat, nämlich die Indizienargumentation. Diese beruht nicht auf rhetorischen Argumentationsverfahren, sondern auf faktisch vorliegenden Indizien. Diese Indizien können, ähnlich wie bei der induktiven Beispielargumentation, zu einer Indizienkette gefügt werden, um einen Schluss nahe zu legen (vgl. Aristoteles Rhetorik I.2, 16). Dieses Argumentationsverfahren ist vor allem für die Gerichtsrede von Relevanz (vgl. Indizienprozess) und liegt auch jedem wissenschaftlichen Vorgehen zugrunde (vgl. Ottmers 1996: 85f.). Da aber die Indizienargumentation nicht primär mit sprachlichen Mitteln arbeitet, sondern sich auf aussersprachliche "Zeichen" (signum) stützt, wird sie nicht in die Typologie der rhetorischen Argumentationsverfahren aufgenommen. Die Indizienargumentation wird hier aber deshalb ausdrücklich erwähnt, weil sie für die Untersuchung der Abstimmungsplakate im Zusammenhang mit einer bestimmten Bildtechnik – der Fotografie – von Relevanz ist. Wie nämlich bereits Roland Barthes (1964a: 46f.; 1990: 38ff.) bemerkt, handelt es sich beim fotografischen Bildgebungsverfahren um eine analoge Aufzeichnung. Die Abbildung verweist direkt auf das Abgebildete und ist vermeintlich frei von einer kulturellen Codierung. Und insofern die Fotografie nur abbilden kann, was vorhanden (gewesen) ist (l'avoir-été-là), kommt der Fotografie – zumindest in der alltäglichen Wahrnehmung – ein Indiziencharakter zu. Josef Klein (1994: 10), der die verschiedenen semiotischen Ebenen des Fernsehens untersucht, spricht von einer "Suggestion der Evidenz" des analogen Bildverfahrens, was die grosse Glaubwürdigkeit des Fernsehens bei den Zuschauern erklärt (vgl. Klein 1994: 13). Wie noch gezeigt wird, macht sich auch das Abstimmungsplakat den Evidenz-Charakter der Fotografie zunutze, wenn es darum geht, Missstände anzuprangern.

Unter den konventionalisierten Schlussregeln sind alle Argumentationsweisen zusammengefasst, die nicht auf einem quasi-logischen Verfahren basieren, sondern auf gesellschaftlich akzeptierte Formen der Begründung zurückgreifen. Dazu gehört das Zitieren einer Autorität wie z.B. eines Fachexperten. Aber auch Redewendungen wie Sprichwörter, geflügelte Worte und andere Gemeinplätze können der Stützung eines Arguments dienen, wenn sie zwischen den Gemeinplätzen (loci communes) und der aktuellen Situation eine Verbindung herstellen. Der Einsatz von Gemeinplätzen wie "am eigenen Ast sägen" oder "Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen" gehört zu den Analogieschlüssen (vgl. Aristoteles Rhetorik II.20.). Der Vorteil von Analogieschlüssen in der politischen Kommunikation besteht darin, dass Gemeinplätze (loci communes) direkt an das Allgemeinwissen sowie an die Werte, Normen und Mythen einer Gesellschaft anschlussfähig sind (vgl. Kienpointer 1992: 46ff.). Das macht Analogieschlüsse für das Publikum unmittelbar verständlich. Ist zudem der Bezug zwischen dem Gemeinplatz und der aktuellen Situation treffend, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Analogieschluss überzeugt. Obwohl die loci communes zum kulturellen Erbe gehören, zeugt der Einsatz von Sprichwörtern, Redewendungen, Zitaten und anderen Gemeinplätzen nicht unbedingt von einer konservativen Haltung oder einer emotionalisierten Problemverkürzung, sondern dient der Reduktion der Komplexität. Denn traditionell verbürgte Orientierungsmuster können bei komplexen Problemlösungsprozessen eine Entlastungsfunktion haben, da die Anbindung der Politik an gesellschaftliche Normen ihre Mehrheitsfähigkeit gewährleistet. Luhmann redet in diesem Zusammenhang von einem "neuen Konservativismus wider Willen, einen Konservativismus aus Komplexität" (Luhmann 1968: 76, zit. in Kopperschmidt 1989: 61, 93). Obwohl also die Argumentation das bisher Vertraute problematisiert, baut sie gleichzeitig auf einem kulturell überlieferten und sprachlich organisierten Vorrat an Deutungsmustern auf, um daraus ihre Überzeugungskraft zu schöpfen (vgl. Kopperschmidt 1989: 160, gestützt auf Habermas 1981/2: 189). Gemeinplätze oder loci communes sind daher relativ zeitresistent und gewährleisten eine kulturelle Konstanz, sie sind aber auch im Verlauf der Zeit veränderlich (vgl. Kienpointer 1992: 184). So versuchen Parteien und Interessengruppen mit der Durchsetzung politischer Entscheide neue Konventionen einzuführen und die Gesellschaft gemäss ihrer Ideologie zu gestalten (vgl. Arnold 2005: 82). Herkömmliche Gemeinplätze werden in der öffentlichen Kommunikation beständig wiederholt und weiter verbreitet. Ebenso lassen sich neue Gemeinplätze durch die öffentliche Kommunikation etablieren, seien es geflügelte Worte ("Mein Bauch gehört mir", "Ausländer raus"), seien es Metaphern für neue Phänomene (Katachresen), die im politischen Diskurs eine zeitlang kursieren, bis sie abgedroschen sind ("Waldsterben"). Schliesslich ist es die fortwährende Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse, die eine Erweiterung oder Erneuerung des Inventars an Gemeinplätzen nach sich zieht. Gerade das Vokabular für "Umweltschutz" gibt es in der klassischen Rhetorik nicht, da dieses Politikfeld erst nach der Industrialisierung aktuell werden konnte. Und auch die "Gleichberechtigung von Mann und Frau" ist ein relativ junger Topos, der in unserer Gesellschaft erst durch anhaltende politische Kämpfe in das Inventar der Gemeinplätze eingeführt wurde und in anderen Gesellschaften noch immer keine Selbstverständlichkeit ist.

Die Gemeinplätze (loci communes), die in einer Gesellschaft eine gewisse Allgemeingültigkeit beanspruchen können, sind zu unterscheiden von den Werten und Normen von Subgruppen. Diese resultieren aus den unterschiedlichen Lebenswelten und Erfahrungen von Subjekten, die sich über ihre geteilte Erfahrung verständigen (vgl. Habermas 1981/2: 208ff.; Kopperschmidt 1989: 175ff.; Imhof 1993: 32ff.). In diesem Zusammenhang und mit Bezug auf Kesting (1957) und Negt (1971) redet Kopperschmidt von der "sozialen Topik".

"Die im Begriff der sozialen Topik zusammengefassten sprachlich verfestigten, von der individuellen Erfahrung, ja vom Alter, besonders Berufsqualifikation usw. (relativ) unabhängigen Gebilde, die weder blosse Vorurteile noch zufällige Meinungen noch wissenschaftliche Einsichten sind, besitzen für die im Medium der öffentlichen Sprache Denkenden eine zentrale Bedeutung, weil ein wichtiger Teil der rationalen Bewältigung der komplizierten ökonomischen und politischen Vorgänge durch sie vermittelt ist." (Negt 1971: 63; zit. in Kopperschmidt 1989: 176)

Die soziale Topik, die in der Sprache Denk-, Wertungs- und Urteilsmuster von Subgruppen zum Ausdruck bringt, verstärkt einerseits die innere Verständigung, führt andererseits aber auch zur Abgrenzung gegenüber konkurrierenden Gruppen (vgl. Kopperschmidt 1989: 176; vgl. auch "die Gruppe und ihre Mitglieder" bei Perelman/Olbrechts-Tyteca 2004: 456ff.). Sind diese Gruppen in Interessengruppen wie Vereine, Verbände, Gewerkschaften und Parteien organisiert, so können sich politische Kampfbegriffe etablieren (vgl. Liedtke/Wengeler/Böke 1991; Panagl/Stürmer 2002; Panagl 1998). Diese dienen sowohl der Zielgruppenansprache, als auch der Abgrenzung gegenüber dem gegnerischen politischen Lager. Nebst der Vereinnahmung von Hochwertwörtern ("Fahnenwörtern") oder der Verunglimpfung des gegnerischen Vokabulars ("Stigmawörter") sind daher auch die personenbezogenen Topoi typisch, wobei Selbstidealisierung und Feindbild einander entgegenstehen. Hier verbinden sich die Topoi aus der Person mit dem Topos aus der Autorität. Denn eine positive Autorität kann ein Sympathieträger sein und das Vertrauen des Publikums für eine politische Position gewinnen oder aber eine negative Autorität sein und als Feindbild dienen. In diesem Zusammenhang redet Kopperschmidt (1989) von der "Anti-Autorität" (S. 191): "man suche für eine Meinung, die man ablehnen will, einen allgemeinen oder gruppenspezifisch negativ besetzten Meinungsträger, um das negative Prestige dieses Meinungsträgers auf die von ihm vertretene Meinung zu übertragen und so ihre Akzeptanzchance zu schwächen" (Kopperschmidt 1989: 192). Weiter zur Anwendung kommen bei den personenbezogenen Topoi sämtliche Qualitäten, die sich positiv zur eigenen Person oder Partei anbringen lassen, sowie sämtliche gesellschaftlichen Vorurteile und negativen Eigenschaften, die sich dem politischen Gegner unterstellen lassen. Hierbei ist anzumerken, dass diese Form des "negative campaigning" bereits in der Antike als schlechter Stil galt (vgl. Ottmers 1996: 120f.), denn sie steht dem rhetorischen Ideal des vir bonus (Quintilian) entgegen (vgl. Arnold 2005: Anhang S. 54).

Da die Politik auf die Veränderung von gesellschaftlichen Normen ausgerichtet ist, kommt in der politischen Kommunikation die soziale Topik unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen zum Ausdruck. Diese gesellschaftlichen Gruppen versuchen jeweils ihre zentralen Werte – seien sie nun konservativ, liberal oder sozialistisch – als gesellschaftliche Werte zu etablieren und die Gesellschaft nach Massgabe ihrer Ideologie zu gestalten (vgl. Imhof 1993: 28ff.). Dadurch erklären sich die ideologischen Grabenkämpfe, die eine Orientierung am Gemeinwohl zuweilen erschweren. Diese Blockaden können nicht argumentativ gelöst werden, da Paradigmen nicht durch Beweise entschieden werden. Vielmehr gibt es bei der Wahl eines Paradigmas keine höhere Norm als die Billigung durch die massgebliche Gemeinschaft (vgl. Kuhn 1973: 196, 131; zit. in Kopperschmidt 1989: 162). Zentrale Paradigmen in der Schweizer Politik sind nebst dem Wertekonservatismus religiöser und ländlich-volksnaher Parteien die Werte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die seit der französischen Revolution als Grundwerte der freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft gelten. Hat sich der Liberalismus auf die Freiheit konzentriert, so sieht sich der Sozialismus der Gleichheit und Brüderlichkeit (bzw. Solidarität) verpflichtet. Auch diese Paradigmen und ihr Widerstreit sind in Abstimmungsplakaten omnipräsent (vgl. Arnold 2005: 100ff.; zu Paradigmen und Paradigmenwechsel vgl. Kopperschmidt 1989: 162ff., 168ff.; auch Kienpointer 1992: 146f.; zum sozialen Wandel vgl. Imhof 1993: 38ff.; Imhof 2006).

Wie eine explorative Vorstudie gezeigt hat, unterscheidet sich die soziale Topik von liberaler und sozialdemokratischer Seite sowohl in den Motiven als auch in den verwendeten Argumentationsstrukturen: Während das bürgerliche Lager die Kausalschlüsse bevorzugt und den Liberalismus ex negativo durch seine drohende Einschränkung darstellt, bevorzugt das sozialdemokratische Lager den Gerechtigkeitstopos und appelliert an die Solidarität (vgl. Arnold 2005: 100ff., 109; Anhang S. 27ff., 32ff.).

Paradigmen, Gemeinplätze und Politikfelder sind zeitlich gebunden und können sich je nach Problemlage verändern (vgl. Kopperschmidt 1989: 168f.). Argumentationen, die eng mit einer Sache (loci a re) oder Person (loci a persona) verbunden sind, lassen sich daher nur beschränkt auf andere politische Sachverhalte übertragen (vgl. die loci der römischen Topik-tradition nach Ueding/Steinbrink 1994: 237ff.; vgl. auch die kontextrelevanten Topoi bei Aristoteles Topik und Rhetorik I.4.,5.,6.). Dies schränkt die Anwendbarkeit kontextrelevanter Argumentationen sowohl in der Praxis als auch in der Analyse ein (vgl. Ottmers 1996: 89). Allerdings können kontextrelevante Argumentationen auf kontextabstrakte zurückgeführt werden, weshalb die alltagslogischen und konventionalisierten Schlussregeln der Typologie von Kienpointer eine gewisse Allgemeingültigkeit haben (zu den kontextrelevanten und kontextabstrakten Schlussregeln vgl. Kienpointer 1992: 179f., 184, 234; auch Ottmers 1996: 90).

 

1.1 Zur Argumentation der politischen Beratung

Nachdem die Argumentationslehre entfaltet wurde, stellt sich die Frage, wie in der politischen Kommunikation argumentiert wird. Nach einigen allgemeinen Erläuterungen zur politischen Beratung folgt die Anwendung auf das Abstimmungsplakat.

Im Fall von Abstimmungskämpfen ist der strittige Sachverhalt die Abstimmungsvorlage, die je nach politischer Position zur Annahme oder Ablehnung empfohlen wird. Dabei haben Stimmempfehlungen – wie Empfehlungen generell – den Charakter einer begründungspflichtigen Behauptung (vgl. Kopperschmidt 1989: 33, gestützt auf Habermas 1973a: 140ff.). Im Abstimmungskampf sind Parteien und Interessengruppen daher aufgefordert, ihre Stimmempfehlung zu begründen und in die Abstimmungsparole zu überführen. Die Pro- oder Contra-Position richtet sich dabei nach dem Nutzen oder Schaden, der als Folge des politischen Entscheids erwartet wird. Die Positionen selbst sind normativ (vgl. Kienpointer 1992: 16), denn es geht nicht um die Wahrheit, sondern um die Richtigkeit eines politischen Entscheids (vgl. ebd.). Und ob ein politischer Entscheid richtig oder falsch war, kann – wenn überhaupt – erst rückwirkend entschieden werden, je nachdem ob sich der gewünschte Fortschritt eingestellt hat. In der politischen Deliberation geht es also wesentlich um die Frage, ob durch den Entscheid für oder gegen eine politische Neuerung ein Schaden behoben, begrenzt oder erst dadurch herbeigeführt wird. Das Verfahren, das bei der politischen Deliberation zur Anwendung kommt, wird auch "pragmatisches Argument" genannt (vgl. Perelman/Olbrechts-Tyteca 2004: 375ff.; auch Kientpointer 1992: 352ff.). Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein einfaches Argument, sondern um eine – wie wir noch sehen werden komplexe – Argumentation. Perelman und Olbrechts-Tyteca definieren das pragmatische Argument wie folgt:

"Pragmatisch [pragmatique] wollen wir nun ein solches Argument nennen, das die Wertung einer Handlung [acte] oder eines Ereignisses [événement] von dessen positiven oder negativen Folgen her ermöglicht." (Perelman/Olbrechts-Tyteca 2004: 375; Hervorheb. i. O.) Und weiter: "Das pragmatische Argument, mit dem man eine Sache [...] in Abhängigkeit ihrer gegenwärtigen oder zukünftigen Folgen bewerten kann, hat eine direkte Bedeutung für das Handeln [actio]." (ebd. S. 376)

Ähnlich definiert Kienpointer (1992) das pragmatische Argument:

"In der politischen Argumentation wird das pragmatische Argument eingesetzt, um positive oder negative Folgen bestimmter Handlungen als Bekräftigung oder Widerlegung der Richtigkeit der Politik zu verwenden, die mit diesen Handlungen verfolgt wird." (Kienpointer 1992: 352)

Dabei stellt sich die Frage, inwiefern die Folgen abschätzbar sind und wie allfällige negative Wirkungen mit den positiven Wirkungen aufzuwiegen sind.

"Regelmässig ist dabei zu beobachten, dass gruppenspezifisch versucht wird, die bei der favorisierten Politik zu erwartenden positiven Folgen möglichst zahlreich auszuarbeiten und mögliche negative Folgen für geringfügig zu erklären oder zu vernachlässigen." (Kienpointer a.a.O.)

Strittig in Abstimmungskämpfen ist zudem die Güterabwägung, die je nach Interessenlage und politischer Ideologie variiert. Neben quasilogischen Schlussregeln werden daher auch Werte und Normen prominent zur Begründung von politischen Positionen eingesetzt. Aufgrund der Abhängigkeit der politischen Beratung von Ideologien stellt sich immer auch die Frage, ob eine politische Position das Gemeinwohl oder nur Partikularinteressen vertritt.

Kienpointer (1992: 354) übersetzt das pragmatische Argument wie folgt als Enthymem:

Darüber hinaus beschreibt Kienpointer "Varianten des pragmatischen Arguments, die mit Zielen von Handlungen operieren (…). Positiv bzw. negativ bewertete Ziele werden zum Schluss auf eine entsprechende Bewertung bzw. auf die Durchführung/Nichtdurchführung der Handlung benützt, die zur Erreichung der Ziele führen" (ebd. S. 358).

Josef Klein (2000) geht in seinen Nachforschungen über einfache und komplexe Argumentationsschemata von Kienpointer (1992) aus und sucht nach Argumentationsmustern, wie sie u.a. in der politischen Kommunikation typisch sind. Dabei stösst er wiederholt auf das folgende komplexe topische Muster:

Diesen fünf Argumentationsschritten weist Klein (2000) den Stellenwert von Topoi zu. Darüber hinaus macht er drei Beobachtung: erstens, dass die argumentationslogische Reihenfolge von der textsequenziellen Struktur abweichen kann, zweitens, dass nicht immer alle Topoi vorhanden sein müssen, und drittens, dass die Situationsdarstellung oft mit der Situationsbewertung zusammenfällt und auch die Werte und Normen oft in der Situationsbewertung oder in der Zielsetzung aufgehen. In diesem Zusammenhang redet er von "Kategorienüberlagerung" (Klein 2000: 633). Denn für die politische Semantik ist charakteristisch, dass politische Begriffe Wertungen aufweisen, die je nach politischer Ideologie und abhängig von der politischen Entwicklung variieren (vgl. Klein 1998: 377ff.; 1991; 1989: 17ff.; 1983).

Die Frage der Entfaltung bzw. Komprimierung der Argumentation verdient eine eingehende Betrachtung. Die Beobachtung der Kategorienüberlagerung verschiedener Topoi bei Klein (ebd.) deckt sich nämlich mit der Beobachtung, dass sich die Redeteile von reduzierten Abstimmungsplakaten überlagern (vgl. Arnold 2007d: 19, 34f.). Die Einleitung (exordium) und die Situationsdarstellung (narratio) verbinden sich in Textplakaten oft direkt mit der Argumentation (argumentatio), die den Kern des Abstimmungsplakats bildet. Und in Bildplakaten ist die Situationsdarstellung geradezu unumgänglich mit der Situationsbewertung verbunden. Allerdings kann sich die Situationsbewertung sowohl auf die Ausgangssituation (ebd. S. 29f., 32) als auch auf die gewünschte (ebd. S. 31, 33) oder befürchtete Folgesituation (ebd. S. 25) beziehen. Im Ergebnis lässt sich diese komprimierte Argumentation auf die Struktur eines Enthymems reduzieren, was dem pragmatischen Argument bei Kienpointer (1992: 354) entspricht. Die unterschiedlichen Erscheinungsformen des pragmatischen Arguments machen es jedoch notwendig, die komprimierte enthymematische Argumentation nach den einzelnen impliziten und expliziten Topoi zu entfalten. Erst durch die Erläuterung der argumentativen Tiefenstruktur des Abstimmungsplakats wird erklärbar, weshalb die Argumentation auf der Textoberflächenstruktur zur gleichen Position und Thematik so divergent erscheinen kann. Im Folgenden wird daher untersucht, inwiefern das komplexe topische Muster von Klein (2000) auf das Abstimmungsplakat anwendbar ist. Gelingt die Übertragung, wird es im konkreten Fall möglich sein zu benennen, welche Topoi jeweils in Erscheinung treten.

Damit das Modell von Klein (2000) auf den Untersuchungsgegenstand des Abstimmungsplakats anwendbar wird, ist das topisch komplexe Muster gemäss unserer eingangs erläuterten enthymematischen Grundstruktur in einzelne Argumentationssequenzen zu gliedern und fallweise zu erweitern.

Ausgangspunkt für jede politische Argumentation ist eine gesellschaftliche Situation, die als problematisch wahrgenommen wird. Demnach ist die Situationsdarstellung eine Behauptung (These) mit Geltungsanspruch (GA). Wird die Situationsdarstellung nicht bestritten, so bleibt sie ohne Begründung. Und als akzeptierte Situationsdarstellung kann sie als Argument in die Argumentation Eingang finden. Je nach Wertesystem (SR1), worunter nebst den gesellschaftlichen Normen und Gesetze auch die politischen Ideologien und persönlichen Erfahrungen gehören, erfährt die Situationsdarstellung (A1) eine unterschiedliche Bewertung (K1).

Da die Politik zuständig ist, Lösungen für gesellschaftliche Probleme herbeizuführen, hat sie es jeweils mit negativ bewerteten Ausgangslagen zu tun, die es zum Positiven zu verändern gilt. Eine negative Situationsbewertung (A2) bildet somit die Ausgangslage für politische Handlungsvorsätze (K2), und zwar vor dem Hintergrund von Zielsetzungen (SR2). Diese Zielsetzungen können bereits bestehende Gesetze, internationale Abkommen oder gesellschaftlich wünschbare Zustände sein, die entweder einer allgemeinen Normvorstellung entsprechen oder dem Wertesystem von Subgruppen entspringen, die dafür einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben. Letzteres ist typisch für Volksinitiativen.

Der Handlungsvorsatz ist im politischen Gesetzgebungsprozess identisch mit einer Gesetzesvorlage, über die im Parlament und/oder vor dem Volk entschieden werden soll (Gesetzesentwurf bzw. Abstimmungsvorlage) und ist der eigentliche Gegenstand der Debatte. Dabei ist der Handlungsvorsatz (A3) mit einer Erwartungshaltung verknüpft (SR3), denn es stellt sich die Frage, ob er die geeignete Massnahme ist, um die gewünschten Folgen herbeizuführen (K3).

Ob die Folgen – und die allfälligen Nebenwirkungen – begrüsst oder abgelehnt werden, ist erneut eine Frage der Bewertung (K4). Denn die Folgen können sich auf die Gesellschaft und einzelne Subgruppen unterschiedlich auswirken. Je nach Interessenlage werden daher auch unterschiedliche Bewertungsmassstäbe (SR4) zur Beurteilung der prognostizierten Folgen (A4) herangezogen. Auch findet eine Abwägung statt zwischen den primären Folgen und allfälligen unerwünschten Nebenfolgen. Mit Sicherheit wird die Folgenabschätzung auch nach den Zielsetzungen vorgenommen, die bei der Formulierung des Handlungsvorsatzes leitend waren. Denn es stellt sich die Frage, inwiefern der Handlungsvorsatz tatsächlich geeignet ist, um den geplanten Fortschritt zu erzielen.

Die Handlungsaufforderung ist die letzte Konklusion in der Argumentationskette und hängt kausal davon ab, ob die Folgenbewertung positiv oder negativ ausfällt (A5). Werden positive Folgen erwartet, so ist der Handlungsvorsatz zu begrüssen, werden negative Folgen erwartet, so ist der Handlungsvorsatz abzulehnen (SR5). Die Bewertung der prognostizierten Folgen wird quasi rückwirkend auf den Handlungsvorsatz (K2) übertragen und davon ausgehend die Befürwortung oder Ablehnung der politischen Massnahme empfohlen (K5). Im Kontext der Abstimmungskommunikation entspricht die Handlungsaufforderung der Parole.

Das Ergebnis der Argumentation ist die Befürwortung oder die Ablehnung des Handlungsvorsatzes, je nachdem, welche Folgen prognostiziert und wie sie bewertet werden. Wird der Handlungsvorsatz aufgrund einer positiven Erwartungshaltung befürwortet, so geht er als neue Norm, sprich: Gesetz in das Inventar der gesellschaftlichen Regulative ein.

In dieser komplexen Argumentation sind lediglich zwei Schlussregeln von vornherein festgelegt: die kausalen Schlussregeln aus Ursache und Wirkung sowie aus Grund und Folge. Die übrigen Topoi sind vorwiegend normativ und beruhen voraussichtlich auf kontextrelevanten Schlussregeln wie Normen, Gesetzen und Ideologien oder auf konventionalisierten Schlussregeln wie den Topoi aus der Autorität, der Analogie oder der Person. Idealtypisch lässt sich das komplexe topische Muster bei Klein (2000) also wie folgt erweitern:

Politische Kommunikation ist normativ und hat zum Ziel, neue Normen einzuführen, bestehende Normen zu wahren oder zum besseren zu verändern. Das Resultat des politischen Prozesses sind erneut Normen, die in Form von Gesetzen bzw. Gesetzesänderungen in das allgemeine Wertesystem der Gesellschaft aufgenommen werden. Die politische Kommunikation gehört daher zu den regulativen Sprechhandlungen, die sich nicht nach der Wahrheit, sondern nach der Richtigkeit zu orientieren haben, wobei sich die Richtigkeit nach dem bestehenden Normengefüge der Gesellschaft bemisst (vgl. Kopperschmidt 1989: 33–42, gestützt auf Habermas 1981: 68ff., 125ff., 149f.; 1976: 225f., 246, 1973b: 221ff.; vgl. insbesondere auch Habermas 1998: 24–44). Die politische Kommunikation als Kern des politischen Prozesses beruht demnach auf Normen und hat ihrerseits Normen zum Ziel. Das begründet die Vielzahl normativer Argumente in der politischen Kommunikation. Einerseits werden gesellschaftlich akzeptierte Normen und Gesetze zur Stützung herangezogen und andererseits werden die Werte von Subgruppen zur Allgemeingültigkeit erhoben. "Nur Normen also, deren Geltung bzw. Existenz legitimiert ist oder als legitimierbar unterstellt wird, können in Handlungsempfehlungen reklamiert werden, um deren Richtigkeitsanspruch einzulösen" (Kopperschmidt 1992: 38). Einzig unbestritten sind die allgemein akzeptierten und legitimierten Normen, sprich die gültigen Gesetze (vgl. Kopperschmidt 1989: 34, 37f.). Bestehende Gesetze gelten daher in der klassischen Rhetorik nicht als sprachlich hergeleitete Argumente (probationes artificiales), sondern als faktisch vorliegende, gewissermassen ausserrhetorische Überzeugungsmittel (probationes inartificiales; vgl. Aristoteles Rhetorik I.15; vgl. auch Ottmers 1996: 58). Darüber hinaus macht die politische Kommunikation sichtbar, welche Werte (noch) allgemeingültig sind und welche Werte nicht (mehr) geteilt werden.

Der Widerstreit der Ideologien und Interessen kommt vornehmlich in drei Argumentationsschritten zum Ausdruck: bei den Normen zur Situationsbewertung, bei der Zielsetzung zur Formulierung des Handlungsvorsatzes und bei den Normen zur Folgenbewertung. Hier zeigen sich die Meinungsverschiedenheiten der Parteien und Interessengruppen jeweils am deutlichsten. Grundsätzlich kann in der politischen Kommunikation aber alles bestritten werden, was nicht bereits zu den legitimierten Normen gehört. Das betrifft zunächst die Situationsdarstellung ("Es gibt keine Klimaerwärmung."), die Norm der Bewertung ("Das Klima hat sich immer verändert, also ist es auch jetzt nicht konstant.") und die Situationsbewertung ("Momentane Temperaturschwankungen haben nichts zu bedeuten."). Daraus entscheidet sich massgeblich der weitere Verlauf der Argumentation. Denn ist kein Handlungsbedarf gegeben, erübrigt sich auch ein Handlungsvorsatz. Wird aber im politischen Diskurs eine Einigung über die Situationsdarstellung und -bewertung erzielt ("zuviel CO2-Emissionen"), hängt die Formulierung eines Handlungsvorsatzes wesentlich von der Akzeptanz der Zielsetzung ab ("Kyoto-Protokoll"). Wird die Zielsetzung nicht geteilt (USA, Australien), wird auch kein Handlungsvorsatz formuliert. Steht jedoch ein Handlungsvorsatz z.B. in Form eines Gesetzesentwurfs zur Diskussion ("CO2-Abgaben"), so kann im Weiteren bestritten werden, ob die vorgeschlagene Massnahme die gewünschten Folgen zeitigt. Beispielsweise kann argumentiert werden, dass die gewünschten Folgen ausbleiben oder sich unerwünschte Nebenfolgen einstellen werden. In diesem Fall ist – wiederum vor dem Hintergrund unterschiedlicher Normen und Interessen – eine Güterabwägung wahrscheinlich. Bringt der politische Diskurs keine Einigung und stehen bis zum Schluss unterschiedliche Positionen einander gegenüber, kommt es zu kontroversen Handlungsempfehlungen. Im Kontext der Abstimmungskommunikation wird im Fall einer negativen Folgenabschätzung die Nein-Parole ausgegeben und im Fall einer positiven Folgenabschätzung die Ja-Parole.

Die komplexe pragmatische Argumentation lässt sich also idealtypisch in fünf enthymematische Argumentationssequenzen entfalten.

Wie es der Ökonomie der Sprache entspricht (vgl. die Konversationsmaxime der Quantität bei Grice 1975; vgl. Kienpointer 1992: 36; Linke/Nussbaumer/Portmann 1996: 199f.), werden wohl selten alle Argumentationsschritte explizit erwähnt. Viel eher verhält es sich so, dass so wenig argumentiert wird wie möglich, aber so viel wie nötig. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird die Konklusion der jeweils vorangegangenen Argumentation nicht als Argument für die nächstfolgende Argumentation wiederholt, sondern mit dieser direkt verkettet:

Zudem bleiben Schlussregeln in der Enthymemargumentation oft implizit und müssen ausgehen von der Semantik der expliziten Äusserungen und vom Kontext (Weltwissen, kommunikative Situation) rekonstruiert werden (vgl. Kienpointer 1992: 31–43). Wird eine Aussage nicht bestritten, so wird sie auch kaum gestützt. Dies dürfte vor allem bei den alltagslogischen Schlussregeln der Fall sein, die als bekannt vorausgesetzt werden. Daher werden der Topos aus Ursache und Wirkung (SR3) sowie der Topos aus Grund und Folge (SR5) wohl selten expliziert. Ähnlich kann es sich mit den Zielsetzungen verhalten (SR2, SR4), sofern sie nicht Parteiideologien und Partikularinteressen entsprechen, sondern auf gesetzlichen Grundlagen oder gesellschaftlich akzeptierten Normen beruhen.

Anders verhält es sich mit den konventionalisierten und kontextrelevanten Schlussregeln, die zur Stützung einer Argumentation herangezogen oder zu diesem Zweck erst hergeleitet werden. Zudem treten Schlussregeln vor allem dann in den Vordergrund, wenn sie auf unterschiedlichen Ideologien beruhen und der eigentliche Anlass für politische Kontroversen sind.

Die soziale Topik ist daher selten implizit, sondern kommt durch ein spezifisches Vokabular und eine unverkennbare Ikonographie zum Ausdruck. Allerdings sind auch hier Verdichtungen häufig. Denn wie bereits Klein (2000) erwähnt, fällt die Situationsdarstellung oft mit der Situationsbewertung zusammen. Gleiches kann für die Bewertung der Folgen angenommen werden, die mit der Prognose der Folgen direkt zusammenhängt.

Fallweise tritt dann die negative Ausgangslage (K1/A2) eines Handlungsvorsatzes (K2/A3) oder die positive bzw. negative Folge in den Vordergrund. Während die Situationsbewertung die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs nachweist, beurteilt die Folgenabschätzung, ob der diskutierte Handlungsvorsatz richtig, sprich: legitim, effektiv und angemessen ist.

Bei der Lancierung von Volksinitiativen stehen der Handlungsbedarf (K1/A2) und der konkrete Lösungsvorschlag (K2/A3) zunächst im Vordergrund, wobei die Zielsetzung der Abstimmungsvorlage meistens im Interesse des Gemeinwohls formuliert wird (SR2).

Dabei fliessen allerdings immer auch die Ideologien und Interessen der Proponenten mit ein. Diese werden entweder in Wort und Bild hervorgekehrt, um die Zielgruppen zu mobilisieren, oder aber verdeckt, um die Allgemeingültigkeit des Anliegens zu betonen. In diesem Fall können die Opponenten dazu ansetzen, die Weltanschauung oder Partikularinteressen der Proponenten zu "entlarven".

Kommt ein Handlungsvorsatz in Form eines Gesetzesentwurfs zur Abstimmung, konzentriert sich die Argumentation auf die letzte Sequenz (vgl. Longchamp 2005: 202f.).

Demnach soll eine Vorlage angenommen werden, wenn sie voraussichtlich nützt (Pro-Argumentation), oder abgelehnt werden, wenn sie voraussichtlich schadet (Contra-Argumentation) (SR5). Dies entspricht erneut dem pragmatischen Argument, wie es von Perelman und Olbrechts-Tyteca (2004: 375ff.) formuliert und von Kienpointer (1992: 354) auf die Struktur eines Enthymems verdichtet wurde.

Je nach Verlauf der Debatte ist zu erwarten, dass nicht alle, sondern nur einzelne Konstituenten dieser pragmatischen Argumentation in Erscheinung treten.

 

1.2 Exkurs: Rhetorik, Schema- und Framing-Theorie

Wie bereits Klein erwähnt (2000: 625) gibt es Parallelen zwischen den rhetorischen Argumentationsschemata und der Schema-Theorie, wie sie u.a. von Bateson (1972) und Rumelhart (1980) begründet wurde (vgl. Bonfadelli 1999: 121ff.; 2002: 143ff.; vgl. auch Linke/ Nussbaumer/Portmann 1996: 235ff.). Tatsächlich zeigen sich zwischen der Schema- bzw. Framing-Theorie und der Rhetorik zahlreiche Schnittstellen. Z.B. hat Gamson (1996) festgestellt, dass Personen in Fokusgruppen dazu neigen, in politischen Diskussionen persönliche Erfahrungen, Gemeinplätze und Medieninformationen zur Begründung ihrer Argumente heranzuziehen, was unter rhetorischer Perspektive als soziale Topik, loci communes und induktive Beispielargumentation zu betrachten wäre. Zahlreiche rhetorische Schlussregeln finden sich auch in den Argumenten der Fokusgruppen von Just et al. (1996), auch wenn sie nicht als solche benannt werden. Und wie Klein (2000: 633) können auch Just et al. (1996: 145f.) eine enge Verbindung kognitiver und affektiver Anteile in der Argumentation erkennen. Zudem stellen sie wie schon Kienpointer (1992: 30ff.) fest, dass die Frames bzw. Topoi oft implizit sind (Just/Crigler/Neumann 1996: 144). Kienpointer (1992: 148ff.) wiederum verweist im Zusammenhang der Semantik und Topik auf die Rahmenanalyse von Erving Goffmann (1977) und seinen Ansatz der Deutungsmuster, die derzeit in der Kommunikations- und Medienwissenschaft prominent diskutiert wird. Denn kognitive Muster, Erfahrungswerte, kulturelle Werte und soziale Normen dienen zur Orientierung, indem sie Sachverhalte, Situationen und Prozesse vor dem Hintergrund bestehender Deutungsmuster verstehen helfen. Deutungsmuster bzw. Schemata helfen demnach, Unbekanntes an Vertrautes anzubinden. Umgekehrt können Deutungsmuster aufgrund von Erfahrungen verändert und erweitert werden. Schliesslich lassen sich Einzelphänomene vor dem Hintergrund von Deutungsmustern einordnen und interpretieren. Damit nehmen Schemata drei Hauptfunktionen wahr: eine Entlastungsfunktion, eine Strukturierungsfunktion und eine Ergänzungsfunktion (vgl. Matthes 2004: 547). Im Kontext der Argumentationslehre kann die Schema-Theorie somit erklären, weshalb komplexe Argumentationen auch in komprimierter und reduzierter Form verstanden werden. Denn sie werden vor dem Hintergrund vertrauter Deutungsmuster erkannt und in Zusammenhang gesetzt. Deutungsmuster können aber auch erklären, weshalb sich Erfahrungswerte als Einstellungen und Meinungen festsetzen und mitunter als Vorurteile die weitere Wahrnehmung prägen (vgl. Peter 2002; Iyengar 1996: 64ff.). Schliesslich liefern die Deutungsmuster auch eine Erklärung für wiederkehrende Topoi in der öffentlichen Kommunikation, wie sie in der Framing-Forschung untersucht werden. Hervorzuheben ist insbesondere der Aufsatz von Entman (1993), der den Framing-Ansatz für die Kommunikationswissenschaft erschlossen hat. Wie auch Klein (2000) formuliert Entman ein topisches Muster, das er in der öffentlichen Kommunikation als typisch zu erkennen glaubt. Demnach folgt die Strukturierung bzw. Rahmung folgendem Verfahren:

"Framing essentially involves selection and salience. To frame is to select some aspects of a perceived reality and make them more salient in a communicating text, in such a way as to promote a particular problem definition, causal interpretation, moral evaluation, and/or treatment recommendation for the item described." (Entman 1993: 52)

Die Parallelen zwischen der Frame-Definition von Entman (ebd.) und dem pragmatischen Argument von Perelman und Olbrechts-Tyteca (2004: 375ff.) ist dabei unschwer zu erkennen, vor allem wenn man sie mit dem komplexen topischen Muster bei Klein (2000) vergleicht. Allerdings hat auch Entman nicht alle Topoi explizit benannt, wenn man der zuvor vorgenommenen enthymematischen Entfaltung der pragmatischen Argumentation folgt. Dafür hat er ein weiteres Enthymem hinzugefügt, indem er auch die kausale Herleitung der Situation bestimmt. Entsprechend wäre unserer enthymematischen Struktur noch die Begründung, wie es zu der aktuellen Situation kommen konnte, hinzuzufügen. Da die politische Deliberation jedoch vorwiegend auf Zukünftiges gerichtet ist, und Vergangenes nur dann herangezogen wird, wenn es der Erklärung des weiteren Verlaufs dient (vgl. Aristoteles Rhetorik III.16.11), wird hier die Ursachenbestimmung vernachlässigt. In der Sachpolitik kommt die Ursachenbestimmung ohnehin nicht mehr in der Abstimmungskommunikation zur Sprache, sondern wurde schon vorgängig geklärt. Vor Wahlen jedoch und in repräsentativen Demokratien ohne direkt-demokratische Elemente kann die Ursachenbestimmung sehr wohl eine prominente Rolle spielen, denn sollte es gelingen, Probleme auf die Fehlpolitik des politischen Gegners zurückzuführen, wird das für Wahlen unmittelbar entscheidungsrelevant.

Angesichts der Parallelen zwischen Schema- bzw. Framing-Theorie und der Rhetorik stellt sich die Frage nach der theoretischen und methodischen Gewichtung. Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass die kognitionswissenschaftliche Forschung die Vorgänge der Bildung, Verknüpfung und Erkennung von Deutungsmustern weit besser erklären kann als die Rhetorik, die gewissermassen diese Deutungsmuster als gegeben betrachtet und in der Heuristik und Hermeneutik zur Anwendung bringt. Demgegenüber stellt die Rhetorik ein sehr viel differenzierteres Analyse-Instrumentarium bereit, als es die bisherige Framing-Forschung hervorgebracht hat. Deshalb könnte die Rhetorik zur Fundierung der Framing-Theorie beitragen. Tatsächlich wird in der Framing-Forschung gelegentlich mit rhetorischen Ansätzen gearbeitet, wobei die Rhetorik allerdings oft zur Stillehre reduziert (vgl. Kosicki/Pan 1993: 62f.) oder nur äusserst bruchstückhaft zur Anwendung gebracht wird (vgl. Andsager 2000: 580ff.; für eine Kritik an der fragmentarischen Rezeption der Rhetorik vgl. Kopperschmidt im Vorwort der übersetzten "nouvelle rhétorique" von Perelman und Olbrechts-Tyteca 2004; auch Ueding 2005: 5ff.). Und die Bildanalyse des visuellen Framing-Ansatzes bewegt sich noch in theoretischen Vorüberlegungen (vgl. Scheufele B. 1999, 2001). Einigen viel versprechenden Forschungsprojekten könnte es aber in absehbarer Zeit gelingen, die kognitiven Schemata mit ihren sprachlichen und visuellen Manifestationen schlüssig zu verbinden (vgl. Scheufele D. 1999; Matthes 2004). Wenn es jedoch um die Beschreibung sprachlicher oder visueller Phänomene geht, ist regelmässig eine Verwendung der rhetorischen Terminologie zu beobachten. Auch scheint die Framing-Theorie mit ähnlichen Fragen beschäftigt wie die Rhetorik, etwa in Bezug auf die Frage, wie konkret oder abstrakt Frames bzw. Topoi sind und welche Vor- bzw. Nachteile sich daraus für die Analyse ergeben (vgl. Scheufele B. 1999: 97; auch Leonarz 2004: 179f.). Die Analyse-Kategorien, die aus der bisherigen Framing-Forschung hervorgegangen sind wie "Trivialisierung", "Polarisierung" und "Marginalisierung", sind aber noch relativ unbestimmt (zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Stand der aktuellen Framing-Forschung vgl. Leonarz 2004). Demgegenüber könnte sich die Rhetorik als inhaltsanalytischer Zugang erweisen, um die sprachlichen und visuellen Manifestationen von Frames bzw. Topoi sowohl deduktiv zu erfassen als auch induktiv herzuleiten. Die Framing-Theorie, die in vielerlei Hinsicht eine Wiederbelebung der Rhetorik ist, könnte ihrerseits von der klassischen Texthermeneutik eine entscheidende Erweiterung und Fundierung erfahren. Das wäre auch ganz im Sinne Entmans, der in seinem programmatischen Aufsatz für die Verbindung unterschiedlicher Disziplinen plädiert (vgl. Entman 1993: 51).

 

2 Zur Argumentation des Abstimmungsplakats

Bevor eine Argumentationsanalyse bis in die einzelnen Argumentationssequenzen auf der Mikro-Ebene stattfinden kann, ist das Korpus zunächst auf einer Makro-Ebene zu situieren. Kopperschmidt (1989: 177f.) nimmt zur Kategorisierung der Argumentation diverse Unterscheidungen vor wie öffentlich/privat und verbal/visuell. Kienpointer (1992: 241) schlägt eine Systematik vor, wonach die Argumentationsschemata danach eingeordnet werden, ob sie deskriptiv oder normativ, pro oder contra, real oder fiktiv sind. Demnach lässt sich die Abstimmungskommunikation nach folgenden Kriterien beschreiben:

Das Korpus der Abstimmungsplakate, das hier analysiert werden soll, ist öffentlichen, normativ und fiktiv: Öffentlich ist das Abstimmungsplakat, weil es sich an ein disperses Publikum richtet und als Massenmedium der öffentlichen, einseitigen und medienvermittelten Kommunikation dient, um das Stimmvolk von seiner Position zu überzeugen und zur Teilnahme an der Abstimmung zu mobilisieren (vgl. Arnold 2005: 10; Arnold 2007b: 8, 10). Normativ ist die Argumentation des Abstimmungsplakats, weil es nicht formallogisch den Wahrheitsgehalt einer Proposition überprüft, sondern vor dem Hintergrund von Normen und im Hinblick auf prognostizierte Folgen die Richtigkeit eines Handlungsvorsatzes beurteilt. Vorwiegend fiktiv ist die Argumentation des Abstimmungsplakats, weil sie den erwarteten Nutzen oder Schaden eines politischen Entscheids erwägt und somit die fiktiven Folgen einer fiktiven Handlung darlegt. Bleibt jeweils noch zu unterscheiden, ob das Abstimmungsplakat eine Pro- oder Contra-Argumentation führt und ob diese im Text oder im Bild zur Darstellung gelangt. Die Beurteilung, ob es sich um ein Pro- oder Contra-Plakat handelt, ist einfach, denn in 96.2% der Fälle ist die Parole im Text explizit (vgl. Arnold 2005: 71; Arnold 2007a: 23). Auch die Unterscheidung zwischen Textplakaten (allenfalls mit Ornament), Text-Bildplakaten (mit Illustration) und Bildplakaten (mit dem Bild als tragendem Element), fällt im Allgemeinen nicht schwer (vgl. Arnold 2007d: 6ff.; 24). Anspruchsvoller zu beurteilen ist, welche Anteile der Argumentation im Text und im Bild geführt werden (vgl. Arnold 2007d: 24ff.). Während in Textplakaten die Argumentation vollständig sprachlich realisiert ist und daher problemlos nach den Methoden der rhetorischen Texthermeneutik analysiert werden kann, muss die Untersuchung von Bildplakaten zuerst eine funktionale Argumentationsanalyse vornehmen, um die einzelnen Text- und Bildanteile nach ihrer argumentativen Funktion zu bestimmen (vgl. Arnold 2007d: 24ff.; zur funktionalen Argumentationsanalyse vgl. Kopperschmidt 1989: 123ff.). Wie Fallanalysen gezeigt haben, ist auch bei Bildplakaten die Konklusion in Form der Parole sprachlich formuliert, während die Schlussregeln und fallweise auch die Argumente im Bild zu finden sind (vgl. Arnold 2007d: 24ff.; Arnold 2005: 92ff., 100, 108). Die Frage jedoch, welche Argumentationsschemata jeweils im Bild zur Darstellung gelangen, wurde bisher noch nicht hinreichend geklärt. Die folgenden Fallanalysen konzentrieren sich daher vorwiegend auf die Bildplakate und bestimmen vor dem Hintergrund der hier entfalteten pragmatischen Argumentation die jeweils in Erscheinung tretenden Konstituenten.

Aufgrund der Fragestellung, die sich hier auf die Argumentation konzentriert, werden umfangreiche Textplakate ausgeklammert (vgl. Arnold 2007d: 9ff.) und stattdessen jene Textplakate fokussiert, die auf den Kern der Argumentation reduziert sind. Sie entsprechen dem seltenen, von Klein (2000: 624) beschriebenen Spezialfall, wonach die Argumentation mit der Makrostruktur des Textes zusammenfällt. Darüber hinaus werden die Plakate nicht nach ihrem Text- und Bildanteil geordnet, sondern gemäss dem von Ottmers (1996: 91f.) modifizierten Modell Kienpointers (1992: 246) nach alltagslogischen und konventionalisierten Schlussregeln gruppiert. Die Fallbeispiele beginnen mit Plakaten, die eine einfache alltagslogische Argumentation aufweisen, und gehen über zu Plakaten, die sich konventionalisierten Schlussregeln bedienen. Dabei wird jeweils auf die argumentative Funktion von Text und Bild hingewiesen und die enthymematische Sequenz innerhalb der pragmatischen Argumentation verortet.

 

2.1 Alltagslogische Schlussregeln in Abstimmungsplakaten

2.1.1 Kausalschlüsse

2.1.1.1 Kausalschluss: Topos aus Ursache und Wirkung
 

Abstimmungs-Nr. 98

Datum: 17. Feb. 1924

 Abb. 1

Pro-Plakat

Handlungsvorsatz: explizit im Text
("Fabrikgesetzrevision");

Konklusion: explizit in der Parole ("Ja");

Argumente: im Text und im Bild repräsentiert (Produktionssteigerung, Preissturz, Kaufkrafterhöhung, Umsatzsteigerung, Lohnerhöhung), wobei die entsprechenden Bildkomponenten beschriftet sind (zur Etikettierung als Verankerung des Bildes durch den Text vgl. Barthes 1964a: 43f., 1990: 31, 33ff.);

Schlussregel: Der Topos aus Ursache und Wirkung wird im Bild als mechanisches Räderwerk dargestellt; damit werden die wirtschaftlichen Folgen einer Arbeitszeitverlängerung als quasi naturgesetzliche Wirkung interpretiert.

 

Grafik: Gebr. Fretz AG, Zürich

Titel: Bundesgesetz betreffend Abänderung von Art. 41 des Fabrikgesetzes vom 18. Juni 1914 / 27. Juni 1919

Resultat: abgelehnt

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 118

Sammlungen: MfGZ 17-649

Das Räderwerk stellt zwischen der Arbeitszeitverlängerung und den davon erhofften wirtschaftlichen Folgen eine quasi naturgesetzliche Beziehung aus Ursache und Wirkung her.

 

2.1.1.2 Kausalschluss: Topos aus Grund und Folge
 

Abstimmungs-Nr. 194

Datum: 4. Dez. 1960

 Abb. 2

Contra-Plakat

Handlungsvorsatz: explizit im Text
("Milchbeschluss");

Konklusion: explizit in der Parole ("NEIN");

Argumente: explizit im Text ("Preisdruck", "Lohndruck", "Landflucht"); die Folgen der Landflucht sind auch im Bild dargestellt;

Schlussregel: Der Topos aus Grund und Folge geht aus den Argumenten im Text und aus dem Bild hervor, das die Folgen als Schreckensvision vorwegnimmt; durch das Bild erfahren die prognostizierten Folgen eine negative Bewertung.

Im Gegensatz zum vorangehenden Plakat (Abb. 1) wird die kausale Beziehung nicht als quasi naturgesetzliche dargestellt, sondern die Landflucht als soziales Verhalten benannt; statt Ursache und Wirkung liegt hier der Topos aus Grund und Folge vor (vgl. das Modell bei Kienpointer 1992: 344).

 

Grafik: Jürg Spahr (Frey Wiederkehr AG, Zürich)

Titel: Bundesbeschluss betr. die Änderung des Bundesbeschlusses über zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft

Resultat: angenommen

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 88

Sammlungen: MfGZ 13-556; SfG 915; SNB o.S.

Die prognostizierten Folgen des Handlungsvorsatzes (Milchbeschluss) werden negativ bewertet, weshalb die Vorlage zur Ablehnung empfohlen wird.

 

Abstimmungs-Nr. 174

Datum: 13. März 1955

 Abb. 3

Pro-Plakat

Handlungsvorsatz: implizit im Bild und Text ("Volksbegehren");

Konklusion: explizit in der Parole ("ja");

Argumente: im Bild und im Appell repräsentiert
("Stop der Teuerung"; "Stop der Geldentwertung");

Schlussregel: Der Topos aus Grund und Folge wird im Bild dargestellt, in dem die (öffentliche) Hand den fallenden Franken auffängt;

die "öffentliche Hand" und der "fallende Franken" sind Metaphern, die in der visuellen Darstellung eine Rückführung auf ihre wörtliche Bedeutung erfahren; Bonsiepe redet in diesem Zusammenhang von einer "Remetapher" (1966: 37ff.).

Eine positive Bewertung erfährt die Vorlage durch die Bezeichnung "Volksbegehren", wodurch ausgedrückt werden soll, dass die Vorlage dem Willen des Volkes entspricht.

 

Grafik: Gottfried Honegger-Lavater
(Bollmann AG, Zürich)

Titel: Bundesbeschluss über die Volksinitiative 'zum Schutz der Mieter und Konsumenten (Weiterführung der Preiskontrolle)

Resultat: abgelehnt

Quellen: n.n.

Sammlungen: MfGZ 13-373; SfG 29465; SNB o.S.

Die öffentliche Hand soll eingreifen, um den Wertezerfall des Frankens zu stoppen. Werteverlust und Intervention werden simultan gezeigt. Das Bild weist damit ebenso auf den gegenwärtigen Missstand wie auf die künftige Schadensbegrenzung hin..

 

2.1.2 Vergleichsschluss

2.1.2.1 Vergleichsschluss: Topos aus der Gleichheit

nicht eidg. (BS)

Datum: 1946

 Abb. 4

Pro-Plakat

Handlungsvorsatz: explizit im Text
("Frauenstimmrecht");

Konklusion: explizit in der Parole ("ja");

Argumente: explizit im Text
("Gleiche Pflichten"; "gleiche Rechte");

Schlussregel: Der Topos aus der Gleichheit (auch "Gerechtigkeitstopos" genannt) ist im Text explizit: Wer gleiche Pflichten hat, soll auch gleiche Rechte haben. Der Zustand, dass Frauen die gleichen Pflichten haben wie Männer, wird als Ausgangssituation beschrieben, um über den Topos aus der Gleichheit den Handlungsvorsatz zu legitimieren, auch den Frauen die politischen Rechte zu geben. Über den Topos der Gleichheit soll damit gleichzeitig der neue Topos der Gleichberechtigung von Mann und Frau etabliert werden; dabei nimmt das Bild die Vision der modernen Frau vorweg und zeigt ihre Präsenz in der Gegenwart.

 

Grafik: Hermann Eidenbenz (CoopI, Genève)

Titel: Frauenstimmrecht

Resultat: abgelehnt

Quellen: Stirnimann/Thalmann 2001:87 (Variante)

Sammlungen: MfGZ 68-0799

Die aktuelle Situation – Männer und Frauen haben die gleichen Pflichten – wird als Argument eingesetzt, um über den Topos der Gleichheit auch die gleichen Rechte einzufordern.

 

2.1.2.2 Vergleichsschluss: Topos aus der Verschiedenheit

Abstimmungs-Nr. 191

Datum: 1. Feb. 1959

 Abb. 5

Contra-Plakat

Handlungsvorsatz: explizit im Text
("Politisches Frauenstimmrecht");

Konklusion: explizit in der Parole ("NEIN");

Argumente: explizit im Text
("(…) Beides schadet guter Frauenart!");

Schlussregel: Topos aus der Verschiedenheit; Frauen sind von unmündigen Kindern verschieden und gehören daher nicht ins Laufgitter; genauso sind Frauen von Männern verschieden und gehören daher nicht in die Politik.

Mit Kopperschmidt (1989: 192) kann man hier vom Topos aus der Absurdität sprechen. Demnach wäre es genauso widersinnig, den Frauen das Stimmrecht zu geben, wie sie ins Laufgitter zu stecken. Der Anspruch auf das Frauenstimmrecht wird somit als absurd zurückgewiesen.

 

Grafik: Walu & Grunauer, Basel

Titel: Bundesbeschluss über die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts in eidgenössischen Angelegenheiten

Resultat: abgelehnt

Quellen: n.n.

Sammlungen: MfGZ 13-457; SfG 1329

Der Handlungsvorsatz – die Einführung des Frauenstimmrechts – wird als unvereinbar mit der herrschenden Gesellschaftsordnung gesehen und daher als absurd zurückgewiesen.

 

2.1.3 Gegensatzschluss

Abstimmungs-Nr. 98

Datum: 17. Feb. 1924

 Abb. 6

Contra-Plakat

Handlungsvorsatz: explizit im Text
("REVISION DES FABRIKGESETZES");

Konklusion: explizit in der Parole ("NEIN");

Argumente: explizit im Text
("GERECHTIGKEIT"; "SOZIALEN FRIEDEN");

Schlussregel: Der Topos aus dem Gegensatz (auch "Topos aus der Widerspruchslosigkeit" genannt) ist explizit im Text; wer für Gerechtigkeit und sozialen Frieden eintritt, kann nicht gleichzeitig für die Revision des Fabrikgesetzes sein, da ihre Annahme die Gerechtigkeit hintertreiben und den sozialen Frieden stören würde.

 

Grafik: Robert Stöcklin
(Emil Birkhäuser & Cie, Basel)

Titel: Bundesgesetz betreffend Abänderung von Art. 41 des Fabrikgesetzes vom 18. Juni 1914 / 27. Juni 1919

Resultat: abgelehnt

Quellen: Stirnimann/Thalmann 2001: 103

Sammlungen: MfGZ 20-908; SfG 4202

Die Folgen der Fabrikgesetz-Revision werden im Widerspruch zur geltenden Norm der Gerechtigkeit und des sozialen Friedens gesehen, weshalb die Vorlage zur Ablehnung empfohlen wird.

 

2.1.4 Einordnungsschluss

2.1.4.1 Einordnungsschluss: Topos aus den Teilen und dem Ganzen

Abstimmungs-Nr. 242

Datum: 20. Okt. 1974

 Abb. 7

Contra-Plakat

Handlungsvorsatz: explizit im Text
("Überfremdungsinitiative 3");

Konklusion: explizit in der Parole ("NEIN");

Argumente: implizit im Bild (Gastarbeiter sind Teil der Gesellschaft) und explizit im Text
("Wenn die Pyramide fällt, fällst auch Du! ");

Schlussregel: Topos aus den Teilen und dem Ganzen im Bild; der Gastarbeiter wird als Teil der Schweizer Bevölkerung dargestellt (bezeichnenderweise steht er in dieser "Gesellschaftspyramide" ganz unten); und als Teil des Ganzen kann der Gastarbeiter nicht weg brechen, ohne die ganze Gesellschaft in Mitleidenschaft zu ziehen; daher ist der Topos aus den Teilen und dem Ganzen mit dem Topos aus Ursache und Wirkung verbunden, der sich implizit im Bild und explizit im Text ausmachen lässt;

Die Figuren sind übrigens nicht ohne Beschriftung (Text bzw. Kreuz) verständlich (zur Verankerung der Bildbotschaft durch den Text vgl. Barthes 1964a: 43f., 1990: 31, 33ff.);

Grafik: Edgar Küng (Gebr. Fretz AG, Zürich)

Titel: Volksinitiative gegen die Überfremdung und Übervölkerung der Schweiz

Resultat: abgelehnt

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 127

Sammlungen: MfGZ 21-917; SfG 15959;
SNB P 1983

Der Gastarbeiter wird positiv als Teil der Schweizer Bevölkerung dargestellt (Topos aus den Teilen und dem Ganzen), so dass ein Wegbrechen dieses Bevölkerungsteils die Gesellschaft ins Wanken bringen würde (Topos aus Ursache und Wirkung).

 

Veranstaltungsplakat

Datum: 1950

 Abb. 8

Pro-Plakat (Veranstaltungsplakat)

Handlungsvorsatz: explizit im Text
("Stimm- und Wahlrecht" der Frauen);

Konklusion: explizit in der Handlungsaufforderung ("Schweizerfrauen, verlangt eure politischen Rechte/ Schweizermänner, gebt den Frauen das Stimm- und Wahlrecht"); der Appell bezieht sich hier noch nicht auf eine Stimmempfehlung, sondern erst auf den Handlungsvorsatz;

Argument: im Bild und explizit im Text
("In ganz Europa haben die Frauen das Wahlrecht, nur nicht in der Schweiz");

Schlussregel: Einordnungstopos im Text und Bild: "Was die Gesamtheit (Mehrheit) tut, das sollte man selbst auch tun.“ (vgl. Anhang Topos 36).

 

Grafik: Kümmerly & Frey, Bern

 

Quellen: n.n.

Sammlungen: MfGZ 35-242

Was ganz Europa getan hat, das sollte die Schweiz auch tun (Topos aus den Teilen und dem Ganzen), nämlich den Frauen das Stimm- und Wahlrecht geben.

Die Europa-Karte mit der ausgesparten Schweiz ist übrigens ein Motiv, das auch in der politischen Debatte zum EWR- und EU-Beitritt kursierte. Der "Sonderfall Schweiz" mit seinen Mythen der Unabhängigkeit und Neutralität scheint also gegenüber dem Topos "was andere tun, sollte man auch tun" recht widerständig zu sein.

 

2.1.4.2 Einordnungsschluss: Topos aus der Spezies und der Gattung

Abstimmungs-Nr. 455

Datum: 13. Juni 1999

 Abb. 9

Pro-Plakat (zur Unterstützung der Initiative)

Handlungsvorsatz: explizit im Text
("Asylrechtsmissbrauch-Initiative");

Konklusion: explizit im Appell ("STOP dem Asyl-Missbrauch"); die Handlungsaufforderung bezieht sich hier noch nicht auf die Abstimmung, sondern erst auf den Handlungsvorsatz (Unterzeichnung der Initiative);

Argument: explizit durch das Schlagwort "Asyl-Missbrauch" im Text und implizit im Bild; die dargestellte Figur wird mit den Attributen eines Kriminellen ausgestattet und mit dem Asylrecht in Verbindung gebracht (vgl. die Konnotationen auf der ikonographischen Ebene bei Eco 1972: 272; Bonfadelli 2002: 167f.; Arnold 2007c: 19);

Schlussregel: Topos aus der Spezies und der Gattung im Bild; eine dargestellte Person steht nicht nur für sich selbst, sondern prototypisch auch für ihre Gruppe (vgl. Eco 1972: 273f.); die Figur mit den Attributen eines Kriminellen wird somit zum Repräsentanten für Asylsuchende allgemein, weshalb dieses Plakat in der Öffentlichkeit für Kontroversen gesorgt hat (vgl. Nigg 1999: 242; Stirnimann/ Thalmann 2001: 162).

 

Grafik: Hans-Rudolf Abächerli
(Wolfensberger AG)

Titel: Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen im Asyl- und Ausländerbereich (BMA)

Resultat: angenommen

Quellen: Stirnimann/Thalmann 2001: 163;
Nigg 1999: 242

Sammlungen: MfGZ 14-0216

Die Situationsdarstellung geht mit einer starken Situationsbewertung einher: Ein Ausländer zerreist die Schweizer Flagge und verschafft sich damit (metaphorisch) gewaltsam Zutritt in die Schweiz. Darüber hinaus verraten seine Attribute kriminelle Absichten. Durch den Topos aus der Spezies und der Gattung findet eine Verallgemeinerung statt und die negativen Konnotationen der Figur werden auf die gesellschaftliche Gruppe der Asylsuchenden übertragen.

 

2.1.5 Induktive Beispielargumentation

Abstimmungs-Nr. 156

Datum: 15. April 1951

 Abb. 10

Pro-Plakat

Handlungsvorsatz: explizit im Text
("Kaufkraftinitiative");

Konklusion: explizit in der Parole ("ja"); die Konklusion ist auch enthalten in der Aussage:
"Der Franken immer gleich kaufkräftig"

Beispiele: explizit im Text und im Bild, wobei die Graphiken eigentlich redundant sind, da sie die Substantive im Text visuell verdoppeln (vgl. Barthes 1964a: 43), aber die Verben nicht ersetzen können. Gemäss den Beispielen ist…

"Der Meter immer gleich lang"
"Das Kilo immer gleich schwer"

Ausgehend von diesen Beispielen wird induktiv eine Schlussregel etabliert, um den Schluss zu ziehen: "Der Franken immer gleich kaufkräftig".

Schlussregel: Die induktiv hergeleitete Schlussregel lautet, dass die Währung des Frankens genau so konstant sein soll, wie die Meter- und Kilo-Masse (gleichzeitig wird damit auch die Zuständigkeit des Staates als Instanz für die "Eichung" angesprochen);

Grafik: Sigg Söhne, Winterthur

Titel: Bundesbeschluss über die Volksinitiative 'zur Sicherstellung der Kaufkraft und Vollbeschäftigung (Freigeldinitiative)'

Resultat: abgelehnt

Quellen: n.n.

Sammlungen: MfGZ 12-995; SfG 29491; SNB o.S.
Sozarch_F_Pe-0356;

Durch die induktive Beispielargumentation wird der Wert des Frankes als konstante Grösse dargestellt wie das konstante Meter- und Kilo-Mass. Diese "Selbstverständlichkeit" wird zur Norm erhoben, um den Handlungsvorsatz der Initiative zu legitimieren. Die Bezeichnung "Kaufkraftinitiative" ist übrigens positiv besetzt, weshalb sich die Initianten im Kleingedruckten beklagen, dass sie vom Bundesrat in "Freigeldinitiative" umgetauft wurde.

 

2.1.6 Die Fotografie als Indizienargumentation

Abstimmungs-Nr. 117

Datum: 28. Mai 1933

 Abb. 11

Contra-Plakat

Handlungsvorsatz: explizit im Text
("LOHNABBAU"); der Begriff ist negativ bewertet;

Konklusion: explizit in der Parole ("NEIN");

Argument: implizit im Bild;

Schlussregel: implizit im Bild; die Fotografie besitzt Evidenz-Charakter, indem eine soziale Realität dargestellt wird (Kinder müssen versorgt werden), die ohnehin schon prekär ist und mit dem Handlungs-vorsatz ("LOHNABBAU") noch schwieriger zu bewältigen wäre; die Zielsetzung der Vorlage steht somit der Norm der Unterhaltssicherung von Familien entgegen. Durch die Vorführung der Kinder im Bild und die direkte Rede ("denkt an uns"), wird die Unausweichlichkeit der sozialen Realität (Familien) und die Unhintergehbarkeit der sozialen Norm (Existenzsicherung) vor Augen geführt, wodurch die Fotografie zum moralischen Appell wird.

In der Fotografie fällt die Situationsdarstellung wie in jedem Bild mit der Situationsbewertung zusammen; allerdings kommt der Fotografie durch das analoge Bildgebungsverfahren ein Beweischarakter zu (vgl. Indizienargumentation; auch Barthes 1964a: 46f.).

Grafik: unbekannt

Titel: Bundesgesetz über die vorübergehende Herabsetzung der Besoldungen, Gehälter und Löhne der im Dienste des Bundes stehenden Personen

Resultat: abgelehnt

Quellen: n.n.

Sammlungen: MfGZ 21-948

Die Sicherung des Familienunterhalts wird als gesellschaftliche Norm vorausgesetzt und die Gefährdung dieser Norm durch das Bundesgesetz kritisiert. Die Empfehlung zur Ablehnung der Vorlage beinhaltet damit gleichzeitig einen moralischen Appell.

 

Abstimmungs-Nr. 231

Datum: 24. Sept. 1972

 Abb. 12

Pro-Plakat

Handlungsvorsatz: explizit im Text
("Waffenausfuhrverbot");

Konklusion: explizit im Text ("JA");

Argument: explizit im Text
("Gegen das Geschäft mit dem Tod.");

Schlussregel: Die Fotografie führt das Kriegs-elend in Vietnam beispielhaft als eine Folge der Waffenausfuhr vor Augen und besitzt Evidenz- und Indiz-Charakter; zusammen mit der Handlungsaufforderung im Text ("Gegen das Geschäft mit dem Tod.") wird das Bild zu einem starken, moralischen Appell.

Grafik: Fritz Marti AG, Ostermundigen

Titel: Eidgenössische Volksinitiative 'für eine vermehrte Rüstungskontrolle und ein Waffenausfuhrverbot'

Resultat: abgelehnt

Quellen: n.n.

Sammlungen: MfGZ 24-431; SfG 7709;
SNB P 1209

Das nachvollziehbare Leid – personalisiert durch die verzweifelte Mutter mit ihrem Kind – bewirkt die negative Situationsbewertung. Der Text weist darüber hinaus auf die gesellschaftliche Norm hin, dass man mit dem Tod keine Geschäfte machen soll. Während die Fotografie ein Indiz für den Handlungsbedarf darstellt, legitimiert der Slogan den Handlungs-vorsatz, ein Waffenausfuhrverbot zu erlassen.

 

2.2 Konventionalisierte Schlussregeln in Abstimmungsplakaten

2.2.1 Topos aus der Autorität

 Abstimmungs-Nr. 133

Datum: 1. Dez. 1940

 Abb. 13

Contra-Plakat

Handlungsvorsatz: explizit im Text
("Vorunterrichts-Gesetz");

Konklusion: explizit im Text ("NEIN");

Argument: explizit im Text ("Wir wollen nicht die Verstaatlichung des Menschen, sondern die Vermenschlichung des Staates.")

Schlussregel: Bei diesem Argument handelt es sich um ein Zitat von Pestalozzi, der hier als Fachexperte fungiert, um die Gegenposition zu stützen; es handelt sich um den Topos aus der Autorität; demnach kann die Aussage einer Autorität als gültig betrachtet werden und als Argument eine strittige Aussage stützen. Pestalozzi wird hier nicht nur im Text zitiert, sondern auch im Bild porträtiert, was seine Präsenz und Autorität noch zusätzlich verstärkt.

Darüber hinaus befindet sich im Zitat auch der Topos aus dem Gegensatz, da der militärische Vorunterricht zur "Verstaatlichung des Menschen" führen würde, was der "Vermenschlichung des Staates" genau entgegen steht; somit ergibt sich ein Widerspruch zwischen den befürchteten Folgen der Gesetzesvorlage und der von Pestalozzi formulierten Norm.

Grafik: J. Morier (City Druck AG, Zürich)

Titel: Bundesgesetz über die Abänderung der Art. 103 und 104 des Bundesgesetzes vom 12. April 1907 betreffend die Militärorganisation (Einführung des obligatorischen militärischen Vorunterrichts)

Resultat: abgelehnt

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 40

Sammlungen: SNB o.Sign.

 

Abstimmungs-Nr. 83

Datum: 16. Mai 1920

 Abb. 14

Contra-Plakat

Handlungsvorsatz: explizit im Text
(Beitritt zum "VERSAILLER VÖLKERBUND");

Konklusion: explizit im Appell ("HÜTET EUCH VOR DEM VERSAILLER VÖLKERBUND") von Wilhelm Tell in direkter Rede; im Bild tritt der Nationalheld als Redner in Erscheinung, weshalb sein Appell auch durch die Körperhaltung zum Ausdruck kommt, genauer: durch die abwehrende Gestik (erhobene Hand) und Mimik (mahnender Gesichtsausdruck); dieses Fallbeispiel ist damit ein selten klarer Nachweis für die Rhetorizität des Abstimmungsplakats;

Argument: implizit;

Schlussregel: Obwohl, oder gerade weil Wilhelm Tell ein Mythos ist (vgl. Barthes 1964b: 130ff.; 1992: 93f.), kann er als Autorität auftreten und als Verkörperung der helvetischen Werte den Völkerbund als Gefährdung derselben ablehnen; neben dem Topos aus der Autorität lässt sich daher auch der Topos aus dem Gegensatz darin erkennen

Grafik: Otto Baumberger (Gebr. Fretz AG, Zürich)

Titel: Bundesbeschluss betreffend den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund

Resultat: angenommen

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 34

Sammlungen: MfGZ 50-82; SfG 7123; SNB o.S.

Der Versailler Völkerbund wird als unvereinbar mit den helvetischen Werten von Freiheit und Unabhängigkeit gesehen (Topos aus dem Gegensatz), die von Wilhelm Tell als Nationalheld (Topos aus der Autorität) und Mythos verkörpert werden.

 

Abstimmungs-Nr. 140

Datum: 10. Feb. 1946

 Abb. 15

Contra-Plakat

Handlungsvorsatz: umschrieben im Text
("Zug- und Transportmittel" sowie "Art. 23ter");

Konklusion: explizit im Text ("Nein");

Argument: explizit im Text: "Schon unsere Väter liessen sich die Freiheit nicht einschränken (…)"; das Bild hat illustrativen Charakter (vgl. Text-Bildplakat bei Kamps 1999: 55);

Schlussregel: implizit liegt hier der Topos aus der Autorität zugrunde: Was unsere Väter nicht taten, das sollten wir auch nicht tun, nämlich sich die Freiheit einschränken lassen, "das eigene Zug- und Transportmittel zu brauchen". Als illustratives Beispiel wird eine Episode der Legende von Arnold von Melchthal angeführt:
"In der Geburtsstunde unserer Freiheit sagten die Knechte des Vogtes auf dem Landenberg zu Arnold von Melchthal: Wenn der Bauer Brot essen will, soll er den Pflug selber ziehen!" Bekanntlich hat sich Melchthal zur Wehr gesetzt, weshalb durch sein beispielhaftes Verhalten auch ein Analogieschluss vorliegt.

Grafik: Paul Wahnlich

Titel: Bundesbeschluss über das Volksbegehren betreffend eine Gütertransportordnung (Gegenentwurf)

Resultat: abgelehnt

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 95

Sammlungen: MfGZ 26-211; SNB o.S.

Die Vorväter werden als Autoritäten betrachtet und zur Stützung der Gegenposition zitiert (Topos aus der Autorität). Denn so, wie sich Arnold von Melchthal nicht seiner Zugtiere berauben liess, sollen sich auch die Schweizer Bürger nicht die Freiheit auf die Benützung ihrer Zug- und Transportmittel einschränken lassen (Analogieschluss).

 

2.2.2 Analogieschluss

Abstimmungs-Nr. 184 

Datum: 26. Jan. 1958

 Abb. 16

Contra-Plakat

Handlungsvorsatz: explizit im Text
("Kartell-Verbot");

Konklusion: explizit im Text ("NEIN");

Argument: explizit im Text und im Bild
(weil ein Kartell-Verbot ein "Schlag in die Wirtschaft" wäre);

Schlussregel: Das Kartellverbot wird metaphorisch als "Schlag in die Wirtschaft" dargestellt, wobei der Schlag mit einem Hammer visualisiert wird (zur Verankerung der Bildbotschaft durch Beschriftung vgl. Barthes 1964a: 43f.; 1990: 31, 33ff.). Die Schweizer Wirtschaft wird metaphorisch als Räderwerk dargestellt, das nach einem Hammerschlag nicht mehr funktionieren würde. Die negativen Konnotationen des Hammerschlags werden durch die Vergleichsebene der Metapher ((tertium comparationis) auf das damit Bezeichnete übertragen (vgl. Spillner 1982: 97; 99f.). Es liegt also ein Analogieschluss vor, wonach das Kartell-Verbot ebenso destruktiv wäre wie ein Hammerschlag in ein Räderwerk.

Grafik: Wolfsberg, Zürich

Titel: Eidg. Volksinitiative 'gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht'

Resultat: abgelehnt

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 77

Sammlungen: MfGZ 13-608; SfG 8059

Die Folgen eines Kartellverbots wären für die Wirtschaft so verheerend wie ein Hammerschlag in ein Räderwerk (Analogieschluss). Daher ist die Vorlage abzulehnen.

 

Abstimmungs-Nr. 168

Datum: 6. Dez. 1953

 Abb. 177

Contra-Plakat

Handlungsvorsatz: explizit im Text ("Steuervorlage");

Konklusion: explizit im Text ("NEIN");

Argument: explizit im Text und im Bild (weil die Steuervorlage ein "Fass ohne Boden" wäre);

Beschreibung: Das "Fass ohne Boden" ist ein nominativer Phraseologismus, d.h. eine feste Wortfügung, die substantivisch eingesetzt werden kann (vgl. Burger 2003: 37). Die semantische Ebene verweist auf einen Sachverhalt, der "bodenlos" ist, was sowohl im Text als auch im Bild zum Ausdruck kommt (vgl. "Remetapher" bei Bonsiepe 1966: 37f.). Im aktuellen Anwendungsbereich wird das "Fass ohne Boden" auf die Steuervorlage übertragen, die somit dessen Eigenschaften übernimmt: Die Annahme der Vorlage, so die Befürchtung, würde zu immer mehr Steuern führen. Das Bild mit den fallenden Münzen aktiviert zudem auch die semantischen Felder "Geld aus dem Fenster werfen" oder "Geld verschwenden".

Schlussregel: Das "Fass ohne Boden" geht mit negativen Konnotation einher. Diese werden über die Vergleichsebene der Metapher (tertium comparationis) auf die Steuervorlage übertragen, weshalb ein Analogieschluss vorliegt.

Grafik: Peter Birkhäuser (Wassermann AG, BS)

Titel: Bundesbeschluss über die verfassungsmässige Neuordnung des Finanzhaushaltes des Bundes

Resultat: abgelehnt

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 66

Sammlungen: MfGZ 51-532; SfG 9915;
SNB o.S.

Die Steuervorlage wäre für die Finanzen des Staatshaushalts so verlustreich wie ein Fass ohne Boden (Analogieschluss). Deshalb ist die Vorlage abzulehnen.

 

Abstimmungs-Nr. 134

Datum: 9. März 1941

 Abb. 1818

Contra-Plakat

Handlungsvorsatz: explizit im Text ("Reval-Initiative");

Konklusion: explizit im Text ("Nein");

Argument: explizit im Text und im Bild (weil "das Obst der Volksernährung" zu erhalten ist);

Beschreibung: "am eigenen Ast sägen" ist ein propositionaler Phraseologismus, d.h. eine feste Wortfügung, die satzwertig eingesetzt werden kann (vgl. Burger 2003: 37f.). Diese befindet sich nicht im Text, sondern im Bild (vgl. Bonsiepe 1966: 38f.). Zudem ist die Umsetzung nicht ganz getreu: Gesägt wird nicht am Ast, sondern am Stamm, und der Sägende ist nicht identisch mit demjenigen, der auf dem Ast sitzt (zur Anpassung von Redewendungen im Kontext vgl. Burger 2003: 150ff.). Es handelt sich also nicht um eine Selbstschädigung, sondern um eine Fremdeinwirkung. Demnach können die sägenden Hände den Initianten der "Reval-Initiative" zugeordnet werden, während der Bub auf dem Ast metonymisch für das Volk steht, das mit dem Obst zu versorgen ist.

Schlussregel: Die Argumentation vollzieht sich vom Text (Argument) über das Bild (Analogieschluss) wieder zum Text (Konklusion), wobei Text und Bild über die Konjunktion "also" miteinander verknüpft sind (vgl. Relaisfunktion bei Barthes 1964a: 44f.).

Grafik: Paul Nyffenegger (Gebr. Fretz AG, ZH)

Titel: Eidg. Volksinitiative 'zur Neuordnung des Alkoholwesens'

Resultat: abgelehnt

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 154

Sammlungen: MfGZ 12-969; SNB o.S.

Das Obst ist der Volksernährung zu erhalten. Die Reval-Initiative würde aber in der Konsequenz bedeuten, am eigenen Ast zu sägen (Analogieschluss), weshalb sie abzulehnen ist.

 

Abstimmungs-Nr. 328

Datum: 10. März 1985

 Abb. 1919

Contra-Plakat

Handlungsvorsatz: explizit im Text
("Streichung der Ausbildungsbeiträge");

Konklusion: explizit im Text ("NEIN");

Argument: explizit im Text ("Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen") und im Bild (redundant);

Beschreibung: Das Argument ist ein Sprichwort und gehört zu den propositionalen Phraseologismen (vgl. Burger 2003: 40f.);

Schlussregel: Der Zusammenhang zwischen Argument und Konklusion beruht auf der Analogie, die zwischen dem Sprichwort und den prognostizierten Folgen der Abstimmungsvorlage gezogen werden (zur Funktion von Sprichwörtern und anderen Phraseologismen als quasi-logische Schlussregeln vgl. Permjakov 2000; 45ff.; 137ff.; auch Burger 2003: 101ff., 108ff., 114ff., 120).

Eine Analogie kann zudem in der Anspielung (allusio) des Bildes an den Mythos Daedalus und Ikarus gesehen werden.

Grafik: Klasse Lit. II a Gymnasium Bern-Neufeld, nach Luca Signorelli (Graph. Betriebe Coop, BS)

Titel: Bundesbeschluss über die Ausbildungsbeiträge

Resultat: abgelehnt

Quellen: n.n.

Sammlungen: MfGZ 45-549; SNB P 6219;
Sozarch_F_Pe-0079

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, denn jede Meisterschaft braucht Ausbildung. Die Streichung der Ausbildungsbeiträge würde aber bedeuten, dass die Meister vom Himmel fallen müssten – oder anders gesagt: die Auszubildenden fallen gelassen würden. Daher ist die Vorlage abzulehnen.

 

Abstimmungs-Nr. 161

Datum: 18. Mai. 1952

 Abb. 20 20

Contra-Plakat

Handlungsvorsatz: explizit im Text ("Vermögensabgabe"); der Begriff ist negativ bewertet;

Konklusion: explizit im Text ("NEIN");

Argument: explizit im Text ("Sand ins Getriebe") und im Bild (redundant; vgl. auch "Remetapher" bei Bonsiepe 1966: 38f.);

Beschreibung: Das geflügelte Wort kann alten Quellen entspringen oder jüngeren Ursprungs sein wie z.B. "Asche aufs Haupt streuen" (biblischen Ursprungs) oder "meh Dräck" (Chris von Rohr). Denn nebst literarischen Vorlagen dienen heute auch Werbeslogans oder Zitate von Prominenten in den Massenmedien als Quelle von geflügelten Worten (vgl. Burger 2003: 46). "Seid Sand im Getriebe der Welt" stammt aus einem Gedicht von Günther Eich (Träume) und wird vom linken Lager und von den neuen sozialen Bewegungen als systemkritisches Diktum verwendet. Auf diesem Plakat von bürgerlicher Seite wird es jedoch von einem Fahnen- zu einem Stigmawort umdefiniert und als "entlarvendes" Gegenargument angeführt.

Schlussregel: Analogieschluss

Grafik: Donald Brun
(Säuberlin & Pfeiffer AG, Vevey)

Titel: Eidgenössische Volksinitiative 'zur Rüstungsfinanzierung und zum Schutz der sozialen Errungenschaften'

Resultat: abgelehnt

Quellen: n.n.

Sammlungen: MfGZ 8-747; SfG 11210;
SNB o.S.

Die Vermögensabgabe ist abzulehnen, denn sie wäre wie Sand im Getriebe der Schweizer Wirtschaft (Analogieschluss). Eine negative Bewertung findet durch die "Entlarvung" der Vorlage als linke Initiative sowie durch die Umbenennung in "Vermögensabgabe" statt. Die Wirtschaft wird hier übrigens schon wie in Abb. 1 und Abb. 16. als Räderwerk dargestellt. t.

 

2.2.3 Topoi aus der Person

Abstimmungs-Nr. 191

Datum: 1. Feb. 1959

 Abb. 21

Pro-Plakat

Handlungsvorsatz: umschrieben im Text ("wir (…) stimmen für unsere Frauen");

Konklusion: explizit im Text ("ja");

Argument: explizit im Text (weil "Basler (…) ritterlich" sind) und im Bild (redundant);

Schlussregel: Dieses Plakat operiert mit dem Topos aus der Person: Den Baslern werden aufgrund ihrer Herkunft ritterliche Eigenschaften zugeschrieben. Dieses Personenlob soll den Stimmbürgern schmeicheln und eine positive Identifikationsmöglichkeit anbieten.

Die Schlussregel schafft eine Verbindung zwischen dem Ethos der Stimmbürger ("ritterliche Eigenschaften") und dem Handlungsvorsatz ("Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts"); denn wer ethisch handelt, tut das Richtige; und wenn ethische Personen den Handlungsvorsatz annehmen sollen, muss er richtig sein. Argumentiert wird hier also nicht mehr über die Sache (loci a re), sondern über die Person (loci a persona). Entsprechend lässt sich die Argumentationsstruktur auch nicht mehr mit dem komplexen topischen Muster des pragmatischen Arguments darstellen.

Grafik: Celestino Piatti (Wassermann AG, Basel)

Titel: Bundesbeschluss über die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts in eidgenössischen Angelegenheiten

Resultat: abgelehnt

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 23;
Stirnimann/Thalmann 2001: 91

Sammlungen: MfGZ 7-963; SfG 9639

Wer ethisch ist (also richtig handelt), nimmt die Vorlage an, denn das ist richtig. Die Richtigkeit des Handlungsvorsatzes wird somit über die Ethik der handelnden Personen begründet.

Im Übrigen lässt sich auch der Topos aus der Autorität im Plakat erkennen, da Celestino Piatti mit seinem unverwechselbaren Stil als Künstlerautorität für die Vorlage eintritt.

 

3 Zusammenfassung

Ausgehend von der klassischen Argumentationslehre und ihren aktuellen Erweiterungen wurde das Enthymem als Grundstruktur der Argumentation angenommen und der komplexen politischen Kommunikation zugrunde gelegt. Theoretische Auseinandersetzungen und empirische Argumentationsanalysen u.a. von Perelman und Olbrechts-Tyteca (2004: 375ff.), Kienpointer (1992: 354), Entman (1993: 52) und Klein (2000) haben gezeigt, dass die pragmatische Argumentation in der politischen Kommunikation komplex ist. Sie besteht – zumindest latent – aus Situationsdarstellung, Situationsbewertung, Handlungsvorsatz, prognostizierten Folgen, Folgenbewertung und Handlungsaufforderung. Diese Argumentenkette wird gefügt durch formale und informelle Normen, Wertesysteme, Partei-Ideologien, Interessen, Zielsetzungen und das Prinzip der Kausalität. Insgesamt lassen sich fünf enthymematische Argumentationssequenzen erkennen, wobei nie alle Konstituenten explizit realisiert werden. Denn es entspricht der Ökonomie der Sprache, so wenig zu argumentieren wie möglich und so viel wie nötig. Aufgrund unserer kognitiven Deutungsmuster bleiben aber auch reduzierte und komprimierte Argumentationsmuster noch verständlich. Denn die latenten Argumentationssequenzen können kognitiv ergänzt werden, selbst wenn die pragmatische Argumentation nur auf eine Sequenz fokussiert ist. Legt man dieses komplexe topische Muster einer Vielzahl von unterschiedlichen Text- und Bildplakaten zugrunde, kann festgestellt werden, dass es sich trotz der Verschiedenheit der Fallbeispiele durchwegs bewährt. Eine Ausnahme bildet lediglich die Argumentation mit den Personen-Topoi, denn hier wird nicht mehr über die Sache (loci a re), sondern über die Person (loci a persona) argumentiert.

Werden alle Plakate nach derselben komplexen Argumentationsstruktur analysiert, lassen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede feststellen. Die Plakate mit dem Topos aus der Kausalität konzentrieren sich auf die Effektivität der Abstimmungsvorlage und fallweise auch auf ihre Bewertung. Die Topoi aus der Gleichheit, der Verschiedenheit oder dem Gegensatz debattieren entweder die Legitimität einer Vorlage oder die Kompatibilität mit den bestehenden Normen. Ähnlich verhält es sich mit den Analogieschlüssen, welche die Konsequenzen einer Vorlage nach der Vereinbarkeit mit den bestehenden Normen bemessen. Variabler ist die Anwendung der Einordnungsschlüsse, die eine Situation beschreiben und bewerten können oder für einen Handlungsvorsatz leitend sind. Eigentümlich ist die Argumentation mit dem fotografischen Bild, das sich in der Situationsdarstellung und -bewertung als eine feste "Legierung" erweist. Denn während die grafischen Plakate in ihrer (einseitigen) Wertung un-mittelbar erkennbar sind, kommt dem Realismus der Fotografie eine höhere Glaubwürdigkeit zu. Die Evidenz wird zum Indiz, weshalb der Fotografie in der alltagslogischen Argumentation ein Beweischarakter zukommt.

 

Lic. phil. Judith Arnold studierte an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel und absolvierte an der Universität Zürich ein Zweitstudium in Medien- und Kommunikationswissenschaft, Germanistik und Informatik.

Der Artikel stützt sich auf die Ergebnisse der Forschungsarbeit: "Eidgenössische Abstimmungsplakate. Quantitative Inhaltsanalyse (1891–1990) und rhetorische Fallstudien"; eingereicht am 31. Juli 2005 am Deutschen Seminar der Universität Zürich. Wörtliche oder sinngemässe Übernahmen sind nur mit Quellenangaben gestattet.

Druckversion: Arnold, Judith (2007e): Rhetorik des Abstimmungsplakats - Zur Argumentation von Text- und Bildplakaten (logos). Zürich, 03.05.2007: http://www.arsrhetorica.ch/Abstimmungsplakate-05.pdf


 

4 Anhang: Topik

Die Übersicht der Argumentationsschemata folgt den Ausführungen bei Ottmers (1996: 86–116), der sich an Kienpointer (1992) orientiert. Dabei werden die Topoi in alltagslogische und in konventionalisierte Schlussregeln (SR) unterteilt.

Zur Topik im Anhang  


 

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