Topos aus der Autorität

Vorväter, Mythen, Denker und Künstler

Judith Arnold, Zürich, den 11.03.2007

 

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Um die eigene Position zu stärken, werden häufig Autoritäten angeführt. Dies lässt sich im politischen Alltag ebenso beobachten, wie in der Wissenschaft, wo das Zitieren u.a. zur Stützung der eigenen Argumentation dient. In der politischen Kommunikation werden Autoritäten ganz unterschiedlicher Provenienz herangezogen, von Vorvätern über Nationalhelden bis hin zu Künstlern. Letztere entfalten ihre Autorität, indem sie sich als Plakatgestalter für oder gegen eine Vorlage einsetzen.

Abstimmungs-Nr. 140  Datum: 10. Feb. 1946  
Analyse: Der Topos aus der Autorität bezieht sich hier auf die "Vorväter":

Argument: "Schon Unsere Väter liessen sich die Freiheit nicht einschränken, das eigene Zug- und Transportmittel zu brauchen".

Schlussregel: Was sich unsere Väter nicht nehmen liessen, sollten wir uns auch nicht nehmen lassen.

Konklusion: Daher ist die Gütertransportordnung abzulehnen ("Art. 23ter Nein").

Hinzu kommt der Analogieschluss: weil die Gütertransportordnung eine Einschränkung im Gebrauch der eigenen Zug- und Transportmittel bedeuten würde.

Der übrige Text wie die rhetorische Frage "Und wir?" ist redundant und dient lediglich der Bestärkung der genannten Argumentation.

Das gilt auch für das Zitat: "Wenn der Bauer Brot essen will, soll er den Pflug selber ziehen!" Hierbei handelt es sich um eine Episode des nationalen Mythos Arnold von Melchthal, die als Beispiel und Bestärkung der traditionellen Werte herangezogen wird.

Grafik: Paul Wahnlich Titel: Bundesbeschluss über das Volksbegehren betreffend eine Gütertransportordnung (Gegenentwurf)

Resultat: abgelehnt

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 95
Sammlungen: MfGZ 26-211; SNB o.S.

 

Abstimmungs-Nr. 83 Datum: 16. Mai. 1920  
Analyse:

Der Schweizer Nationalheld Wilhelm Tell ist ein Beispiel dafür, dass Mythen den Status von Autoritäten annehmen können.

Wilhelm Tell ist eine schillernde Figur und steht einerseits für den Kampf gegen Fremdbestimmung und obrigkeitliche Unterdrückung und andererseits für die schweizerischen Werte Unabhängigkeit und Demokratie.

Auf Abstimmungsplakaten kann Wilhelm Tell daher gleichermassen als patriotischer Verfechter der Schweizerischen Werte auftreten wie als Widerstandskämpfer gegen die herrschenden Machtverhältnisse.

Das erklärt, weshalb er auf Abstimmungsplakaten ebenso von der politisch Rechten wie von der politisch Linken ins Feld geführt wird.

Tell ist also nicht nur ein nationaler Mythos, sondern auch ein Gemeinplatz , der rhetorisch flexibel eingesetzt werden kann.

Grafik: Otto Baumberger (Gebr. Fretz AG, Zürich) Titel: Bundesbeschluss betreffend den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund

Resultat: angenommen

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 34
Sammlungen: MfGZ 50-82; SfG 7123; SNB o.S.

 

Abstimmungs-Nr. 133 Datum: 1. Dez. 1940  
Analyse:

Als Autoritäten gelten auch die relativen und absoluten Personen der Zeitgeschichte wie der Pädagoge Heinrich Pestalozzi, der mit seinem Wirken die Grundlage für die Schweizer Volksschule geschaffen hat.

Dieser Umstand macht ihn im Abstimmungskampf um die Erweiterung der militärischen Vorbildung zu einer gewichtigen Instanz.

Argument: "Wir wollen nicht die Verstaatlichung des Menschen, sondern die Vermenschlichung des Staates"

Schlussregel: Das hat Pestalozzi gesagt, und was Pestalozzi gesagt hat, ist richtig (vgl. Topos aus der Autorität in Bild und Text)

Konklusion: "Darum sagen wir zum Vorunterrichts-Gesetz NEIN"

Grafik: J. Morier Titel: Bundesgesetz über die Abänderung der Art. 103 und 104 des Bundesgesetzes vom 12. April 1907 betreffend die Militärorganisation (Einführung des obligatorischen militärischen Vorunterrichts);
Resultat: abgelehnt
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 40
Sammlungen: SNB o. Sign.

 

Abstimmungs-Nr. 191 Datum: 1. Feb. 1959  
Analyse:

Nicht nur der Inhalt, auch die Form kann das Gewicht einer Autorität erlangen wie der unverwechselbare Stil von  Celestino Piatti. Der Künstler ist hier nicht nur Gestalter, sondern auch Befürworter der Vorlage und verleiht ihr damit zusätzliches Gewicht.

Schlussregel: Was Piatti befürwortet, sollte man auch befürworten.

Gleiches kann von Plakaten von Hans Erni gesagt werden, der  ebenfalls eine grosse Popularität in der Schweiz erlangt hat.

Grafik: Celestino Piatti (Wassermann AG, Basel) Titel: Bundesbeschluss über die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts in eidgenössischen Angelegenheiten;

Resultat: abgelehnt

Quellen: Meylan/Maillard/Schenk 1979: 23; Stirnimann/Thalmann 2001: 91
Sammlungen: MfGZ 7-963; SfG 9639

 

Literatur:

Meylan, Jean/ Maillard, Philippe/ Schenk, Michèle (1979): Bürger zu den Urnen. 75 Jahre eidgenössische Abstimmungen im Spiegel des Plakats. Lausanne.

Stirnimann, Charles/ Thalmann, Rolf (2001): Weltformat – Basler Zeitgeschichte im Plakat. (Ausstellung, Historisches Museum Basel, 20.01. bis 16.04.2001), Basel.

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