5 Anhang:
Figurenlehre
Zum Stil von
Abstimmungsplakaten (pathos)
zurück zum Kontext
Im Folgenden werden einige Stilfiguren und Tropen vorgestellt, die in
der politischen Rede gebräuchlich sind. Ein Anspruch auf Vollständigkeit
wird nicht erhoben. Vielmehr wird ein Überblick geschaffen, der den
verschiedenen Ausprägungen sprachlicher Stilmittel Rechnung trägt. In
der Struktur und Terminologie folge ich den Ausführungen von Ottmers
(1996: 158–198), der sich an Lausberg (1963) orientiert (für eine
Gegenüberstellung der Begriffe in Deutsch, Griechisch und Latein vgl.
Ueding/Steinbrink 1994: 336–339). Dem Begriff folgt jeweils eine
definitorische Umschreibung und wo sinnvoll auch ein Beispiel.
Konsultiert wurden neben Ottmers (ebd.) und Lausberg (ebd.) auch Ueding
und Steinbrink (1994), Plett (2001) sowie Kolmer und Rob-Santer (2002).
Nach den Erläuterungen der Amplifikationsfiguren folgen die
Substitutionsfiguren (Tropen) und abschliessend die
Argumentationsfiguren.
5.1 Amplifikationsfiguren
Amplifikationsfiguren dienen der Ausschmückung. Dabei beruht die
Steigerung des Ausdrucks in einer Abweichung vom normalen
Sprachgebrauch. Es lassen sich drei Untergruppen unterscheiden: die
Wiederholungsfiguren, die Kürzungsfiguren und die Positionsfiguren. Die
Wiederholungsfiguren (repetitio) greifen dieselben (oder zumindest
ähnliche) Wörter, Wortgruppen oder Satzelemente wieder auf. Die
Kürzungsfiguren (detractio) verkürzen einen Text durch Auslassung von
Satzelementen. Die Positionsfiguren (transmutatio) beruhen auf einer
Abweichung in der Ordnung des Satzbaus (vgl. Ottmers 1996: 158–165; Ueding/Steinbrink 1994: 299–308; Plett 2001: 35–55, 72–74)
5.1.1 Wiederholungsfiguren (repetitio, conduplicatio)
Geminatio (iteratio)
Verdoppelung eines Wortes oder einer Wortgruppe in unmittelbarer Folge
(vgl. Ottmers 1996: 159; Lausberg 1963: 82ff.; Ueding/Steinbrink 1994:
302; Plett 2001: 42; Kolmer/Rob-Santer 2002: 65).
Beispiel: Hört, hört!
Diakope (seperatio)
Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe, unterbrochen durch
einen kurzen Einschub (vgl. Ottmers 1996: 159; Plett 2001: 42f.).
Beispiel: Das hast du gut, wirklich gut hingekriegt.
Kyklos (redditio, inclusio)
Der Anfang eines Satzes oder Teilsatzes wird am Ende wiederholt (vgl.
Ottmers 1996: 159f.; Lausberg 1963: 87f.; Ueding/Steinbrink 1994: 303;
Plett 2001: 43f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 67).
Beispiele: Keine Ahnung hast du, wirklich keine Ahnung.
Epanode (reversio)
Ein Teilsatz wird in umgekehrter Reihenfolge wiederholt (vgl. Ottmers
1996: 160; Kolmer/Rob-Santer 2002: 68).
Beispiel: Ich finde, du bist gemein, gemein bist du.
Anadiplose (reduplicatio)
Ein Wort oder eine Wortgruppe am Ende eines Satzes wird am Anfang des
darauf folgenden Satzes wiederholt (vgl. Ottmers 1996: 160; Lausberg
1963: 84f.; Ueding/Steinbrink 1994: 302; Plett 2001: 43;
Kolmer/Rob-Santer 2002: 67f.).
Beispiel: Sie lieben leuchtende Farben. Farben können sich aber leicht
auswaschen.
Gradatio (climax, connexio)
Das zuerst Genannte wird durch das jeweils Folgende überboten (vgl.
Ottmers 1996: 160; Lausberg 1963: 85ff.; Ueding/Steinbrink 1994: 302;
Plett 2001: 43).
Beispiel: Gut, super gut, alles super gut!
Antiklimax
Umkehrung der Klimax (vgl. Ottmers 1996: 160; Kolmer/Rob-Santer 2002:
83f.).
Beispiel: Vom Regen in die Traufe.
Anapher (relatio)
Zwei oder mehr aufeinander folgende (Teil-)Sätze beginnen mit demselben
Wort oder derselben Wortgruppe (vgl. Ottmers 1996: 160; Lausberg 1963:
88f.; Ueding/Steinbrink 1994: 303; Plett 2001: 44; Kolmer/Rob-Santer
2002: 65f.). Beispiel: Nichts kann mich davon abbringen, nichts kann
mich mehr aufhalten.
Epipher (conversio)
Zwei oder mehr aufeinander folgende (Teil-)Sätze enden mit demselben
Wort oder derselben Wortgruppe (vgl. Ottmers 1996: 160; Lausberg 1963:
89f.; Ueding/Steinbrink 1994: 303; Plett 2001: 44f.; Kolmer/Rob-Santer
2002: 66). Beispiel: Ende gut, alles gut.
Symploke (complexio, concursio)
Kombination von Anapher und Epipher:
Zwei oder mehr aufeinander folgende (Teil-)Sätze beginnen mit demselben
Wort oder derselben Wortgruppe und enden analog mit einem anderen Wort
oder einer anderen Wortgruppe (vgl. Ottmers 1996: 160; Lausberg 1963:
90; Ueding/Steinbrink 1994: 303; Plett 2001: 45; Kolmer/Rob-Santer 2002:
66).
Beispiel: Er hat es weit gebracht, er hat es bis zum Major gebracht.
Polyptoton (traductio, metabole)
Ein Wort wird in anderer grammatikalischer Form, meist in anderer
Flexionsform, wiederholt (vgl. Ottmers 1996: 160f.; Lausberg 1963: 92f.;
Ueding/Steinbrink 1994: 303; Plett 2001: 47; Kolmer/Rob-Santer 2002:
61).
Beispiel: das Buch der Bücher
Figura etymologica
Ein Wortstamm wird in einer anderen Wortform wiederholt (vgl. Ottmers
1996: 161; Lausberg 1963: 92; Ueding/ Steinbrink 1994: 304; Plett 2001:
47; Kolmer/Rob-Santer 2002: 62).
Beispiel: Jeder soll sein Leben leben, wie es ihm passt.
Paronomasie (annominatio, adnominatio)
Verknüpfung semantisch unterschiedlicher, aber klangähnlicher Wörter
(vgl. Ottmers 1996: 161; Lausberg 1963: 91f.; Ueding/Steinbrink 1994:
304; Plett 2001: 47f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 62f.).
Beispiel: Träume sind Schäume.
Synonym
Wiederholung einer gleichen oder ähnlichen Wortbedeutung bei Verwendung
unterschiedlicher Wörter (vgl. Ottmers 1996: 161; Lausberg 1963: 64,
93f., 97f.; Ueding/Steinbrink 1994: 288, 303f.; Plett 2001: 46;
Kolmer/Rob-Santer 2002: 80f.).
Beispiel: Sie verfolgten, hetzten, jagten ihn, bis er zusammenbrach.
Tautologie
Überflüssige Hinzufügung synonymer Wörter ohne semantische Erweiterung
(vgl. Ottmers 1996: 161; Plett 2001: 45; Kolmer/Rob-Santer 2002: 79).
Beispiel: Ich persönlich unterstütze das voll und ganz.
Pleonasmus
Störende Wiederholung semantischer Merkmale durch überflüssige
Hinzufügung (vgl. Ottmers 1996: 161f.; Plett 2001: 45; Kolmer/Rob-Santer
2002: 79).
Beispiel: weisser Schimmel
Diaphora
Ein Wort wird in einer anderen Bedeutung wiederholt. Verändert sich die
Bedeutung innerhalb eines monologischen Beitrags, so handelt es sich um
eine Antistasis, im Dialog um eine Anaklasis (vgl. Ottmers 1996: 162;
Lausberg 1963: 115; Plett 2001: 46f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 63f.).
Beispiel: Nicht hartes Brot, sondern kein Brot zu haben ist hart.
Alliteration
Wiederholung eines einzelnen Lautes (vgl. Ottmers 1996: 162; Lausberg
1963: 116, 151f.; Plett 2001: 50f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 54, 56).
Beispiel: Veni vidi vici.
5.1.2 Kürzungsfiguren (detractio)
Ellipse (eclipsis, defectio, omissio)
Auslassung eines Wortes oder einer Wortgruppe (vgl. Ottmers 1996: 163;
Lausberg 1963: 104; Ueding/Steinbrink 1994: 305; Plett 2001: 72f.;
Kolmer/Rob-Santer 2002: 75f.).
Beispiel: Genverbotsinitiative NEIN!
Zeugma (adiunctio)
Auslassung von Satzelementen zwecks Verkürzung, wobei syntaktische oder
semantische Fehler entstehen (vgl. Ottmers 1996: 163f.; Lausberg 1963:
104ff.; Ueding/Steinbrink 1994: 305f.; Plett 2001: 73f.; Kolmer/
Rob-Santer 2002: 76f.). Beispiel: Die Sportgruppe ist im Hotel
angekommen, und ihre Trainer mittlerweile auch.
5.1.3 Positionsfiguren (transmutatio)
Hyperbaton (traiectio, transgressio)
Zwei syntaktisch zusammengehörige Einheiten werden durch ein nicht
dazugehöriges Element getrennt (vgl. Ottmers 1996: 164; Lausberg 1963:
110; Ueding/Steinbrink 1994: 307; Kolmer/Rob-Santer 2002: 73ff.).
Beispiel: Mach dir heute einen Plan, damit du die Zeit gut einteilen
kannst, und die darauf folgenden Tage auch.
Anastrophe (inversio, reversio)
Umstellung der üblichen Satzstellung (vgl. Ottmers 1996: 164; Lausberg
1963: 109; Ueding/Steinbrink 1994: 306; Plett 2001: 36).
Beispiel: Heimtückisch hat er den Mord geplant und durchgeführt.
Hypallage (Enallage)
Falsches grammatisches Verhältnis zwischen einem Beiwort und seinem
Beziehungswort. Zumeist wird ein Adjektiv auf ein anderes Substantiv
bezogen (vgl. Ottmers 1996: 164f.; Lausberg 1963: 103; Ueding/Steinbrink
1994: 306; Plett 2001: 36f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 77f.).
Beispiel: eine heisse Tasse Tee
Hysteron proteron
Verkehrung der zeitlichen oder logischen Reihenfolge (vgl. Ottmers 1996:
165; Lausberg 1963: 137f.; Ueding/Steinbrink 1994: 306f.; Plett 2001:
37; Kolmer/Rob-Santer 2002: 78).
Beispiele: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Rettet die ungeborenen
Kinder. Totgesagte leben länger.
Parallelismus
Zwei oder mehr Sätze oder Teilsätze sind parallel gebaut. Ist die
Silbenzahl der Wörter und die Länge der Satzeinheiten identisch,
handelt es sich um ein Isokolon, sind sie nur annähernd gleich, um ein
Parison (vgl. Ottmers 1996: 165; Lausberg 1963 vgl. Isocolon S. 111ff.;
Ueding/Steinbrink 1994: 307f.; Plett 2001: 38f.; Kolmer/Rob-Santer 2002:
69f.).
Beispiel: Wir weiten und engen, wir kürzen und längen.
Chiasmus
Bei zwei Sätzen oder Teilsätzen sind die Satzglieder einander
entgegengesetzt (vgl. Ottmers 1996: 165f.; Lausberg 1963: 128–131;
Ueding/Steinbrink 1994: 308; Plett 2001: 39; Kolmer/Rob-Santer 2002:
70).
Beispiel: Der Einsatz war gross, klein war der Gewinn.
Liegen die gleichen Wörter in umgekehrter Reihenfolge vor, so handelt es
sich um eine Epanode.
Beispiel: Alle für einen, einer für alle.
5.2 Substitutionsfiguren (Tropen)
Allen Substitutionsfiguren gemeinsam ist, dass etwas an die Stelle
von etwas anderem gesetzt wird (Substitution). Dabei kann ein Wort
(Substituendum) durch ein anderes Wort oder durch eine Wortgruppe
(Substituens) ersetzt werden. Das Prinzip der Substitution, das auch die
Semiotik dem Zeichenprozess zugrunde legt (aliquid stat pro aliquo) ist
zentral für die konstruktivistische Metapherntheorie von Lakoff und
Johnson (1998), die von der Sprache annehmen, dass sie durch Metaphern
strukturiert sei, die auf Primärerfahrungen mit der physischen und
kulturellen Umwelt beruhen.
Unterschieden werden die Substitutionsfiguren nach der Beziehung von
ersetztem und ersetzendem Begriff. Während bei den so genannten
"Sprungtropen" (Metapher, Ironie etc.) das Gesagte (verbum improprium)
und das eigentlich Gemeinte (verbum proprium) aus unterschiedlichen
ontologischen Bereichen entstammen, besteht bei den so genannten
"Grenzverschiebungstropen" (Metonymie, Synekdoche etc.) eine
verwandtschaftliche Beziehung ihrer Herkunftsbereiche (zu den Sprung-
und Grenzverschiebungstropen vgl. Lausberg 1963: 65f., 68–80, 138–143;
Plett 2001: 90 sowie die Übersichtsdarstellung bei Kolmer/Rob-Santer
2002: 126.). Die Beziehung zwischen Gesagtem und eigentlich Gemeintem
beruht zudem auf Ähnlichkeit (ausser bei der Ironie, wo gerade die
Unähnlichkeit entscheidend ist), die über eine Vergleichsebene (tertium
comparationis) vom Redner konstruiert und vom Hörer rekonstruiert wird.
Die Ähnlichkeit (similitudo) kann auf gemeinsamen semantischen Merkmalen
beruhen (wie beim Synonym) oder auf klanglicher Ähnlichkeit (wie bei der
Onomatopoeia). Die Funktion der Substitutionsfiguren ist zudem
vielfältig. Metaphern können konventionelle Denk- und Sprachmuster
überschreiten und so neue Phänomene erst fassbar machen (Katachrese)
oder bekannte in einem neuen Licht erscheinen lassen. Sie können
komplexe Sachverhalte vereinfachen und abstrakte konkretisieren. Nebst
spielerischer Variation und Veranschaulichung können Metaphern auch
Mittel der Bewertung sein, indem sie einen Sachverhalt mit einem anderen
positiv oder negativ konnotierten Sachverhalt in eine
Ähnlichkeitsbeziehung setzen. Die Ironie schliesslich kann sich zwischen
Sprachwitz, wohlwollender Kritik und Herablassung bewegen. Der Übergang
zwischen Stilfiguren und Tropen ist zudem fliessend: So können Tropen
steigernde Funktion haben wie die Amplifikationsfiguren (Hyperbel,
Litotes, Emphase) oder wie semantische Figuren zur Umschreibung eingesetzt werden
(Periphrase, Euphemismus etc.) (vgl. Ottmers 1996:
166–182; Lausberg 1963: 65–80, 138–143; Ueding/Steinbrink 1994: 287–299;
Plett 2001: 89–123; Kolmer/Rob-Santer 2002: 115–119, 125–146).
5.2.1 Sprungtropen
Metapher
Substitution eines Begriffs durch andere Begriffe, wobei das Gesagte mit
dem tatsächlich Gemeinten in einer Beziehung der Ähnlichkeit steht
(tertium comparationis). Häufig handelt es sich um die Substitution von
Unbelebtem durch Belebtes (und umgekehrt) wie z.B. bei der
Personifikation. Ebenso häufig ist die Substitution von Abstraktem
durch Konkretes (und umgekehrt). In jedem Fall aber entstammen das
Gesagte und das Gemeinte aus ontologisch unterschiedlichen Bereichen
(vgl. Ottmers 1996: 168ff.; Lausberg 1963: 79f.; Ueding/Steinbrink 1994:
295f.; Plett 2001: 100ff.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 135–139). In der
Antike betrachtete man die Metapher als verkürzten Vergleich. Anstatt
das eine mit dem anderen zu vergleichen, tritt es gleich an dessen
Stelle (vgl. Kolmer/Rob-Santer 2002: 136). Gegenwärtige
Metapherntheorien gehen jedoch von einer Interaktionsbeziehung aus,
wobei das Gesagte und das Gemeinte nicht nur über gemeinsame semantische
Merkmale vergleichbar sind, sondern diese auch gegenseitig übertragen
und damit eine Vergleichsebene erst hervorbringen (vgl. Black 1954:
55–79; Richards 1936: 31–52).
Beispiel: Richard ist ein Löwe.
Metaphernfeld (continua metaphora)
Eine Metapher kann sich über längere Texteinheiten ausdehnen oder auch
einen ganzen Text durchziehen und prägen. Wird dabei wiederholt auf ein
und dieselbe Metapher Bezug genommen, spricht man von einem
Metaphernfeld (vgl. Ottmers 1996: 173; Ueding/Steinbrink 1994: 296f.).
Beispiel: Wirtschaftskapitäne haben es nicht einfach. Wenn Sturm
aufkommt, stehen sie allein auf der Brücke und müssen zusehen, wie sie
wieder auf Kurs kommen.
Allegorie
Eine Allegorie liegt vor, wenn unterschiedliche Metaphern gemeinsam ein
Bild fügen (vgl. Ottmers 1996: 173f.; Lausberg 1963: 80, 140f.; Plett
2001: 112ff.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 139ff.).
Beispiel: Verbundene Augen bedeuten 'Unvoreingenommenheit', die Waage
'Gerechtigkeit', das Schwert 'Urteilsfähigkeit'; als Attribute eines
klassischen Standbildes stellen diese Metaphern die Justitia dar.
Ironie (illusio, irrisio, (dis)simulatio)
Substitution eines Begriffs durch andere Begriffe, wobei das Gesagte mit
dem tatsächlich Gemeinten in einer Beziehung der Unähnlichkeit steht;
d.h. es wird etwas vorgespielt, das im vorliegenden Fall gar nicht
existiert (simulatio), während das Offensichtliche gerade verborgen wird
(dissimulatio). Dabei wird nonverbal durch Mimik und Gestik, paraverbal
über die Prosodie oder verbal durch das Hinzufügen eigentlich
redundanter Partikel dem Adressaten bedeutet, dass das Gesagte nicht so
gemeint ist (Ironiesignale). Die Ironie kann sich auf einzelne Aussagen
beschränken oder ganze Texte durchziehen. Zudem kann sie in
unterschiedlicher Qualität auftreten: neben einer unterhaltsamen Form
(Asteïsmus) als wohlwollende Kritik (Charientismus), höhnische
Blossstellung (Diasyrmus), Verächtlichkeit (Mycterismus) oder Bitterkeit
(Sarkasmus). Die Grenzen sind dabei fliessend (vgl. Ottmers 1996:
177ff.; Lausberg 1963: 80, 141ff.; Ueding/Steinbrink 1994: 298f., 316;
Plett 2001: 116ff.; Kolmer/ Rob-Santer 2002: 143ff.).
Beispiel: Du bist vielleicht ein Held! (als Beispiel für Charientismus)
5.2.2 Grenzverschiebungstropen
Metonymie (denominatio, transmutatio)
Substitution eines Begriffs durch andere Begriffe, wobei das Gesagte und
das tatsächlich Gemeinte aus dem gleichen ontologischen Bereich stammen.
Das Verhältnis der Ähnlichkeit liegt also in der Nachbarschaft der
Begriffe begründet. So wird etwa die Wirkung anstelle der Ursache
gesetzt, die Folge anstelle des Grundes, der Raum für den Inhalt und
Symbole für den damit bedeuteten Sachverhalt (vgl. Ottmers 1996: 174f.;
Lausberg 1963: 77ff.; Ueding/Steinbrink 1994: 294; Plett 2001: 98f.;
Kolmer/ Rob-Santer 2002: 134f.).
Beispiele: Er liest Goethe. Die kleine Kammer hat entschieden. Sie haben
das Kriegsbeil ausgegraben.
Synekdoche (intellectio, conceptio, comprehensio)
Die Synekdoche ist eine spezielle Form der Metonymie, wobei das
ontologische Ähnlichkeitsverhältnis von Gesagtem und Gemeintem nicht
nur qualitativer, sondern auch quantitativer Art ist, indem ein Teil für
das Ganze gesetzt wird (pars pro toto) oder das Ganze für einen Teil
(totum pro parte), die Art für die Gattung oder die Einzahl für die
Mehrzahl (und umgekehrt) (vgl. Ottmers 1996: 175f.; Lausberg 1963:
70ff.; Ueding/Steinbrink 1994: 289f.; Plett 2001: 92; Kolmer/ Rob-Santer
2002: 130f.).
Beispiele: Skinheads; Waldsterben
Antonomasie (pronominatio)
Ein Eigenname wird umschrieben, und zwar durch eine typisierende
Beifügung (epitheton) oder durch eine Umschreibung (periphrasis) (vgl.
Ottmers 1996: 176; Lausberg 1963: 56, 73f.; Ueding/Steinbrink 1994: 290;
Plett 2001: 93; Kolmer/ Rob-Santer 2002: 132f.).
Beispiele: der blutige Anfänger (epitheton); der Allmächtige; der
Leibhaftige (periphrasis)
Appellativum
Ein Eigenname wird durch den Eigennamen einer historischen oder
mythologischen Person ersetzt, die ähnliche Eigenschaften mit der damit
bezeichneten Person besitzt (vgl. Ottmers 1996: 176; Lausberg 1963: 56;
Ueding/Steinbrink 1994: 290 zur Antonomasie; vgl. auch Plett 2001:
93ff.).
Beispiel: Der Mäzen des FC Basels zieht sich zurück.
Synonym
Ein Wort wird durch ein gleichbedeutendes ersetzt zum Zweck der
Variation (vgl. Ottmers 1996: 167; Lausberg 1963: 64, 93f.;
Ueding/Steinbrink 1994: 288; Plett 2001: 48f.; Kolmer/ Rob-Santer 2002:
80f.).
Beispiel: Werk oder Publikation als Variation für Buch
Onomatopoeia
Lautmalerei ersetzt Worte durch Laute, die dem sinnlichen Eindruck des
Gemeinten ähnlich sind (vgl. Ottmers 1996: 179f.; Lausberg 1963: 151f.;
Ueding/Steinbrink 1994: 288; Kolmer/Rob-Santer 2002: 59f.).
Beispiel: Es klingelt in der Staatskasse.
Hyperbel (superlatio)
Bewusste Übertreibung (amplificatio) in Anzahl, Grösse, Gewicht oder
Intensität (vgl. Ottmers 1996: 180; Lausberg 1963: 76f., 139f.;
Ueding/Steinbrink 1994: 271f., 293f.; Plett 2001: 96ff.;
Kolmer/Rob-Santer 2002: 128ff.).
Beispiel: Ich habe dir schon tausendmal gesagt (…) Möglich ist auch die
Untertreibung:
Beispiel: Könnte ich noch ein klitzekleines Stück Kuchen haben?
(minutio)
Litotes (exadversio)
Scheinbare Untertreibung, tatsächlich aber eine Steigerung durch
Verneinung des Gegenteils (vgl. Ottmers 1996: 180f.; Lausberg 1963: 76;
Ueding/Steinbrink 1994: 289; Plett 2001: 96; Kolmer/Rob-Santer 2002:
133f.).
Beispiel: Das war nicht schlecht!
Emphase
Emphase meint generell die Betonung eines Ausdrucks (z.B. durch
Verdoppelung, Steigerung etc.) und ist heute gebräuchlich für implizite
Formen der Betonung (vgl. Ottmers 1996: 181; Lausberg 1963: 74ff.,
138f.; Ueding/ Steinbrink 1994: 292f.; Plett 2001: 95; Kolmer/Rob-Santer
2002: 131f.).
Beispiele: Was für ein Tag!
Periphrase (circumlocutio, circumscriptio)
Ersetzung eines Wortes durch eine Wortgruppe (Umschreibung) (vgl.
Ottmers 1996: 181; Lausberg 1963: 69f., 139; Ueding/Steinbrink 1994:
288f.; Plett 2001: 68f., 91; Kolmer/Rob-Santer 2002: 126f.).
Beispiel: der Ritter von der traurigen Gestalt
Euphemismus
Beschönigung eines (gesellschaftlich tabuisierten) Sachverhalts (vgl.
Ottmers 1996: 182; Lausberg 1963: 66; Plett 2001: 91, 120;
Kolmer/Rob-Santer 2002: 127f.).
Beispiel: Unser lieber Onkel ist von uns gegangen.
Aischrologie
Die Schimpfrede will mit Absicht brüskieren (vgl. Ottmers 1996: 182;
Kolmer/Rob-Santer 2002: 115f.).
Beispiel: Diesen Frass krieg ich nicht runter.
Epitheton
Das schmückende Beiwort (epitheton ornans) bildet zusammen mit einem
Substantiv eine feste Verbindung zwecks Präzisierung oder Steigerung des
Ausdrucks (vgl. Ottmers 1996: 182; Lausberg 1963:101f.; Ueding/
Steinbrink 1994: 291f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 80).
Beispiele: die Olympischen Spiele; die grosse Kammer; das schwarze Brett
Preziösität
Gestelzte Formulierung (vgl. Ottmers 1996: 182; Lausberg 1963: 62f.;
Kolmer/Rob-Santer 2002: 115).
Beispiel: Madame hat sich fürchterlich echauffiert.
Neologismus
Neuschöpfung eines Wortes (vgl. Ottmers 1996: 182; Lausberg 1963: 49;
Ueding/Steinbrink 1994: 287; Kolmer/Rob-Santer 2002:118f.).
Beispiel: Scheininvalide
Archaismus
Veralteter Ausdruck (vgl. Ottmers 1996: 182; Lausberg 1963: 49;
Ueding/Steinbrink 1994: 286f.; Kolmer/Rob-Santer 2002:116f.).
Beispiel: Häscher für Gerichtsdiener
5.3 Argumentationsfiguren
Argumentationsfiguren unterstützen die Absichten und Ziele einer Rede
und bringen die Argumentation voran, weshalb sie auch
argumentationssteuernde Figuren genannt werden. Allerdings dienen sie
nicht allein dem rationalen Argumentieren, sondern auch einer
affektischen Argumentationsweise, die auf die Gefühle des Publikums
wirken will. Ausgehend von ihren Wirkungsabsichten bilden die
Argumentationsfiguren drei Untergruppen: die kommunikativen und
appellativen Figuren, die semantischen Figuren und die personalen
Figuren. Die kommunikativen und appellativen Figuren (communicatio) sind
primär auf das Publikum gerichtet, um dessen Aufmerksamkeit zu erregen,
zu steigern oder zu bewahren. Die semantischen Figuren sind primär auf
die Sache gerichtet und die Art und Weise, wie der Redner damit umgeht.
Die personalen Figuren hingegen richten sich auf den Opponenten. Da sie
bewusst unsachlich und verletzend sind, stehen die personalen Figuren
jedoch dem Ethos des Redners entgegen, der sich durch Einsicht, Tugend
und Wohlwollen auszeichnen sollte (vgl. Aristoteles II.1.5; Ottmers
1996: 182–198; Ueding/Steinbrink 1994: 308–323; Plett 2001: 56–72,
74–88; Kolmer/Rob-Santer 2002: 75, 77–114).
5.3.1 Kommunikative und appellative Figuren (communicatio,
deliberatio)
Rogatio (interrogatio)
Die rhetorische Frage erwartet keine Antwort, sondern impliziert sie,
oder der Redner antwortet selbst (vgl. Ottmers 1996: 184; Lausberg
1963: 146f.; Ueding/Steinbrink 1994: 310f.; Plett 2001: 80;
Kolmer/Rob-Santer 2002: 87f.). Beispiel: Wollen Sie etwa, dass der
Steuerfuss angehoben wird?
Subiectio
Eine Abfolge von Fragen und Antworten, die der Redner monologisch
inszeniert (polemisch oder ironisch) (vgl. Ottmers 1996: 184;
Ueding/Steinbrink 1994: 311f.; Plett 2001: 81f.; Kolmer/Rob-Santer 2002:
88).
Beispiel: Und hat der Täter daraufhin seinem Opfer geholfen? Nein, er
hat gewartet, bis es kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Und hat er
dann wenigstens einen Krankenwagen gerufen? Nein, er hat nur das Geld an
sich genommen und das Weite gesucht.
Aporie (dubitatio, deliberatio)
Gespielte Schwierigkeit des Redners mit dem Thema oder seiner
Darstellung. Oft werden solche vorgegebenen Zweifel als
Bescheidenheitsgeste am Anfang einer Rede eingesetzt (Exordialtopoi)
(vgl. Ottmers 1996: 184; Lausberg 1963: 145; Ueding/Steinbrink 1994:
312f.; Plett 2001: 81; Kolmer/Rob-Santer 2002: 89).
Beispiele: Womit soll ich beginnen? …wie soll ich sagen…?
Correctio
Selbstkorrektur des eigenen Standpunktes in Form eines Exkurses, der
zurück zur eigenen Argumentation lenkt oder punktuell der Steigerung des
Ausdrucks dient (vgl. Ottmers 1996: 184; Lausberg 1963: 85, 124; Ueding/Steinbrink 1994: 314; Plett 2001: 59f.; Kolmer/ Rob-Santer 2002: 96).
Beispiel: Er hat berechnend, nein, kaltblütig gehandelt.
Concessio (confessio)
Scheinbare Kapitulation vor den gegnerischen Argumenten, meist ironisch
herablassend, um sie anschliessend mit noch überzeugenderen Argumenten
zu übertreffen (vgl. Ottmers 1996: 184; Lausberg 1963: 145; Ueding/Steinbrink 1994: 318; Plett 2001: 82: Kolmer/Rob-Santer 2002: 95).
Beispiel: Sie haben vollkommen Recht, wenn sie behaupten, dass die
Wirtschaft in den letzten Jahren keinen Aufschwung erlebt hat. Das hat
ja auch ihre Fraktion zu verantworten.
Obsecratio
Scheinbare Ratlosigkeit mit der Bitte (des Publikums) um Beistand. In
der Antike und später auch in literarischen Textgattungen ist auch der
Götteranruf, die Invocatio, gebräuchlich (vgl. den Götteranruf Ovids in
den Metamorphosen) (vgl. Ottmers 1996: 184f.; Lausberg 1963: 146; Plett
2001: 81; Kolmer/Rob-Santer 2002: 91).
Beispiel: Dann sagen Sie mir bitte, was ich hätte tun sollen.
Permissio
Aufforderung bzw. Erlaubnis des Publikums, mit der Rede fortzufahren
(vgl. Ottmers 1996: 185; Lausberg 1963: 142; Ueding/Steinbrink 1994:
314; Plett 2001: 83; Kolmer/Rob-Santer 2002: 89f.).
Beispiel: Wer etwas gegen diese Verbindung einzuwenden hat, bringe es
vor oder schweige für immer.
Exclamatio
(Gespielter) Ausruf, der an die Gefühle des Publikums appelliert (vgl.
Ottmers 1996: 185; Lausberg 1963: 147; Ueding/Steinbrink 1994: 313;
Plett 2001: 83f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 92f.).
Beispiel: Ach ja? Tatsächlich? Und das sollen wir ihnen nun glauben?
Sermocinatio (allocutio, imitatio, percontatio)
Die Rede eines anderen wird referiert oder es wird mit jemandem ein
fiktiver Dialog geführt. Dies kann auch zur negativen Charakterisierung
des Opponenten eingesetzt werden (vgl. Ottmers 1996: 185; Lausberg 1963:
143f.; Ueding/Steinbrink 1994: 319f.; Plett 2001: 85ff.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 93).
Beispiel: Ihr Fraktionsvorsitzender würde nun wahrscheinlich sagen…
5.3.2 Semantische Figuren
Praeparatio (propositio)
Ankündigung der folgenden Redeteile zu Beginn einer Rede oder eines
Redeabschnittes (vgl. Ottmers 1996: 186; Lausberg 1963: 27, 97;
Ueding/Steinbrink 1994: 318f.; Plett 2001: 82; Kolmer/Rob-Santer 2002:
94).
Beispiele: Zuerst komme ich auf (…) zu sprechen, anschliessend werde ich
kurz erläutern (…)
oder: Hiermit kommen wir zum Schluss.
Definitio
Begriffe, die für die Argumentation zentral sind, werden erläutert (vgl.
Ottmers 1996: 186; Lausberg 1963: 123; Ueding/Steinbrink 1994: 289;
Plett 2001: 58f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 109ff.).
Beispiel: Der Leistungsauftrag der SRG sieht nicht nur Bildung, sondern
auch Unterhaltung vor.
Antizipation (praeventio, praesumptio, praeoccupatio, conciliatio)
Vorwegnahme der gegnerischen Argumente, um sie auszuräumen und den Weg
zu bereiten für die eigenen Argumente (vgl. Ottmers 1996: 187; Lausberg
1963: 123f.; Ueding/Steinbrink 1994: 318; Plett 2001: 82; Kolmer/Rob-Santer 2002: 94f.).
Beispiel: Sie werden nun vielleicht einwenden, dass damit die Kosten auf
die Patienten abgeschoben werden. Tatsächlich aber wurden diese
Therapien in die Grundversicherung aufgenommen.
Concessio
Ein partielles Zugeständnis, das anschliessend wieder ganz oder
teilweise widerrufen wird (vgl. Ottmers 1996: 187; Lausberg 1963: 145;
Ueding/Steinbrink 1994: 318; Plett 2001: 82; Kolmer/Rob-Santer 2002:
95).
Beispiel: Es stimmt zwar, dass die Mietkosten aufgrund der Renovation
gestiegen sind, mit der neuen Isolation konnten aber gleichzeitig die
Heizkosten um mehr als die Hälfte gesenkt werden.
Konsens (consensio)
Übereinstimmung mit der gegnerischen Seite, möglicherweise aus
taktischen Gründen (vgl. Ottmers 1996: 187).
Beispiel: Wir sind uns einig, dass die Krankenkassenprämien gesenkt
werden müssen. Ich verstehe daher nicht, weshalb ihre Partei das
Reformpaket bekämpft.
Correctio
Zurückweisung eines gegnerischen Arguments verbunden mit einer
Richtigstellung (vgl. Ottmers 1996: 187; Lausberg 1963: 124;
Ueding/Steinbrink 1994: 314; Plett 2001: 59f.; Kolmer/Rob-Santer 2002:
96).
Beispiel: Es entspricht schlicht und einfach nicht den Tatsachen, wenn
sie behaupten, der Konkurs sei dem Verwaltungsrat anzulasten. Vielmehr
wurden im Management gravierende Fehler begangen.
Dilemma (divisio)
Argumente werden dialektisch gegeneinander erwogen, oft in Form einer
antithetischen Struktur (vgl. Ottmers 1996: 187; Lausberg 1963: 126;
Ueding/Steinbrink 1994: 314; Plett 2001: 59).
Beispiel: Einerseits haben sie Recht, wenn sie sagen (…), andererseits
müssen sie aber bedenken (…)
Aposiopese (praecisio, interruptio, reticentia)
Redeabbruch im Affekt (vgl. Ottmers 1996: 188; Lausberg 1963: 104, 137;
Ueding/Steinbrink 1994: 322f.; Plett 2001: 76; Kolmer/Rob-Santer 2002:
98).
Beispiel: Aber lassen wir das…
Paralipse (occupatio, praeteritio)
Erklärung, dass der Redner auf einen Gegenstand nicht eingehen will,
wodurch dieser gerade betont wird (vgl. Ottmers 1996: 187f.; Lausberg
1963: 137; Ueding/Steinbrink 1994: 317f.; Plett 2001: 75f.;
Kolmer/Rob-Santer 2002: 97f.).
Beispiel: Ich brauche hier nicht näher zu erläutern, wie sehr meine
Mandantin unter den Folgen der physischen Attacke gelitten hat. Ganz zu
schweigen von der psychischen Belastung.
Die Paralipse kann auch den Charakter einer Allusio annehmen,
beispielsweise wenn etwas suggeriert werden soll, was man nicht offen
aussprechen will.
Beispiel: Wir können uns ja denken, was die beiden da so allein gemacht
haben.
Apostrophe (aversio)
Der Redner wendet sich von seinem Publikum ab und einem anderen
(fiktiven) Gegenüber zu (vgl. Ottmers 1996: 188; Lausberg 1963: 145f.;
Ueding/Steinbrink 1994: 321f.; Plett 2001: 84f.; Kolmer/Rob-Santer
2002: 90).
Beispiel: Und dem Bundesrat in Bern möchte ich von dieser Stelle aus
zurufen…
Licentia
Eine Entschuldigung mit Bitte um Erlaubnis etwas vorzubringen, das kaum
auf Akzeptanz stossen kann (vgl. Ottmers 1996: 189; Lausberg 1963: 145;
Ueding/Steinbrink 1994: 315; Kolmer/Rob-Santer 2002: 98f.).
Beispiel: Auch wenn sie das jetzt nicht gerne hören, muss ich sie
bitten, die Regeln zu beachten.
Enumeratio (dinumeratio)
Aufzählung im Sinne einer Aneinanderreihung von Einzelelementen, die in
einem Zusammenhang stehen (vgl. Ottmers 1996: 189f.; Lausberg 1963:
98ff.; Plett 2001: 58; Kolmer/Rob-Santer 2002: 100f.).
Beispiel: Unter den Demonstranten waren junge und alte Leute, Frauen wie
Männer.
Descriptio
Veranschaulichende Beschreibung eines Gegenstandes oder Sachverhalts
durch Aufzählung von Details (vgl. Ottmers 1996: 190; Lausberg 1963:
119; Plett 2001: 63ff.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 101ff.).
Beispiel: Wer mit dem Existenzminimum leben muss, kann die Fixkosten für
Miete und Krankenkasse nur knapp berappen. Der Speiseplan ist auf das
Notwendige beschränkt und der Kaffee unerschwinglich.
Distributio (digestio, partitio)
Aufzählung, wobei ein Überbegriff durch seine Unterbegriffe erläutert
wird (vgl. Ottmers 1996: 190; Lausberg 1963: 98, 100ff.; Plett 2001:
57f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 101).
Beispiel: Die Schweiz braucht eine schlagkräftige Armee: Flieger,
Panzer, Sturmgewehre modernen Typs.
Polysyndeton (acervatio)
Aufzählung, wobei die einzelnen Glieder durch Konjunktionen verbunden
sind (vgl. Ottmers 1996: 190f.; Lausberg 1963: 81f.; Ueding/Steinbrink
1994: 304f.; Plett 2001: 74f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 71).
Beispiel: Da gab es Kuchen und Schokolade und Erdbeereis und alles, was
man sich nur wünschen kann.
Asyndeton (dissolutio)
Aufzählung, wobei die einzelnen Glieder ohne Konjunktionen aufeinander
folgen (vgl. Ottmers 1996: 191; Lausberg 1963: 81f., 108f.;
Ueding/Steinbrink 1994: 304f.; Plett 2001: 74f.; Kolmer/Rob-Santer 2002:
72).
Beispiel: Wollen wir Tamilen, Jugoslawen, Türken die Einbürgerung
verweigern?
Similitudo (comparatio)
Der Vergleich illustriert einen Begriff oder Gedanken innerhalb einer
Argumentationsführung durch einen anderen, ähnlichen Begriff oder
Gedanken. Voraussetzung ist eine Vergleichbarkeit, die auf Ähnlichkeit
beruht (tertium comparationis). Ist der Vergleich nicht nur lokal,
sondern zieht er sich über eine längere Texteinheit, so handelt es sich
um ein Gleichnis (vgl. Ottmers 1996: 191f.; Lausberg 1963: 133ff.; Ueding/Steinbrink 1994: 286; Plett 2001: 70ff.; Kolmer/ Rob-Santer 2002:
105f.)Beispiel: Mit den Hooligans ist es wie mit den Kindern: Man muss ihnen
alles ganz genau erklären: dass man nicht auf den Rasen spuckt, nicht
mit Flaschen wirft und nicht die anderen Fans verhaut.
Exemplum (paradeigma)
Das Beispiel kann sowohl schmückende als auch beweisende Funktion haben,
indem es einen Sachverhalt anschaulich verdeutlicht (illustratives
Beispiel) oder als Beleg für eine aufgestellte Behauptung herangezogen
wird (induktives Beispiel) (vgl. Ottmers 1996: 192; Lausberg 1963: 135;
Ueding/Steinbrink 1994: 267f.; Plett 2001: 71f.; Kolmer/ Rob-Santer
2002: 107f., 198–202).
Sententia
Sinn- und Denkspruch, der in knapper, einprägsamer Formulierung
allgemein Bekanntes oder Akzeptiertes auf den Punkt bringt. Als
argumentative Verkürzung kann sie komplexe Sachverhalte auch unzulässig
simplifizieren oder pejorativ als Vorurteil eingesetzt werden (vgl.
Ottmers 1996: 192; Lausberg 1963: 131f.; Ueding/Steinbrink 1994: 268f.;
Kolmer/Rob-Santer 2002: 108f.). Gemäss Lausberg (1963) ist die Sententia
ein "semantisch infiniter Satz, der mit dem Anspruch normativer Geltung
auftritt" (S. 168). Am Schluss eines argumentierenden oder narrativen
Gedankengangs wird diese Figur auch Epiphonema genannt (vgl. ebd. S.
132)
Beispiel: Das Boot ist voll.
Allusio (Significatio)
Eine Anspielung bzw. Andeutung besagt mehr, als sie explizit zu erkennen
gibt. Sie kann bspw. auf einen anderen Text anspielen, so dass in der
Verfremdung das Original erkennbar ist. Abwandlungen dieser Art kommen
oft in Form von Wortspielen mit allgemein bekannten Denk- und
Werbesprüchen vor (vgl. Ottmers 1996: 192; Lausberg 1963: 138ff.;
Kolmer/Rob-Santer 2002: 142f.).
Beispiel: Endspiel gut, alles gut.
Parenthese (interpositio, declinatio, interpellatio)
Kurzer, ergänzender Einschub innerhalb einer Argumentationsführung (vgl.
Ottmers 1996: 193; Lausberg 1963: 138; Ueding/Steinbrink 1994: 301f.;
Plett 2001: 69; Kolmer/Rob-Santer 2002: 74f., auch Paraphrase ebd. S.
111).
Beispiel: Das Existenzminimum – und es handelt sich wirklich um ein
absolutes Minimum – sollte jedem zukommen, der ausweisen kann, durch
Arbeit den Lebensunterhalt nicht eigenständig bestreiten zu können.
Exkurs (digressio)
Längerer Einschub innerhalb einer Argumentation in Form einer in sich
geschlossenen Texteinheit (vgl. Ottmers 1996: 193; Lausberg 1963: 144;
Plett 2001: 70; Kolmer/Rob-Santer 2002: 111f.).
Klimax (gradatio, progressio)
Eine Steigerung, die sich stufenweise über längere Passagen aufbaut.
(Sie ist ausgedehnter, als die gleichnamige Amplifikationsfigur, und
beruht zudem nicht auf der Wiederholung von Worten) (vgl. Ottmers 1996:
194; Lausberg 1963: 85f.; Ueding/Steinbrink 1994: 302; Plett 2001: 68;
Kolmer/Rob-Santer 2002: 82f.).
Antiklimax (extenuatio)
Herabstufung über längere Passagen (vgl. Ottmers 1996: 194;
Kolmer/Rob-Santer 2002: 83f.).
Antithese (contentio, contrarium, oppositio)
Wörter, Wortgruppen, (Teil-)Sätze oder ganze Textabschnitte sind
einander semantisch konträr gegenüber gestellt. Dabei müssen die
Gegensätze nicht absolut sein, sondern können auch relativ sein (vgl.
Ottmers 1996: 194; Lausberg 1963: 126ff.; Ueding/Steinbrink 1994: 308,
313; Plett 2001: 60f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 84).
Beispiel: Während man gut Verdienende mit Steuergeschenken belohnt,
werden kinderreiche Familien durch diese Regelung noch zusätzlich
belastet.
Regressio
Antithetische Konfrontation, indem ein Redner kontradiktorisch auf
seinen Vorredner Bezug nimmt (vgl. Ottmers 1996: 194; Lausberg 1963:
128; Kolmer/Rob-Santer 2002: 68f.).
Beispiel: Wenn mein Ratskollege zuvor gesagt hat, dass die Preise sinken
werden, so ist das völlig haltlos.
Subiectio (ratiocinatio)
Inszeniertes Frage-Antwort-Spiel, um einen Gedanken zu entfalten. (Im
Gegensatz zur gleichnamigen kommunikativen Figur appelliert die
semantische Figur aber weniger an das Publikum, sondern ist mehr auf die
Sache und auf die Überlegungen des Redners gerichtet) (vgl. Ottmers
1996: 194; Lausberg 1963: 40, 144; Ueding/Steinbrink 1994: 311f.; Plett
2001: 81f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 88).
Beispiel: Könnte es sein, dass das Fenster nicht verschlossen, sondern
nur angelehnt war? Und falls ja, wäre es denkbar, dass der Täter nicht
durch die Hintertür, sondern durch eben dieses Fenster eingestiegen ist?
Oxymoron
Antithetische Verbindung zweier Begriffe (vgl. Ottmers 1996: 194;
Lausberg 1963: 127; Ueding/Steinbrink 1994: 313f.; Plett 2001: 61f.;
Kolmer/Rob-Santer 2002: 84f.).
Beispiel: Dichtung und Wahrheit
Contradictio in adiectio
Ein Beiwort, das mit seinem Bezugswort im Widerspruch steht (vgl.
Ottmers 1996: 194; Lausberg 1963: ; Plett 2001: 62).
Beispiel: schwarze Milch
Paradoxon
Miteinander verbundene, gegensätzliche Satzglieder, die vordergründig
einen Widerspruch bilden, auf einer weiteren Interpretationsebene aber
einen Sinn ergeben (vgl. Ottmers 1996: 195; Ueding/Steinbrink 1994: 314;
Kolmer/Rob-Santer 2002: 85f.).
Beispiele: Kein Leben ohne Tod.
Antimetabole (commutatio)
Chiastische Wortstellung einer Antithese (vgl. Ottmers 1996: 195;
Lausberg 1963: 126f.; Ueding/Steinbrink 1994: 308; Plett 2001: 61;
Kolmer/Rob-Santer 2002: 70f.).
Beispiel: Nicht um zu essen, lebe ich, sondern um zu leben, esse ich.
(Quintilian)
Antithetischer Parallelismus
Wortgruppen oder (Teil-)Sätze, deren Satzglieder parallel geordnet und
semantisch gegensätzlich sind (vgl. Ottmers 1996: 195; Lausberg 1963:
126f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 69).
Beispiele: Die Alten zum Rat, die Jungen zur Tat. Frieden den Hütten,
Krieg den Palästen.
5.3.3 Personale Figuren
Nach antikem Ideal sollte die Rede dem Gemeinwohl dienen – dies nicht
zuletzt im Bewusstsein der Kraft, die Rhetorik entfalten kann. Vom
perfectus orator (Cicero) bzw. vir bonus (Quintilian) wurde daher auch
eine ethisch-moralische Befähigung erwartet. Was nun die personalen
Figuren betrifft, so stehen sie den drei ethischen Qualitäten des
Redners – Einsicht, Integrität, Wohlwollen – entgegen (vgl. Ottmers
1996: 120). Daher wurden diese Figuren auch nicht gelehrt, um sie
anzuwenden, sondern um sie zu erkennen und sich gegebenenfalls dagegen
wehren zu können. Hauptmerkmal der personalen Figuren ist, dass sie
nicht auf die Sache bezogen, sondern gegen den Opponenten gerichtet
sind. Meistens handelt es sich um bewusst verletzende Angriffe (vgl.
ebd. S. 196). Kommunikative und appellative Figuren können ebenfalls
personalisiert eingesetzt werden, vgl. z.B. indiskrete Fragen oder
störende Zwischenrufe. Ebenso können Tropen durch negative Bezüge
abwerten. Besonders dankbar für eine verdeckt geführte, persönliche
Verletzung sind die Spielarten der Ironie. Ob sich eine Rede gegen den
Opponenten richtet, ist daher weniger eine Frage der gewählten
Stilmittel als eine Frage des rednerischen Ethos im Umgang derselben.
Obiurgatio
Ein an den Opponenten gerichteter Tadel (vgl. Ottmers 1996: 196).
Beispiel: Dieses Defizit haben wir den Linken und den Netten zu
verdanken.
Iracundia
Schimpfrede, die im Zorn über einen Opponenten herzieht (vgl. Ottmers
1996: 196).
Exsecratio
Verwünschung eines Opponenten (vgl. Ottmers 1996: 196; Kolmer/Rob-Santer
2002: 91).
Beispiel: Geh doch nach Moskau!
Laesio
Verletzung des Opponenten, die oft verdeckt durchgeführt wird, indem auf
tatsächliche oder vermeintliche Schwachstellen der Persönlichkeit
angespielt wird. Hier kommt das ganze Spektrum der gesellschaftlichen
Vorurteile zum Einsatz (vgl. Ottmers 1996: 196f.).
Beispiele: Wir brauchen keine Quotenfrauen, der Bessere soll sich
bewähren.
Illusio (inlusio)
Ironische, oft subtile Verspottung aus einer Position der Überlegenheit
bzw. Überheblichkeit (vgl. Ottmers 1996: 197; Lausberg 1963: 80; vgl.
Plett 2001 zu Ironie S. 116–123, ebenso Kolmer/Rob-Santer 2002: 143ff.).
Beispiel: Haben wir heute mal wieder einen schlechten Tag?
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