5 Anhang: Figurenlehre

Zum Stil von Abstimmungsplakaten (pathos)

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Im Folgenden werden einige Stilfiguren und Tropen vorgestellt, die in der politischen Rede gebräuchlich sind. Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht erhoben. Vielmehr wird ein Überblick geschaffen, der den verschiedenen Ausprägungen sprachlicher Stilmittel Rechnung trägt. In der Struktur und Terminologie folge ich den Ausführungen von Ottmers (1996: 158–198), der sich an Lausberg (1963) orientiert (für eine Gegenüberstellung der Begriffe in Deutsch, Griechisch und Latein vgl. Ueding/Steinbrink 1994: 336–339). Dem Begriff folgt jeweils eine definitorische Umschreibung und wo sinnvoll auch ein Beispiel. Konsultiert wurden neben Ottmers (ebd.) und Lausberg (ebd.) auch Ueding und Steinbrink (1994), Plett (2001) sowie Kolmer und Rob-Santer (2002).

Nach den Erläuterungen der Amplifikationsfiguren folgen die Substitutionsfiguren (Tropen) und abschliessend die Argumentationsfiguren.

 

5.1 Amplifikationsfiguren

Amplifikationsfiguren dienen der Ausschmückung. Dabei beruht die Steigerung des Ausdrucks in einer Abweichung vom normalen Sprachgebrauch. Es lassen sich drei Untergruppen unterscheiden: die Wiederholungsfiguren, die Kürzungsfiguren und die Positionsfiguren. Die Wiederholungsfiguren (repetitio) greifen dieselben (oder zumindest ähnliche) Wörter, Wortgruppen oder Satzelemente wieder auf. Die Kürzungsfiguren (detractio) verkürzen einen Text durch Auslassung von Satzelementen. Die Positionsfiguren (transmutatio) beruhen auf einer Abweichung in der Ordnung des Satzbaus (vgl. Ottmers 1996: 158–165; Ueding/Steinbrink 1994: 299–308; Plett 2001: 35–55, 72–74)


5.1.1 Wiederholungsfiguren (repetitio, conduplicatio)

Geminatio (iteratio)
Verdoppelung eines Wortes oder einer Wortgruppe in unmittelbarer Folge (vgl. Ottmers 1996: 159; Lausberg 1963: 82ff.; Ueding/Steinbrink 1994: 302; Plett 2001: 42; Kolmer/Rob-Santer 2002: 65).
Beispiel: Hört, hört!

Diakope (seperatio)
Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe, unterbrochen durch einen kurzen Einschub (vgl. Ottmers 1996: 159; Plett 2001: 42f.).
Beispiel: Das hast du gut, wirklich gut hingekriegt.

Kyklos (redditio, inclusio)
Der Anfang eines Satzes oder Teilsatzes wird am Ende wiederholt (vgl. Ottmers 1996: 159f.; Lausberg 1963: 87f.; Ueding/Steinbrink 1994: 303; Plett 2001: 43f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 67).
Beispiele: Keine Ahnung hast du, wirklich keine Ahnung.

Epanode (reversio)
Ein Teilsatz wird in umgekehrter Reihenfolge wiederholt (vgl. Ottmers 1996: 160; Kolmer/Rob-Santer 2002: 68).
Beispiel: Ich finde, du bist gemein, gemein bist du.

Anadiplose (reduplicatio)
Ein Wort oder eine Wortgruppe am Ende eines Satzes wird am Anfang des darauf folgenden Satzes wiederholt (vgl. Ottmers 1996: 160; Lausberg 1963: 84f.; Ueding/Steinbrink 1994: 302; Plett 2001: 43; Kolmer/Rob-Santer 2002: 67f.).
Beispiel: Sie lieben leuchtende Farben. Farben können sich aber leicht auswaschen.

Gradatio (climax, connexio)
Das zuerst Genannte wird durch das jeweils Folgende überboten (vgl. Ottmers 1996: 160; Lausberg 1963: 85ff.; Ueding/Steinbrink 1994: 302; Plett 2001: 43).
Beispiel: Gut, super gut, alles super gut!

Antiklimax
Umkehrung der Klimax (vgl. Ottmers 1996: 160; Kolmer/Rob-Santer 2002: 83f.).
Beispiel: Vom Regen in die Traufe.

Anapher (relatio)
Zwei oder mehr aufeinander folgende (Teil-)Sätze beginnen mit demselben Wort oder derselben Wortgruppe (vgl. Ottmers 1996: 160; Lausberg 1963: 88f.; Ueding/Steinbrink 1994: 303; Plett 2001: 44; Kolmer/Rob-Santer 2002: 65f.).
Beispiel: Nichts kann mich davon abbringen, nichts kann mich mehr aufhalten.

Epipher (conversio)
Zwei oder mehr aufeinander folgende (Teil-)Sätze enden mit demselben Wort oder derselben Wortgruppe (vgl. Ottmers 1996: 160; Lausberg 1963: 89f.; Ueding/Steinbrink 1994: 303; Plett 2001: 44f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 66).
Beispiel: Ende gut, alles gut.

Symploke (complexio, concursio)
Kombination von Anapher und Epipher:
Zwei oder mehr aufeinander folgende (Teil-)Sätze beginnen mit demselben Wort oder derselben Wortgruppe und enden analog mit einem anderen Wort oder einer anderen Wortgruppe (vgl. Ottmers 1996: 160; Lausberg 1963: 90; Ueding/Steinbrink 1994: 303; Plett 2001: 45; Kolmer/Rob-Santer 2002: 66).
Beispiel: Er hat es weit gebracht, er hat es bis zum Major gebracht.

Polyptoton (traductio, metabole)
Ein Wort wird in anderer grammatikalischer Form, meist in anderer Flexionsform, wiederholt (vgl. Ottmers 1996: 160f.; Lausberg 1963: 92f.; Ueding/Steinbrink 1994: 303; Plett 2001: 47; Kolmer/Rob-Santer 2002: 61).
Beispiel: das Buch der Bücher

Figura etymologica
Ein Wortstamm wird in einer anderen Wortform wiederholt (vgl. Ottmers 1996: 161; Lausberg 1963: 92; Ueding/ Steinbrink 1994: 304; Plett 2001: 47; Kolmer/Rob-Santer 2002: 62).
Beispiel: Jeder soll sein Leben leben, wie es ihm passt.

Paronomasie (annominatio, adnominatio)
Verknüpfung semantisch unterschiedlicher, aber klangähnlicher Wörter (vgl. Ottmers 1996: 161; Lausberg 1963: 91f.; Ueding/Steinbrink 1994: 304; Plett 2001: 47f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 62f.).
Beispiel: Träume sind Schäume.

Synonym
Wiederholung einer gleichen oder ähnlichen Wortbedeutung bei Verwendung unterschiedlicher Wörter (vgl. Ottmers 1996: 161; Lausberg 1963: 64, 93f., 97f.; Ueding/Steinbrink 1994: 288, 303f.; Plett 2001: 46; Kolmer/Rob-Santer 2002: 80f.).
Beispiel: Sie verfolgten, hetzten, jagten ihn, bis er zusammenbrach.

Tautologie
Überflüssige Hinzufügung synonymer Wörter ohne semantische Erweiterung (vgl. Ottmers 1996: 161; Plett 2001: 45; Kolmer/Rob-Santer 2002: 79).
Beispiel: Ich persönlich unterstütze das voll und ganz.

Pleonasmus
Störende Wiederholung semantischer Merkmale durch überflüssige Hinzufügung (vgl. Ottmers 1996: 161f.; Plett 2001: 45; Kolmer/Rob-Santer 2002: 79).
Beispiel: weisser Schimmel

Diaphora
Ein Wort wird in einer anderen Bedeutung wiederholt. Verändert sich die Bedeutung innerhalb eines monologischen Beitrags, so handelt es sich um eine Antistasis, im Dialog um eine Anaklasis (vgl. Ottmers 1996: 162; Lausberg 1963: 115; Plett 2001: 46f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 63f.).
Beispiel: Nicht hartes Brot, sondern kein Brot zu haben ist hart.

Alliteration
Wiederholung eines einzelnen Lautes (vgl. Ottmers 1996: 162; Lausberg 1963: 116, 151f.; Plett 2001: 50f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 54, 56).
Beispiel: Veni vidi vici.

 

5.1.2 Kürzungsfiguren (detractio)

Ellipse (eclipsis, defectio, omissio)
Auslassung eines Wortes oder einer Wortgruppe (vgl. Ottmers 1996: 163; Lausberg 1963: 104; Ueding/Steinbrink 1994: 305; Plett 2001: 72f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 75f.).
Beispiel: Genverbotsinitiative NEIN!

Zeugma (adiunctio)
Auslassung von Satzelementen zwecks Verkürzung, wobei syntaktische oder semantische Fehler entstehen (vgl. Ottmers 1996: 163f.; Lausberg 1963: 104ff.; Ueding/Steinbrink 1994: 305f.; Plett 2001: 73f.; Kolmer/ Rob-Santer 2002: 76f.). Beispiel: Die Sportgruppe ist im Hotel angekommen, und ihre Trainer mittlerweile auch.

 

5.1.3 Positionsfiguren (transmutatio)

Hyperbaton (traiectio, transgressio)
Zwei syntaktisch zusammengehörige Einheiten werden durch ein nicht dazugehöriges Element getrennt (vgl. Ottmers 1996: 164; Lausberg 1963: 110; Ueding/Steinbrink 1994: 307; Kolmer/Rob-Santer 2002: 73ff.).
Beispiel: Mach dir heute einen Plan, damit du die Zeit gut einteilen kannst, und die darauf folgenden Tage auch.

Anastrophe (inversio, reversio)
Umstellung der üblichen Satzstellung (vgl. Ottmers 1996: 164; Lausberg 1963: 109; Ueding/Steinbrink 1994: 306; Plett 2001: 36).
Beispiel: Heimtückisch hat er den Mord geplant und durchgeführt.

Hypallage (Enallage)
Falsches grammatisches Verhältnis zwischen einem Beiwort und seinem Beziehungswort. Zumeist wird ein Adjektiv auf ein anderes Substantiv bezogen (vgl. Ottmers 1996: 164f.; Lausberg 1963: 103; Ueding/Steinbrink 1994: 306; Plett 2001: 36f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 77f.).
Beispiel: eine heisse Tasse Tee

Hysteron proteron
Verkehrung der zeitlichen oder logischen Reihenfolge (vgl. Ottmers 1996: 165; Lausberg 1963: 137f.; Ueding/Steinbrink 1994: 306f.; Plett 2001: 37; Kolmer/Rob-Santer 2002: 78).
Beispiele: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Rettet die ungeborenen Kinder. Totgesagte leben länger.

Parallelismus
Zwei oder mehr Sätze oder Teilsätze sind parallel gebaut. Ist die Silbenzahl der Wörter und die Länge der Satzeinheiten identisch, handelt es sich um ein Isokolon, sind sie nur annähernd gleich, um ein Parison (vgl. Ottmers 1996: 165; Lausberg 1963 vgl. Isocolon S. 111ff.; Ueding/Steinbrink 1994: 307f.; Plett 2001: 38f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 69f.).
Beispiel: Wir weiten und engen, wir kürzen und längen.

Chiasmus
Bei zwei Sätzen oder Teilsätzen sind die Satzglieder einander entgegengesetzt (vgl. Ottmers 1996: 165f.; Lausberg 1963: 128–131; Ueding/Steinbrink 1994: 308; Plett 2001: 39; Kolmer/Rob-Santer 2002: 70).
Beispiel: Der Einsatz war gross, klein war der Gewinn.
Liegen die gleichen Wörter in umgekehrter Reihenfolge vor, so handelt es sich um eine Epanode.
Beispiel: Alle für einen, einer für alle.

 

5.2 Substitutionsfiguren (Tropen)

Allen Substitutionsfiguren gemeinsam ist, dass etwas an die Stelle von etwas anderem gesetzt wird (Substitution). Dabei kann ein Wort (Substituendum) durch ein anderes Wort oder durch eine Wortgruppe (Substituens) ersetzt werden. Das Prinzip der Substitution, das auch die Semiotik dem Zeichenprozess zugrunde legt (aliquid stat pro aliquo) ist zentral für die konstruktivistische Metapherntheorie von Lakoff und Johnson (1998), die von der Sprache annehmen, dass sie durch Metaphern strukturiert sei, die auf Primärerfahrungen mit der physischen und kulturellen Umwelt beruhen.

Unterschieden werden die Substitutionsfiguren nach der Beziehung von ersetztem und ersetzendem Begriff. Während bei den so genannten "Sprungtropen" (Metapher, Ironie etc.) das Gesagte (verbum improprium) und das eigentlich Gemeinte (verbum proprium) aus unterschiedlichen ontologischen Bereichen entstammen, besteht bei den so genannten "Grenzverschiebungstropen" (Metonymie, Synekdoche etc.) eine verwandtschaftliche Beziehung ihrer Herkunftsbereiche (zu den Sprung- und Grenzverschiebungstropen vgl. Lausberg 1963: 65f., 68–80, 138–143; Plett 2001: 90 sowie die Übersichtsdarstellung bei Kolmer/Rob-Santer 2002: 126.). Die Beziehung zwischen Gesagtem und eigentlich Gemeintem beruht zudem auf Ähnlichkeit (ausser bei der Ironie, wo gerade die Unähnlichkeit entscheidend ist), die über eine Vergleichsebene (tertium comparationis) vom Redner konstruiert und vom Hörer rekonstruiert wird. Die Ähnlichkeit (similitudo) kann auf gemeinsamen semantischen Merkmalen beruhen (wie beim Synonym) oder auf klanglicher Ähnlichkeit (wie bei der Onomatopoeia). Die Funktion der Substitutionsfiguren ist zudem vielfältig. Metaphern können konventionelle Denk- und Sprachmuster überschreiten und so neue Phänomene erst fassbar machen (Katachrese) oder bekannte in einem neuen Licht erscheinen lassen. Sie können komplexe Sachverhalte vereinfachen und abstrakte konkretisieren. Nebst spielerischer Variation und Veranschaulichung können Metaphern auch Mittel der Bewertung sein, indem sie einen Sachverhalt mit einem anderen positiv oder negativ konnotierten Sachverhalt in eine Ähnlichkeitsbeziehung setzen. Die Ironie schliesslich kann sich zwischen Sprachwitz, wohlwollender Kritik und Herablassung bewegen. Der Übergang zwischen Stilfiguren und Tropen ist zudem fliessend: So können Tropen steigernde Funktion haben wie die Amplifikationsfiguren (Hyperbel, Litotes, Emphase) oder wie semantische Figuren zur Umschreibung eingesetzt werden (Periphrase, Euphemismus etc.) (vgl. Ottmers 1996: 166–182; Lausberg 1963: 65–80, 138–143; Ueding/Steinbrink 1994: 287–299; Plett 2001: 89–123; Kolmer/Rob-Santer 2002: 115–119, 125–146).

 

5.2.1 Sprungtropen

Metapher
Substitution eines Begriffs durch andere Begriffe, wobei das Gesagte mit dem tatsächlich Gemeinten in einer Beziehung der Ähnlichkeit steht (tertium comparationis). Häufig handelt es sich um die Substitution von Unbelebtem durch Belebtes (und umgekehrt) wie z.B. bei der Personifikation. Ebenso häufig ist die Substitution von Abstraktem durch Konkretes (und umgekehrt). In jedem Fall aber entstammen das Gesagte und das Gemeinte aus ontologisch unterschiedlichen Bereichen (vgl. Ottmers 1996: 168ff.; Lausberg 1963: 79f.; Ueding/Steinbrink 1994: 295f.; Plett 2001: 100ff.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 135–139). In der Antike betrachtete man die Metapher als verkürzten Vergleich. Anstatt das eine mit dem anderen zu vergleichen, tritt es gleich an dessen Stelle (vgl. Kolmer/Rob-Santer 2002: 136). Gegenwärtige Metapherntheorien gehen jedoch von einer Interaktionsbeziehung aus, wobei das Gesagte und das Gemeinte nicht nur über gemeinsame semantische Merkmale vergleichbar sind, sondern diese auch gegenseitig übertragen und damit eine Vergleichsebene erst hervorbringen (vgl. Black 1954: 55–79; Richards 1936: 31–52).
Beispiel: Richard ist ein Löwe.

Metaphernfeld (continua metaphora)
Eine Metapher kann sich über längere Texteinheiten ausdehnen oder auch einen ganzen Text durchziehen und prägen. Wird dabei wiederholt auf ein und dieselbe Metapher Bezug genommen, spricht man von einem Metaphernfeld (vgl. Ottmers 1996: 173; Ueding/Steinbrink 1994: 296f.).
Beispiel: Wirtschaftskapitäne haben es nicht einfach. Wenn Sturm aufkommt, stehen sie allein auf der Brücke und müssen zusehen, wie sie wieder auf Kurs kommen.

Allegorie
Eine Allegorie liegt vor, wenn unterschiedliche Metaphern gemeinsam ein Bild fügen (vgl. Ottmers 1996: 173f.; Lausberg 1963: 80, 140f.; Plett 2001: 112ff.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 139ff.).
Beispiel: Verbundene Augen bedeuten 'Unvoreingenommenheit', die Waage 'Gerechtigkeit', das Schwert 'Urteilsfähigkeit'; als Attribute eines klassischen Standbildes stellen diese Metaphern die Justitia dar.

Ironie (illusio, irrisio, (dis)simulatio)
Substitution eines Begriffs durch andere Begriffe, wobei das Gesagte mit dem tatsächlich Gemeinten in einer Beziehung der Unähnlichkeit steht; d.h. es wird etwas vorgespielt, das im vorliegenden Fall gar nicht existiert (simulatio), während das Offensichtliche gerade verborgen wird (dissimulatio). Dabei wird nonverbal durch Mimik und Gestik, paraverbal über die Prosodie oder verbal durch das Hinzufügen eigentlich redundanter Partikel dem Adressaten bedeutet, dass das Gesagte nicht so gemeint ist (Ironiesignale). Die Ironie kann sich auf einzelne Aussagen beschränken oder ganze Texte durchziehen. Zudem kann sie in unterschiedlicher Qualität auftreten: neben einer unterhaltsamen Form (Asteïsmus) als wohlwollende Kritik (Charientismus), höhnische Blossstellung (Diasyrmus), Verächtlichkeit (Mycterismus) oder Bitterkeit (Sarkasmus). Die Grenzen sind dabei fliessend (vgl. Ottmers 1996: 177ff.; Lausberg 1963: 80, 141ff.; Ueding/Steinbrink 1994: 298f., 316; Plett 2001: 116ff.; Kolmer/ Rob-Santer 2002: 143ff.).
Beispiel: Du bist vielleicht ein Held! (als Beispiel für Charientismus)

 


5.2.2 Grenzverschiebungstropen

Metonymie (denominatio, transmutatio)
Substitution eines Begriffs durch andere Begriffe, wobei das Gesagte und das tatsächlich Gemeinte aus dem gleichen ontologischen Bereich stammen. Das Verhältnis der Ähnlichkeit liegt also in der Nachbarschaft der Begriffe begründet. So wird etwa die Wirkung anstelle der Ursache gesetzt, die Folge anstelle des Grundes, der Raum für den Inhalt und Symbole für den damit bedeuteten Sachverhalt (vgl. Ottmers 1996: 174f.; Lausberg 1963: 77ff.; Ueding/Steinbrink 1994: 294; Plett 2001: 98f.; Kolmer/ Rob-Santer 2002: 134f.).
Beispiele: Er liest Goethe. Die kleine Kammer hat entschieden. Sie haben das Kriegsbeil ausgegraben.

Synekdoche (intellectio, conceptio, comprehensio)
Die Synekdoche ist eine spezielle Form der Metonymie, wobei das ontologische Ähnlichkeitsverhältnis von Gesagtem und Gemeintem nicht nur qualitativer, sondern auch quantitativer Art ist, indem ein Teil für das Ganze gesetzt wird (pars pro toto) oder das Ganze für einen Teil (totum pro parte), die Art für die Gattung oder die Einzahl für die Mehrzahl (und umgekehrt) (vgl. Ottmers 1996: 175f.; Lausberg 1963: 70ff.; Ueding/Steinbrink 1994: 289f.; Plett 2001: 92; Kolmer/ Rob-Santer 2002: 130f.).
Beispiele: Skinheads; Waldsterben

Antonomasie (pronominatio)
Ein Eigenname wird umschrieben, und zwar durch eine typisierende Beifügung (epitheton) oder durch eine Umschreibung (periphrasis) (vgl. Ottmers 1996: 176; Lausberg 1963: 56, 73f.; Ueding/Steinbrink 1994: 290; Plett 2001: 93; Kolmer/ Rob-Santer 2002: 132f.).
Beispiele: der blutige Anfänger (epitheton); der Allmächtige; der Leibhaftige (periphrasis)

Appellativum
Ein Eigenname wird durch den Eigennamen einer historischen oder mythologischen Person ersetzt, die ähnliche Eigenschaften mit der damit bezeichneten Person besitzt (vgl. Ottmers 1996: 176; Lausberg 1963: 56; Ueding/Steinbrink 1994: 290 zur Antonomasie; vgl. auch Plett 2001: 93ff.).
Beispiel: Der Mäzen des FC Basels zieht sich zurück.

Synonym
Ein Wort wird durch ein gleichbedeutendes ersetzt zum Zweck der Variation (vgl. Ottmers 1996: 167; Lausberg 1963: 64, 93f.; Ueding/Steinbrink 1994: 288; Plett 2001: 48f.; Kolmer/ Rob-Santer 2002: 80f.).
Beispiel: Werk oder Publikation als Variation für Buch

Onomatopoeia
Lautmalerei ersetzt Worte durch Laute, die dem sinnlichen Eindruck des Gemeinten ähnlich sind (vgl. Ottmers 1996: 179f.; Lausberg 1963: 151f.; Ueding/Steinbrink 1994: 288; Kolmer/Rob-Santer 2002: 59f.).
Beispiel: Es klingelt in der Staatskasse.

Hyperbel (superlatio)
Bewusste Übertreibung (amplificatio) in Anzahl, Grösse, Gewicht oder Intensität (vgl. Ottmers 1996: 180; Lausberg 1963: 76f., 139f.; Ueding/Steinbrink 1994: 271f., 293f.; Plett 2001: 96ff.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 128ff.).
Beispiel: Ich habe dir schon tausendmal gesagt (…) Möglich ist auch die Untertreibung:
Beispiel: Könnte ich noch ein klitzekleines Stück Kuchen haben? (minutio)

Litotes (exadversio)
Scheinbare Untertreibung, tatsächlich aber eine Steigerung durch Verneinung des Gegenteils (vgl. Ottmers 1996: 180f.; Lausberg 1963: 76; Ueding/Steinbrink 1994: 289; Plett 2001: 96; Kolmer/Rob-Santer 2002: 133f.).
Beispiel: Das war nicht schlecht!

Emphase
Emphase meint generell die Betonung eines Ausdrucks (z.B. durch Verdoppelung, Steigerung etc.) und ist heute gebräuchlich für implizite Formen der Betonung (vgl. Ottmers 1996: 181; Lausberg 1963: 74ff., 138f.; Ueding/ Steinbrink 1994: 292f.; Plett 2001: 95; Kolmer/Rob-Santer 2002: 131f.).
Beispiele: Was für ein Tag!

Periphrase (circumlocutio, circumscriptio)
Ersetzung eines Wortes durch eine Wortgruppe (Umschreibung) (vgl. Ottmers 1996: 181; Lausberg 1963: 69f., 139; Ueding/Steinbrink 1994: 288f.; Plett 2001: 68f., 91; Kolmer/Rob-Santer 2002: 126f.).
Beispiel: der Ritter von der traurigen Gestalt

Euphemismus
Beschönigung eines (gesellschaftlich tabuisierten) Sachverhalts (vgl. Ottmers 1996: 182; Lausberg 1963: 66; Plett 2001: 91, 120; Kolmer/Rob-Santer 2002: 127f.).
Beispiel: Unser lieber Onkel ist von uns gegangen.

Aischrologie
Die Schimpfrede will mit Absicht brüskieren (vgl. Ottmers 1996: 182; Kolmer/Rob-Santer 2002: 115f.).
Beispiel: Diesen Frass krieg ich nicht runter.

Epitheton
Das schmückende Beiwort (epitheton ornans) bildet zusammen mit einem Substantiv eine feste Verbindung zwecks Präzisierung oder Steigerung des Ausdrucks (vgl. Ottmers 1996: 182; Lausberg 1963:101f.; Ueding/ Steinbrink 1994: 291f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 80).
Beispiele: die Olympischen Spiele; die grosse Kammer; das schwarze Brett

Preziösität
Gestelzte Formulierung (vgl. Ottmers 1996: 182; Lausberg 1963: 62f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 115).
Beispiel: Madame hat sich fürchterlich echauffiert.

Neologismus
Neuschöpfung eines Wortes (vgl. Ottmers 1996: 182; Lausberg 1963: 49; Ueding/Steinbrink 1994: 287; Kolmer/Rob-Santer 2002:118f.).
Beispiel: Scheininvalide

Archaismus
Veralteter Ausdruck (vgl. Ottmers 1996: 182; Lausberg 1963: 49; Ueding/Steinbrink 1994: 286f.; Kolmer/Rob-Santer 2002:116f.).
Beispiel: Häscher für Gerichtsdiener

 

5.3 Argumentationsfiguren

Argumentationsfiguren unterstützen die Absichten und Ziele einer Rede und bringen die Argumentation voran, weshalb sie auch argumentationssteuernde Figuren genannt werden. Allerdings dienen sie nicht allein dem rationalen Argumentieren, sondern auch einer affektischen Argumentationsweise, die auf die Gefühle des Publikums wirken will. Ausgehend von ihren Wirkungsabsichten bilden die Argumentationsfiguren drei Untergruppen: die kommunikativen und appellativen Figuren, die semantischen Figuren und die personalen Figuren. Die kommunikativen und appellativen Figuren (communicatio) sind primär auf das Publikum gerichtet, um dessen Aufmerksamkeit zu erregen, zu steigern oder zu bewahren. Die semantischen Figuren sind primär auf die Sache gerichtet und die Art und Weise, wie der Redner damit umgeht. Die personalen Figuren hingegen richten sich auf den Opponenten. Da sie bewusst unsachlich und verletzend sind, stehen die personalen Figuren jedoch dem Ethos des Redners entgegen, der sich durch Einsicht, Tugend und Wohlwollen auszeichnen sollte (vgl. Aristoteles II.1.5; Ottmers 1996: 182–198; Ueding/Steinbrink 1994: 308–323; Plett 2001: 56–72, 74–88; Kolmer/Rob-Santer 2002: 75, 77–114).

 

5.3.1 Kommunikative und appellative Figuren (communicatio, deliberatio)

Rogatio (interrogatio)
Die rhetorische Frage erwartet keine Antwort, sondern impliziert sie, oder der Redner antwortet selbst (vgl. Ottmers 1996: 184; Lausberg 1963: 146f.; Ueding/Steinbrink 1994: 310f.; Plett 2001: 80; Kolmer/Rob-Santer 2002: 87f.).
Beispiel: Wollen Sie etwa, dass der Steuerfuss angehoben wird?

Subiectio
Eine Abfolge von Fragen und Antworten, die der Redner monologisch inszeniert (polemisch oder ironisch) (vgl. Ottmers 1996: 184; Ueding/Steinbrink 1994: 311f.; Plett 2001: 81f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 88).
Beispiel: Und hat der Täter daraufhin seinem Opfer geholfen? Nein, er hat gewartet, bis es kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Und hat er dann wenigstens einen Krankenwagen gerufen? Nein, er hat nur das Geld an sich genommen und das Weite gesucht.

Aporie (dubitatio, deliberatio)
Gespielte Schwierigkeit des Redners mit dem Thema oder seiner Darstellung. Oft werden solche vorgegebenen Zweifel als Bescheidenheitsgeste am Anfang einer Rede eingesetzt (Exordialtopoi) (vgl. Ottmers 1996: 184; Lausberg 1963: 145; Ueding/Steinbrink 1994: 312f.; Plett 2001: 81; Kolmer/Rob-Santer 2002: 89).
Beispiele: Womit soll ich beginnen? …wie soll ich sagen…?

Correctio
Selbstkorrektur des eigenen Standpunktes in Form eines Exkurses, der zurück zur eigenen Argumentation lenkt oder punktuell der Steigerung des Ausdrucks dient (vgl. Ottmers 1996: 184; Lausberg 1963: 85, 124; Ueding/Steinbrink 1994: 314; Plett 2001: 59f.; Kolmer/ Rob-Santer 2002: 96).
Beispiel: Er hat berechnend, nein, kaltblütig gehandelt.

Concessio (confessio)
Scheinbare Kapitulation vor den gegnerischen Argumenten, meist ironisch herablassend, um sie anschliessend mit noch überzeugenderen Argumenten zu übertreffen (vgl. Ottmers 1996: 184; Lausberg 1963: 145; Ueding/Steinbrink 1994: 318; Plett 2001: 82: Kolmer/Rob-Santer 2002: 95).
Beispiel: Sie haben vollkommen Recht, wenn sie behaupten, dass die Wirtschaft in den letzten Jahren keinen Aufschwung erlebt hat. Das hat ja auch ihre Fraktion zu verantworten.

Obsecratio
Scheinbare Ratlosigkeit mit der Bitte (des Publikums) um Beistand. In der Antike und später auch in literarischen Textgattungen ist auch der Götteranruf, die Invocatio, gebräuchlich (vgl. den Götteranruf Ovids in den Metamorphosen) (vgl. Ottmers 1996: 184f.; Lausberg 1963: 146; Plett 2001: 81; Kolmer/Rob-Santer 2002: 91).
Beispiel: Dann sagen Sie mir bitte, was ich hätte tun sollen.

Permissio
Aufforderung bzw. Erlaubnis des Publikums, mit der Rede fortzufahren (vgl. Ottmers 1996: 185; Lausberg 1963: 142; Ueding/Steinbrink 1994: 314; Plett 2001: 83; Kolmer/Rob-Santer 2002: 89f.).
Beispiel: Wer etwas gegen diese Verbindung einzuwenden hat, bringe es vor oder schweige für immer.

Exclamatio
(Gespielter) Ausruf, der an die Gefühle des Publikums appelliert (vgl. Ottmers 1996: 185; Lausberg 1963: 147; Ueding/Steinbrink 1994: 313; Plett 2001: 83f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 92f.).
Beispiel: Ach ja? Tatsächlich? Und das sollen wir ihnen nun glauben?

Sermocinatio (allocutio, imitatio, percontatio)
Die Rede eines anderen wird referiert oder es wird mit jemandem ein fiktiver Dialog geführt. Dies kann auch zur negativen Charakterisierung des Opponenten eingesetzt werden (vgl. Ottmers 1996: 185; Lausberg 1963: 143f.; Ueding/Steinbrink 1994: 319f.; Plett 2001: 85ff.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 93).
Beispiel: Ihr Fraktionsvorsitzender würde nun wahrscheinlich sagen…

 

5.3.2 Semantische Figuren

Praeparatio (propositio)
Ankündigung der folgenden Redeteile zu Beginn einer Rede oder eines Redeabschnittes (vgl. Ottmers 1996: 186; Lausberg 1963: 27, 97; Ueding/Steinbrink 1994: 318f.; Plett 2001: 82; Kolmer/Rob-Santer 2002: 94).
Beispiele: Zuerst komme ich auf (…) zu sprechen, anschliessend werde ich kurz erläutern (…)
oder: Hiermit kommen wir zum Schluss.

Definitio
Begriffe, die für die Argumentation zentral sind, werden erläutert (vgl. Ottmers 1996: 186; Lausberg 1963: 123; Ueding/Steinbrink 1994: 289; Plett 2001: 58f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 109ff.).
Beispiel: Der Leistungsauftrag der SRG sieht nicht nur Bildung, sondern auch Unterhaltung vor.

Antizipation (praeventio, praesumptio, praeoccupatio, conciliatio)
Vorwegnahme der gegnerischen Argumente, um sie auszuräumen und den Weg zu bereiten für die eigenen Argumente (vgl. Ottmers 1996: 187; Lausberg 1963: 123f.; Ueding/Steinbrink 1994: 318; Plett 2001: 82; Kolmer/Rob-Santer 2002: 94f.).
Beispiel: Sie werden nun vielleicht einwenden, dass damit die Kosten auf die Patienten abgeschoben werden. Tatsächlich aber wurden diese Therapien in die Grundversicherung aufgenommen.

Concessio
Ein partielles Zugeständnis, das anschliessend wieder ganz oder teilweise widerrufen wird (vgl. Ottmers 1996: 187; Lausberg 1963: 145; Ueding/Steinbrink 1994: 318; Plett 2001: 82; Kolmer/Rob-Santer 2002: 95).
Beispiel: Es stimmt zwar, dass die Mietkosten aufgrund der Renovation gestiegen sind, mit der neuen Isolation konnten aber gleichzeitig die Heizkosten um mehr als die Hälfte gesenkt werden.

Konsens (consensio)
Übereinstimmung mit der gegnerischen Seite, möglicherweise aus taktischen Gründen (vgl. Ottmers 1996: 187).
Beispiel: Wir sind uns einig, dass die Krankenkassenprämien gesenkt werden müssen. Ich verstehe daher nicht, weshalb ihre Partei das Reformpaket bekämpft.

Correctio
Zurückweisung eines gegnerischen Arguments verbunden mit einer Richtigstellung (vgl. Ottmers 1996: 187; Lausberg 1963: 124; Ueding/Steinbrink 1994: 314; Plett 2001: 59f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 96).
Beispiel: Es entspricht schlicht und einfach nicht den Tatsachen, wenn sie behaupten, der Konkurs sei dem Verwaltungsrat anzulasten. Vielmehr wurden im Management gravierende Fehler begangen.

Dilemma (divisio)
Argumente werden dialektisch gegeneinander erwogen, oft in Form einer antithetischen Struktur (vgl. Ottmers 1996: 187; Lausberg 1963: 126; Ueding/Steinbrink 1994: 314; Plett 2001: 59).
Beispiel: Einerseits haben sie Recht, wenn sie sagen (…), andererseits müssen sie aber bedenken (…)

Aposiopese (praecisio, interruptio, reticentia)
Redeabbruch im Affekt (vgl. Ottmers 1996: 188; Lausberg 1963: 104, 137; Ueding/Steinbrink 1994: 322f.; Plett 2001: 76; Kolmer/Rob-Santer 2002: 98).
Beispiel: Aber lassen wir das…

Paralipse (occupatio, praeteritio)
Erklärung, dass der Redner auf einen Gegenstand nicht eingehen will, wodurch dieser gerade betont wird (vgl. Ottmers 1996: 187f.; Lausberg 1963: 137; Ueding/Steinbrink 1994: 317f.; Plett 2001: 75f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 97f.).
Beispiel: Ich brauche hier nicht näher zu erläutern, wie sehr meine Mandantin unter den Folgen der physischen Attacke gelitten hat. Ganz zu schweigen von der psychischen Belastung.
Die Paralipse kann auch den Charakter einer Allusio annehmen, beispielsweise wenn etwas suggeriert werden soll, was man nicht offen aussprechen will.
Beispiel: Wir können uns ja denken, was die beiden da so allein gemacht haben.

Apostrophe (aversio)
Der Redner wendet sich von seinem Publikum ab und einem anderen (fiktiven) Gegenüber zu (vgl. Ottmers 1996: 188; Lausberg 1963: 145f.; Ueding/Steinbrink 1994: 321f.; Plett 2001: 84f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 90).
Beispiel: Und dem Bundesrat in Bern möchte ich von dieser Stelle aus zurufen…

Licentia
Eine Entschuldigung mit Bitte um Erlaubnis etwas vorzubringen, das kaum auf Akzeptanz stossen kann (vgl. Ottmers 1996: 189; Lausberg 1963: 145; Ueding/Steinbrink 1994: 315; Kolmer/Rob-Santer 2002: 98f.).
Beispiel: Auch wenn sie das jetzt nicht gerne hören, muss ich sie bitten, die Regeln zu beachten.

Enumeratio (dinumeratio)
Aufzählung im Sinne einer Aneinanderreihung von Einzelelementen, die in einem Zusammenhang stehen (vgl. Ottmers 1996: 189f.; Lausberg 1963: 98ff.; Plett 2001: 58; Kolmer/Rob-Santer 2002: 100f.).
Beispiel: Unter den Demonstranten waren junge und alte Leute, Frauen wie Männer.

Descriptio
Veranschaulichende Beschreibung eines Gegenstandes oder Sachverhalts durch Aufzählung von Details (vgl. Ottmers 1996: 190; Lausberg 1963: 119; Plett 2001: 63ff.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 101ff.).
Beispiel: Wer mit dem Existenzminimum leben muss, kann die Fixkosten für Miete und Krankenkasse nur knapp berappen. Der Speiseplan ist auf das Notwendige beschränkt und der Kaffee unerschwinglich.

Distributio (digestio, partitio)
Aufzählung, wobei ein Überbegriff durch seine Unterbegriffe erläutert wird (vgl. Ottmers 1996: 190; Lausberg 1963: 98, 100ff.; Plett 2001: 57f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 101).
Beispiel: Die Schweiz braucht eine schlagkräftige Armee: Flieger, Panzer, Sturmgewehre modernen Typs.

Polysyndeton (acervatio)
Aufzählung, wobei die einzelnen Glieder durch Konjunktionen verbunden sind (vgl. Ottmers 1996: 190f.; Lausberg 1963: 81f.; Ueding/Steinbrink 1994: 304f.; Plett 2001: 74f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 71).
Beispiel: Da gab es Kuchen und Schokolade und Erdbeereis und alles, was man sich nur wünschen kann.

Asyndeton (dissolutio)
Aufzählung, wobei die einzelnen Glieder ohne Konjunktionen aufeinander folgen (vgl. Ottmers 1996: 191; Lausberg 1963: 81f., 108f.; Ueding/Steinbrink 1994: 304f.; Plett 2001: 74f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 72).
Beispiel: Wollen wir Tamilen, Jugoslawen, Türken die Einbürgerung verweigern?

Similitudo (comparatio)
Der Vergleich illustriert einen Begriff oder Gedanken innerhalb einer Argumentationsführung durch einen anderen, ähnlichen Begriff oder Gedanken. Voraussetzung ist eine Vergleichbarkeit, die auf Ähnlichkeit beruht (tertium comparationis). Ist der Vergleich nicht nur lokal, sondern zieht er sich über eine längere Texteinheit, so handelt es sich um ein Gleichnis (vgl. Ottmers 1996: 191f.; Lausberg 1963: 133ff.; Ueding/Steinbrink 1994: 286; Plett 2001: 70ff.; Kolmer/ Rob-Santer 2002: 105f.)Beispiel: Mit den Hooligans ist es wie mit den Kindern: Man muss ihnen alles ganz genau erklären: dass man nicht auf den Rasen spuckt, nicht mit Flaschen wirft und nicht die anderen Fans verhaut.

Exemplum (paradeigma)
Das Beispiel kann sowohl schmückende als auch beweisende Funktion haben, indem es einen Sachverhalt anschaulich verdeutlicht (illustratives Beispiel) oder als Beleg für eine aufgestellte Behauptung herangezogen wird (induktives Beispiel) (vgl. Ottmers 1996: 192; Lausberg 1963: 135; Ueding/Steinbrink 1994: 267f.; Plett 2001: 71f.; Kolmer/ Rob-Santer 2002: 107f., 198–202).

Sententia
Sinn- und Denkspruch, der in knapper, einprägsamer Formulierung allgemein Bekanntes oder Akzeptiertes auf den Punkt bringt. Als argumentative Verkürzung kann sie komplexe Sachverhalte auch unzulässig simplifizieren oder pejorativ als Vorurteil eingesetzt werden (vgl. Ottmers 1996: 192; Lausberg 1963: 131f.; Ueding/Steinbrink 1994: 268f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 108f.). Gemäss Lausberg (1963) ist die Sententia ein "semantisch infiniter Satz, der mit dem Anspruch normativer Geltung auftritt" (S. 168). Am Schluss eines argumentierenden oder narrativen Gedankengangs wird diese Figur auch Epiphonema genannt (vgl. ebd. S. 132)
Beispiel: Das Boot ist voll.

Allusio (Significatio)
Eine Anspielung bzw. Andeutung besagt mehr, als sie explizit zu erkennen gibt. Sie kann bspw. auf einen anderen Text anspielen, so dass in der Verfremdung das Original erkennbar ist. Abwandlungen dieser Art kommen oft in Form von Wortspielen mit allgemein bekannten Denk- und Werbesprüchen vor (vgl. Ottmers 1996: 192; Lausberg 1963: 138ff.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 142f.).
Beispiel: Endspiel gut, alles gut.

Parenthese (interpositio, declinatio, interpellatio)
Kurzer, ergänzender Einschub innerhalb einer Argumentationsführung (vgl. Ottmers 1996: 193; Lausberg 1963: 138; Ueding/Steinbrink 1994: 301f.; Plett 2001: 69; Kolmer/Rob-Santer 2002: 74f., auch Paraphrase ebd. S. 111).
Beispiel: Das Existenzminimum – und es handelt sich wirklich um ein absolutes Minimum – sollte jedem zukommen, der ausweisen kann, durch Arbeit den Lebensunterhalt nicht eigenständig bestreiten zu können.

Exkurs (digressio)
Längerer Einschub innerhalb einer Argumentation in Form einer in sich geschlossenen Texteinheit (vgl. Ottmers 1996: 193; Lausberg 1963: 144; Plett 2001: 70; Kolmer/Rob-Santer 2002: 111f.).

Klimax (gradatio, progressio)
Eine Steigerung, die sich stufenweise über längere Passagen aufbaut. (Sie ist ausgedehnter, als die gleichnamige Amplifikationsfigur, und beruht zudem nicht auf der Wiederholung von Worten) (vgl. Ottmers 1996: 194; Lausberg 1963: 85f.; Ueding/Steinbrink 1994: 302; Plett 2001: 68; Kolmer/Rob-Santer 2002: 82f.).

Antiklimax (extenuatio)
Herabstufung über längere Passagen (vgl. Ottmers 1996: 194; Kolmer/Rob-Santer 2002: 83f.).

Antithese (contentio, contrarium, oppositio)
Wörter, Wortgruppen, (Teil-)Sätze oder ganze Textabschnitte sind einander semantisch konträr gegenüber gestellt. Dabei müssen die Gegensätze nicht absolut sein, sondern können auch relativ sein (vgl. Ottmers 1996: 194; Lausberg 1963: 126ff.; Ueding/Steinbrink 1994: 308, 313; Plett 2001: 60f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 84).
Beispiel: Während man gut Verdienende mit Steuergeschenken belohnt, werden kinderreiche Familien durch diese Regelung noch zusätzlich belastet.

Regressio
Antithetische Konfrontation, indem ein Redner kontradiktorisch auf seinen Vorredner Bezug nimmt (vgl. Ottmers 1996: 194; Lausberg 1963: 128; Kolmer/Rob-Santer 2002: 68f.).
Beispiel: Wenn mein Ratskollege zuvor gesagt hat, dass die Preise sinken werden, so ist das völlig haltlos.

Subiectio (ratiocinatio)
Inszeniertes Frage-Antwort-Spiel, um einen Gedanken zu entfalten. (Im Gegensatz zur gleichnamigen kommunikativen Figur appelliert die semantische Figur aber weniger an das Publikum, sondern ist mehr auf die Sache und auf die Überlegungen des Redners gerichtet) (vgl. Ottmers 1996: 194; Lausberg 1963: 40, 144; Ueding/Steinbrink 1994: 311f.; Plett 2001: 81f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 88).
Beispiel: Könnte es sein, dass das Fenster nicht verschlossen, sondern nur angelehnt war? Und falls ja, wäre es denkbar, dass der Täter nicht durch die Hintertür, sondern durch eben dieses Fenster eingestiegen ist?

Oxymoron
Antithetische Verbindung zweier Begriffe (vgl. Ottmers 1996: 194; Lausberg 1963: 127; Ueding/Steinbrink 1994: 313f.; Plett 2001: 61f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 84f.).
Beispiel: Dichtung und Wahrheit

Contradictio in adiectio
Ein Beiwort, das mit seinem Bezugswort im Widerspruch steht (vgl. Ottmers 1996: 194; Lausberg 1963: ; Plett 2001: 62).
Beispiel: schwarze Milch

Paradoxon
Miteinander verbundene, gegensätzliche Satzglieder, die vordergründig einen Widerspruch bilden, auf einer weiteren Interpretationsebene aber einen Sinn ergeben (vgl. Ottmers 1996: 195; Ueding/Steinbrink 1994: 314; Kolmer/Rob-Santer 2002: 85f.).
Beispiele: Kein Leben ohne Tod.

Antimetabole (commutatio)
Chiastische Wortstellung einer Antithese (vgl. Ottmers 1996: 195; Lausberg 1963: 126f.; Ueding/Steinbrink 1994: 308; Plett 2001: 61; Kolmer/Rob-Santer 2002: 70f.).
Beispiel: Nicht um zu essen, lebe ich, sondern um zu leben, esse ich. (Quintilian)

Antithetischer Parallelismus
Wortgruppen oder (Teil-)Sätze, deren Satzglieder parallel geordnet und semantisch gegensätzlich sind (vgl. Ottmers 1996: 195; Lausberg 1963: 126f.; Kolmer/Rob-Santer 2002: 69).
Beispiele: Die Alten zum Rat, die Jungen zur Tat. Frieden den Hütten, Krieg den Palästen.

5.3.3 Personale Figuren

Nach antikem Ideal sollte die Rede dem Gemeinwohl dienen – dies nicht zuletzt im Bewusstsein der Kraft, die Rhetorik entfalten kann. Vom perfectus orator (Cicero) bzw. vir bonus (Quintilian) wurde daher auch eine ethisch-moralische Befähigung erwartet. Was nun die personalen Figuren betrifft, so stehen sie den drei ethischen Qualitäten des Redners – Einsicht, Integrität, Wohlwollen – entgegen (vgl. Ottmers 1996: 120). Daher wurden diese Figuren auch nicht gelehrt, um sie anzuwenden, sondern um sie zu erkennen und sich gegebenenfalls dagegen wehren zu können. Hauptmerkmal der personalen Figuren ist, dass sie nicht auf die Sache bezogen, sondern gegen den Opponenten gerichtet sind. Meistens handelt es sich um bewusst verletzende Angriffe (vgl. ebd. S. 196). Kommunikative und appellative Figuren können ebenfalls personalisiert eingesetzt werden, vgl. z.B. indiskrete Fragen oder störende Zwischenrufe. Ebenso können Tropen durch negative Bezüge abwerten. Besonders dankbar für eine verdeckt geführte, persönliche Verletzung sind die Spielarten der Ironie. Ob sich eine Rede gegen den Opponenten richtet, ist daher weniger eine Frage der gewählten Stilmittel als eine Frage des rednerischen Ethos im Umgang derselben.

Obiurgatio
Ein an den Opponenten gerichteter Tadel (vgl. Ottmers 1996: 196).
Beispiel: Dieses Defizit haben wir den Linken und den Netten zu verdanken.

Iracundia
Schimpfrede, die im Zorn über einen Opponenten herzieht (vgl. Ottmers 1996: 196).

Exsecratio
Verwünschung eines Opponenten (vgl. Ottmers 1996: 196; Kolmer/Rob-Santer 2002: 91).
Beispiel: Geh doch nach Moskau!

Laesio
Verletzung des Opponenten, die oft verdeckt durchgeführt wird, indem auf tatsächliche oder vermeintliche Schwachstellen der Persönlichkeit angespielt wird. Hier kommt das ganze Spektrum der gesellschaftlichen Vorurteile zum Einsatz (vgl. Ottmers 1996: 196f.).
Beispiele: Wir brauchen keine Quotenfrauen, der Bessere soll sich bewähren.

Illusio (inlusio)
Ironische, oft subtile Verspottung aus einer Position der Überlegenheit bzw. Überheblichkeit (vgl. Ottmers 1996: 197; Lausberg 1963: 80; vgl. Plett 2001 zu Ironie S. 116–123, ebenso Kolmer/Rob-Santer 2002: 143ff.).
Beispiel: Haben wir heute mal wieder einen schlechten Tag?

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