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Syntaktische Stilfiguren
in Sprache
und Bild
Judith Arnold, Zürich, den
14.03.2007
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Abstimmungsplakate wollen überzeugen und
verwenden persuasive Stilmittel wie die rhetorischen Stilfiguren, wobei
man syntaktische und semantische Figuren unterscheidet. "Eine
syntaktische Figur liegt vor, wenn mit der Zeichengestalt operiert wird"
(Bonsiepe 1966: 26). Daher lassen sich syntaktische Figuren auf der
Textoberflächenstruktur beobachten. Man unterscheidet Wort- und
Satzfiguren, die auf dem Prinzip der Wiederholung, Kürzung oder
Positionsverschiebung beruhen (vgl. ebd.; auch Ottmers 1996: 159ff.;
Ueding/Steinbrink 1994: 299ff.; Plett 2000: 138ff.; Plett 2001: 35ff.).
Bei den folgenden Beispielen handelt es sich um syntaktische Figuren,
die teils im Text, teils im Bild oder auf beiden Ebenen vorhanden sind
oder sich nach Bonsiepe (1966: 23-40) zu einer Text und Bild übergreifenden Figur
ergänzen.
Abstimmungs-Nr. 277 |
Datum: 04. Dez.1977 |
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Chiasmus:
Satzglieder sind einander entgegen- bzw. überkreuzgestellt (vgl.
Ottmers 1996: 165). Hier befindet sich
der Chiasmus im Text: "Alle für jeden! Aber auch jeder für
alle!"
Es handelt sich um das in Pfadfinderbewegungen
und Militär geläufige Bekenntnis zu Solidarität und
Gruppenzusammenhang: "Alle für einer, einer für alle".
Parallelismus: Zwei Satzglieder oder mehr
sind parallel gebaut (vgl. Ottmers ebd.).
Hier befindet sich der Parallelismus im Bild: Die
sich wiederholende Reihe von Igeln stellt metaphorisch die
Wehrmacht dar. Das Ausscheren eines Soldaten (bzw. Igels)
bedeutet demnach eine empfindliche Lücke in der Wehrhaftigkeit.
Die Auslassung (Omissio) steht also für Sicherheitslücke und
wird nur als Unterbrechung der Reihe überhaupt sichtbar.
Die Argumentation lautet demnach, dass jeder für
den einzelnen einzustehen hat (Argument "jeder für alle"), weil
andernfalls die Wehrhaftigkeit des ganzen Militärs leidet (Schlussregel
"alle für jeden"). Daher ist der zivile Ersatzdienst abzulehnen
(Konklusion). |
Grafik: (Karl Schwegler AG,
Zürich) |
Titel:
Bundesbeschluss über die Einführung eines zivilen Ersatzdienstes
Resultat:
abgelehnt |
Quellen: n.n. |
Sammlungen:
MfGZ 32-92,
SfG
29243,
SNB P 2992 |
Abstimmungs-Nr. 159 |
Datum:
30. März
1952 |
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Anapher: Beginnen zwei oder
mehr Satzeinheiten mit dem gleichen Wort oder derselben
Wortgruppe (vgl. Ottmers 1996: 160) Die
Anapher befindet sich im Text:
"Gute Saat, gute Ernte, gute Versorgung."
Die Saat ist dabei sowohl im Text als auch im
Bild explizit.
Die Argumentation kann auf das wiederholte
Wort zurückgeführt werden: Die Vorlage ist gut (pragmatisches
Argument), denn sie bringt gute Saat, gute Ernte und gute
Versorgung (Begründungszusammenhang), daher ist das
Landwirtschaftsgesetz anzunehmen (Konklusion). |
Grafik: W. Günthardt (Foto
Heiniger, Gebr. Fretz AG) |
Titel:
Bundesgesetz über die Förderung der Landwirtschaft und die
Erhaltung des Bauernstandes (Landwirtschaftsgesetz)
Resultat: angenommen |
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk
1979: 87 |
Sammlungen:
MfGZ 13-629;
SfG
9921;
SNB o.Sign. |
Abstimmungs-Nr. 184 |
Datum:
26. Jan.
1958 |
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Isomorphie: "Wiederholung von ähnlich
klingenden Worten oder eine Wortteils in einer Wortfolge (z.B.
Worte mit gleicher Endung)"
(Bonsiepe 1966: 28)"Ohne Monopöler ist dem
Schweizer wöhler" ist eine Isomorphie im Endreim, wobei der
Neologismus "Monopöler" an den Wortklang des flektierten
Adjektivs angeglichen wurde.
Der Text ist zugleich in Form eines Kreuzes
angeordnet, das eine Aufzählung (Enumeratio) der
unerwünschten Begleiterscheinungen von monopolistischen
Zuständen streicht.
Die Enumeratio kann als eine Liste von
Argumenten gelesen werden, die gegen monopolistische
Verhältnisse sprechen. Um diese möglichen Schäden abzuwenden -
so der pragmatische Begründungszusammenhang in Gestalt der
Isomorphie - ist die Vorlage "gegen den Missbrauch
wirtschaftlicher Macht" anzunehmen (Konklusion).
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Grafik: Gebr. Maurer, Zürich |
Titel:
Eidg.
Volksinitiative 'gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht'
Resultat: abgelehnt |
Quellen: Meylan/Maillard/Schenk
1979: 77 |
Sammlungen:
MfGZ 13-676;
SfG
8058 |
Abstimmungs-Nr. 292 |
Datum: 03. Dez. 1978 |
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Typogramm: Der Referent von verbalen
Zeichen wird durch die typografische Gestalt dieser Zeichen
selbst illustriert (vgl. Bonsiepe 1966: 39).
"GEGEN KURZSICHTIGE LEHRLINGSPOLITIK" ist
typografisch in der Form eines Sehtests gestaltet.
Wer das lesen kann, ist nicht kurzsichtig und
hat daher eine "kurzsichtige Lehrlingspolitik" abzulehnen, so
die augenzwinkernde Argumentation. |
Grafik:
unbekannt |
Titel:
Bundesgesetz über die Berufsbildung (BBG)
Resultat:
angenommen |
Quellen: n.n. |
Sammlungen:
MfGZ 31-626 |
Literatur:
Bonsiepe, Gui (1966): Visuell/verbale Rhetorik. In: Ulm. Zeitschrift
der Hochschule für Gestaltung, 9. Jg. 1966, Nr. 14, S. 23–40.
Meylan, Jean/ Maillard, Philippe/ Schenk,
Michèle (1979): Bürger zu den Urnen. 75 Jahre eidgenössische
Abstimmungen im Spiegel des Plakats. Lausanne.
Ottmers, Clemens (1996): Rhetorik. Stuttgart, Weimar.
Plett, Heinrich F. (2000): Systematische Rhetorik.München.
Plett, Heinrich F. (2001): Einführung in die rhetorische
Textanalyse. 9., aktualisierte und erweiterte Auflage, Hamburg.
Ueding, Gert/ Steinbrink, Bernd (1994): Grundriss der
Rhetorik. Geschichte, Technik, Methode. 3. Aufl., Stuttgart, Weimar.
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